Hamburg. Hans-Joachim Flebbe rechnet mit Staatshilfen, hatte selbst Corona und würde auch Nicht-Geimpfte und Nicht-Getestete ins Kino lassen.

In Deutschland ist die Situation der Kinobetreiber nach wie vor alles andere als rosig. Lediglich in Tübingen haben einige Kinos probeweise geöffnet, international ist die Lage unübersichtlich. Polen schließt die Lichtspielhäuser wieder, Rumänien und Malta ebenso. In Österreich öffnen sie wieder. Die Hälfte der Sitze darf belegt werden, aber nicht mehr als 100 Zuschauerinnen und Zuschauer, die FFP2-Masken tragen, einen Corona-Schnelltest ablegen oder den Nachweis von vorhandenen Antikörpern vorlegen sollen.

Unter den Kinofilmen, die an den Start gehen, ist kein echter Blockbuster: „Greenland“, „Drachenreiter“, „Yakari – der Kinofilm“, „Meister Eder und sein Pumuckl“. Wie sieht der Hamburger Kinobetreiber Hans-Joachim Flebbe die aktuelle Lage?

Hans-Joachim Flebbe: Die erste Hilfe ist zugesagt

Abendblatt: Zuletzt waren Sie ziemlich sauer auf die Bundesregierung, weil Sie keine Zuschüsse bekamen. Hat sich daran mittlerweile etwas verändert? In welchem Aggregatszustand sind Sie jetzt?

Hans-Joachim Flebbe Mein Ärger gegenüber der Bundesregierung verflüchtigt sich gerade. Nach nunmehr über einem Jahr staatlich verordneter Schließung beziehungsweise massiven Einschränkungen ohne nennenswerte Entschädigungsleistungen ist nun endlich in der vergangenen Woche die erste Hilfe zugesagt worden. Das Problem für uns als mittelständischer Betrieb war, dass unsere acht eigenständigen Gesellschaften als sogenanntes Verbundunternehmen betrachtet wurden, für die nur ein Antrag auf Beihilfe gestellt werden konnte. Obwohl alle Gesellschaften hohe Verluste erwirtschafteten, wurden sie als eine Einheit betrachtet. Dadurch, dass die Zuschüsse gedeckelt waren, mussten die Zahlungen, die bei anderen Unternehmen für eine Betriebsstätte gewährt wurde, bei uns durch acht Gesellschaften geteilt werden, sodass bei den Einzelgesellschaften keine relevanten Beträge ankamen. Das ist nicht nur schwer zu erklären, sondern auch durch die Ungleichbehandlung absolut ungerecht. Nun wurde vor Kurzem nach langem Kampf die Obergrenze erhöht, sodass es auch für uns Sinn machte, Anträge zu stellen.

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Im Vergleich zur Hotel- und Gastro-Branche verhalten sich die Kinobetriebe ziemlich ruhig. Woran liegt das?

Wir haben keine richtige Lobby, und es gibt sehr unterschiedliche Konstellationen: einerseits die Filmkunst- und Programmkinos wie das Abaton oder Zeise. Diese werden aus Kulturtöpfen UND Landeshilfen ordentlich unterstützt. Ich gehe davon aus, dass die Kollegen deshalb nicht sonderlich aufbegehren. Sie fahren vergleichsweise auch überschaubare Verluste ein. Wenn man 3000 Euro Miete zahlen muss, kann das für ein kleines Programmkino zwar weh tun, aber wir haben im Monat etwa eine Million Euro Verlust zu bewältigen. Wir könnten mit Landeshilfen aus dem Kulturetat von Senator Carsten Brosda unsere Verluste nicht entscheidend reduzieren, weil bei ihm solche Größenordnungen gar nicht vorgesehen sind. Wir müssen auf die Bundeshilfen warten. Andererseits gibt es in unserer Branche große internationale Konzerne (CinemaxX, Cinestar, UCI), die durch alle Entschädigungsraster fallen. Um Ungerechtigkeiten zu verhindern, habe ich auch schon mit drei Bundestagsabgeordneten gesprochen. Aber mit der Thematik Verbundgesellschaften wollte sich niemand befassen. Im Augenblick ist es so, dass wir uns ziemlich verschulden und auch eigenes Geld investieren müssen. Aber wir sind der Hoffnung, dass die Versprechungen, die die Minister Olaf Scholz und Peter Altmaier gemacht haben, auch eingehalten werden.

Corona-Infektion gut überstanden

Welches Sicherheitskonzept haben Sie?

Wir hatten bereits im März 2020 ein sicheres Hygienekonzept. Es gibt zudem diverse Gutachten von der Charité und der TU Berlin, die besagen, dass es im Kino sicherer sei als im Büro. In der Astor Film Lounge in der HafenCity z. B. haben wir die leistungsfähigsten Belüftungsanlagen. Die Luft wird dort unter dem Kinosessel eingeblasen und oben über die Decke wieder abgesaugt. Es gibt allerdings auch kleinere Kinos, deren Lüftungsanlagen nicht diesen Qualitätsstandard haben.

Welche Zuschauer würden Sie ins Kino lassen, wenn Sie wieder öffnen dürften? Getestete, geimpfte, Menschen mit Masken, alle?

Wir würden alle reinlassen, aber die Auflagen werden sicherlich andere sein. Geimpfte, frisch Getestete und wieder Genesene stellen ja keine Gefahr dar. Wer noch nicht geimpft ist, geht auf eigene Gefahr in den Saal.

Sind Sie schon geimpft?

Ich hatte im September Corona. Es war wie eine starke Grippe. Nach 14 Tagen war der Spuk aber wieder vorbei. Seitdem lebe ich befreit. Ein Test hat ergeben, dass ich noch genügend Antikörper habe. Glücklicherweise hatte ich auch weder Atem- noch Geschmacksprobleme.

Rechnen Sie damit, dass die Verleiher den Kinos ihre Blockbuster wie zum Beispiel den neuen „James Bond“ überlassen, wenn die Kinos unter starken Auflagen wieder eröffnen?

Nein. Die Produzenten warten darauf, dass man ausreichende Kapazitäten anbietet. Bei 25 Prozent maximaler Auslastung werden wohl nur kleine Filme neu starten. Wir haben natürlich überlegt, welche Filme wir überhaupt zeigen wollen, wenn wir wieder eröffnen. Man könnte auf Titel zurückgreifen, mit denen man ausgestiegen ist. Aber ein Film wie „Die Känguru Chroniken“ wird heute niemand mehr interessieren. Nach dem ersten Lockdown wurde ein Mindestabstand von 1,50 Meter im Kino gefordert, was zu massiven Einschränkungen führte. Wir haben dann drei, vier Monate gekämpft, um den Abstand auf 1 Meter zu verringern, der immerhin 50 Prozent Auslastung ermöglichte. Sogar der Ministerpräsident Weil und der Berliner Regierende Bürgermeister Müller haben mich empfangen und Verständnis gezeigt. Dann kam der zweite Lockdown und alles war vergebens.

Flebbe hat angefangen, "The Crown" zu gucken

Die Produzenten haben erklärt, dass sie das Auswertungsfenster zusammenstreichen wollen. Das heißt, der Abstand zwischen der Kinoauswertung und der Weiterverwertung in Streamingdiensten oder als DVD soll sich deutlich verringern. Wie sehen Sie das?

In der Coronaphase kann man dafür Verständnis aufbringen. Aber wenn das Kino wieder auflagenfrei bespielt werden kann und dann das Auswertungsfenster zugunsten der Streamingdienste verringert wird, stellt das unser gesamtes Geschäftsmodell infrage.

Haben Sie einen aktuellen Lieblingsfilm?

Zurzeit keinen Kinofilm. Aber auch ich nutze natürlich Streamingdienste. Ich habe angefangen, „The Crown“ zu gucken. Das hat mir gut gefallen. Dafür ist Netflix wirklich toll. Kinofilme würde ich mir natürlich nach wie vor lieber im Kino anschauen.