Hamburg. Theorie trifft auf persönliche Erfahrungen: Die Hamburger Autorin forderte bei ihrer Lesung einen bewussteren Umgang mit Sprache.

Sprache kann unsere Welt begrenzen aber Sprache kann sie auch unendlich weit öffnen.“ Ein zentraler Satz in Kübra Gümüşays „Sprache und Sein“, den die Hamburger Autorin bei ihrer Lesung am Sonnabend im Jungen Schauspielhaus mit gewinnendem Lächeln vorträgt. Ein kluger Satz. Aber natürlich auch ein Satz, der in der Sprachwissenschaft niemanden mehr hinter dem Ofen hervorholt. Wie wir sprechen, hat Einfluss auf unsere Handlungen. Und wie wir sprechen, schafft Kategorien, um Individuen einzuteilen. „Die Flüchtlinge.“ „Die Homosexuellen.“ „Die Muslime.“

Aber Gümüşay ist keine Sprachwissenschaftlerin, sie ist Politologin, und als solche darf sie auch Erkenntnisse haben, die anderswo längst als Allgemeinplätze durchgesetzt sind. Zumal wenn man sie so charmant vorträgt wie die 33-Jährige. Wenn sie die eigene Forderung nach einer bewussten Sprache selbst praktiziert und den Vortrag so elegant wie unmerklich gendert.

Junges Schauspielhaus: Kübra Gümüşay über Sprache und Bewusstsein

Und wenn sie die theoretischen Überlegungen mit persönlichen Erfahrungen anzureichern weiß. Wenn sie, als sichtbare, Hidschāb dragende Muslima, bei Rot die Ampel überquere, dann verhalte nicht sie allein sich ordnungswidrig, dann stehe sie für alle Muslimas auf der Welt. „Muslime halten sich nicht an Verkehrsregeln, weiß man ja.“

Dass die Person Kübra Gümüşay durchaus umstritten ist, wird an diesem Abend ausgeblendet. Die meist von rechts geäußerten Vorwürfe, dass die Autorin sich kurden- und alevitenfeindlich positionieren würde, dass sie die Nähe zu islamistischen Gruppen suche, kommen nicht zur Sprache (weswegen sie Gümüşay auch nicht, wie schon häufig geschehen, zurückweisen muss). Stattdessen hört das großteils junge, sprachtheoretisch versiert wirkende Publikum eine lockere, unterhaltsame Theorielesung, die vom Ensemble des Jungen Schauspielhauses musikalisch untermalt wird. Und bei der statt um Eintritt um Spenden gebeten wird, für die Hilfsorganisation „Visions For Children“, die unter anderem in Afghanistan Entwicklungsarbeit leistet.