Hamburg. Die Solistin Janine Jansen fiel kurzfristig aus. Für sie sprang die Russin Alena Baeva ein – ein Name, den man sich merken muss.

Zweimal Brahms in einem Programm? Das dürfte ziemlich erwartbar ausfallen, sollte man meinen. Aber getäuscht: Der jüngste Abend mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen in der Elbphilharmonie steckte voller Überraschungen. Das begann damit, dass die Solistin für das Violinkonzert, Janine Jansen, kurzfristig ausfiel. Für sie sprang die Russin Alena Baeva ein. Ein Name, der vermutlich den wenigsten im Saal geläufig war – was über die Qualität nicht das Geringste aussagte.

Baeva spielte dieses doch hinlänglich bekannte Konzert so frisch und lebendig, als hätte sie es gerade erst entdeckt und wollte dem Publikum unbedingt davon erzählen. Von den dramatischen Steigerungen, die sich immer weiter in die Höhe schraubten, bis man beim Hören schier nach Luft schnappte.

Konzertkritik: Brahms-Konzert wurde zu Seelenreise

Und von der Stille, die sich im nächsten Moment einstellen konnte. Dieses Brahms-Konzert wurde zu einer Seelenreise ohne jeden Exhibitionismus, dafür von radikaler Ehrlichkeit. Baeva ließ Zweifel zu, wo andere Selbstgewissheit ausstellen. Ihre Geige klang mal aggressiv und direkt, dann wieder voller Schmelz, frei und mitunter brüchig bis zur Unhörbarkeit.

Das traf sich auf beglückende Weise mit dem Zugang, den Paavo Järvi und die Kammerphilharmonie zu dem Stück gefunden hatten. Schon die Orchestereinleitung atmete, steckte voller Kontraste und zog die Anwesenden förmlich in einen Strudel, hinein in den zornigen Soloeinsatz. Während einer intensiven Moll-Passage der Solovioline setzten die ersten Geigen einen Kontrapunkt, der so scharf und untröstlich klang, als wäre es Mahler.

Konzertkritik: Ergriffenheit war deutlich zu spüren

Die Ergriffenheit im Saal war deutlich zu spüren. Der überschwängliche Applaus endete sofort, als Baeva ein paar englische Worte sagte: Tag und Nacht denke sie an die Bedrohung ganz in unserer Nähe. Sie hypnotisierte das Publikum geradezu mit dem Largo aus der C-Dur-Solosonate von Bach, so innig und zu Herzen gehend spielte sie es.

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Nach der Pause stand keine Sinfonie auf dem Programm, sondern die A-Dur-Serenade: ein Jugendwerk ohne Geigen, aber dafür mit jeder Menge solistischer Aufgaben für die Bläser. Das dichtgewobene Stück kann furchtbar zäh werden. Aber nicht mit der Kammerphilharmonie. Bei ihr wurden die Motive überaus plastisch, sangen die Bläserkantilenen, groovte das Scherzo, ging es an jeder Wegbiegung anders weiter als erwartet. Wie im Leben.