Hamburg. Die Ausstellung in der Fabrik der Künste zeigt die Hansestadt gegen den Strich gebürstet. Und: Konzerte, Satiren und ein Gedenken.
Großstadtgetümmel und Alltagsirrsinn und mittendrin der Feldstraßen-Bunker als Dschungelcamp: „Hamburg total“ karikiert die Hansestadt in der Fabrik der Künste. Im Bunker, genauer gesagt im Uebel & Gefährlich, gibt es ein Wiedersehen mit einem schwedischen Post-Hardcore-Trio, in der Kulturkirche Altona wartet die Erleuchtung, und in der Laeiszhalle scheint ein Licht der Hoffnung aus dunklen Zeiten: unsere Kulturtipps der Woche.
Neue Stadtkarikaturen als Comic: Dreimal ist in Hamm Hartens Recht
„Dreimal ist Bremer Recht“, lautet eine alte Regel an der Weser. Dass man sich locker über die hinwegsetzen kann, zeigt Ulf Harten. Der geborene Hamburger kann sich einen spöttischen Blick auf seine Heimat nicht verkneifen: 2015 hatte Harten, inzwischen seit fast 40 Jahren als Comic-Zeichner tätig, mit „Hamburg total“ eine große Werkschau zum Thema in der Fabrik der Künste präsentiert. Damals zeigte der Comic-Künstler, wie er die Stadt und ihre Entwicklung sah. Vor knapp vier Jahren, kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie, legte der Künstler, der auch schon den ersten Abendblatt-Adventskalender („Echt Hamburg“) mit der Hammaburg gestaltet hatte, in der Ausstellungsstätte in Hamm mit „Hamburg total 2“ nach.
Noch bis Ende Februar sind nun fast 80 frische Arbeiten aus dem „Hamburg total“-Zyklus zu sehen. Mit seiner kreativen Partnerin DM Trocken alias Doris Dörr hat Harten, beide arbeiten und leben zusammen als Duo Nillosan in Wilhelmsburg, erneut Geschichten und Orte aus dem Großstadtgetümmel zu „Stadtkarikaturen“ und Karikaturen von Hamburger Architektur lebendig werden lassen. Frei nach Hartens Motto „Comic ist der Rock ’n’ Roll der Kunst“ widmen sich die beiden Zeichner aufs Neue der „Erzählenden Illustration“. Zeugnisse ihres Schaffens finden sich übrigens ständig auf der Reeperbahn, am Spielbudenplatz und im Millerntor-Stadion des FC St. Pauli. str
„Hamburg total 2024“ bis 25.2., Sa/So jew. 12.00–18.00, M–Fr 14.00–19.00, Fabrik der Künste (Bus 112), Kreuzbrook 12, Eintritt 5,- (Mi Eintritt frei), Kinder und Jgdl. bis 18 J. immer frei; www.fabrikderkuenste.de
Nicht nur am Valentinstag: Neustart der Ehnerts mit „Küss langsam“
Der Hamburger Schauspieler, Regisseur, Kabarettist und Autor Michael Ehnert ist ein akribischer rund gewitzer (Bühnen-)Arbeiter: Vor fast genau acht Jahren haben seine Ehefrau, die Schauspielerin Jennifer, und er, „irgendwo in Süddeutschland“ die 258. Vorstellung ihres ersten Duoprogramms „Küss langsam“ gespielt. „Es sollte damals eigentlich die Dernière sein“, meint er heute. Doch weil beide seitdem immer wieder gebeten wurden, es doch noch mal zu zeigen, werden Ehnert & Ehnert am Valentinstag im Lustspielhaus die 259.
Vorstellung geben. „Allerdings haben wir das Stück noch einmal komplett überarbeitet, modernisiert und abschließend sogar geprobt, sodass man ruhigen Gewissens fast von einer Premiere sprechen könnte“, formuliert Michael Ehnert gewohnt süffisant. Und so nennen die Ehnerts ihr turbulentes, eheliches und amüsantes Kabarett-Theater mit Zugabe am 15. Februar kurzerhand „Küss Langsam“ (Neustart 2024). Denn die Programme „Zweikampfhasen“ und „Kissin‘ impossible“ gibt es ja bereits... str
„Küss Langsam (Neustart 2024)“ Mi 14./Do 15.2., jew. 20.00, Lustspielhaus (U Hudtwalckerstraße), Ludolfstraße 53, Karten zu 30,- (erm. 20,-) bis 37,- unter T. 040/55 56 55 56; www.almahoppe.de und www.dieehnerts.de
Dunkle und schöne Alternative-Rock-Geheimnisse im Bunker
Schweden und Rock, da denkt man zuerst an triefende, nach Pfandautomaten riechende Lederjacken von Hellacopters und Gluecifer. Oder an gut sitzende Anzüge bei The Hives. Das Trio Normandie aus Örebro (Heimat einer breiten Palette toller Bands von Millencollin über Blues Pills bis Truckfighters) klingt allerdings ausgesprochen unschwedisch mit stadiontauglichem Post-Hardcore und Alternative Rock, aber natürlich auch mit dem typischen nordischen Gespür für Melodien. Nach zwei Auftritten im Headcrash vor der Pandemie kommt Normandie mit dem aktuellen Album „Dark & Beautiful Secrets“ (2021) am 15. Februar ins Uebel & Gefährlich. tl
Normandie, As December Falls, Self Deception Do 15.2., 21.00, Uebel & Gefährlich (U Feldstraße), Feldstr. 66, Karten zu 26,- im Vorverkauf; www.normandieofficial.com
Erst Eure Mütter im Tivoli, dann eure Witze im Schmidtchen
Seit mehr als 20 Jahren machen Eure Mütter die Unterhaltungstheater im deutschsprachigen Raum unsicher – und sogar mal das Publikum nass. Mit ihrem Mix aus Wort, Musik und – na ja – Akrobatik changieren die Komiker Andi Kraus, Don Svezia und Matze Weinmann zwischen prallen Pointen, satten Sounds, massigen Moves und dicken Dingern schon mal unter der Gürtellinie. Ihr achtes Programm verspricht jedoch erneut eine abwechslungsreiche Show mit präzise gebastelten Darbietungen und treffsicheren Pointen. Dass das Stuttgarter Trio, bekannt geworden dank seiner durchchoreografierten Nummer „Synchron-Haarewaschen“ (zu Irene Caras Hit „What A Feelin’“), noch immer spritzig sein kann, will es mit „Fisch fromm Frisör“ im Schmidits Tivoli zeigen – frisch gewaschen, ausgenommen und eingedreht.
Ebenfalls Hamburg-Premiere hat am 16. und 17. Februar im Schmidtchen Sven Bensmann. Der Entertainer aus Osnabrück („NightWash“, „Quatsch Comedy Club“) öffnet hier erstmals seine bei einer Show 2016 aus der der Not heraus entstandene Wundertüte, indem er Witze aus dem Publikum vorliest und damit improvisiert. Vorausgesetzt, die Besucher bringen welche mit und reichen in der Pause einige nach, egal, ob gute, schlechte oder schlichte. str
Eure Mütter: „Fisch fromm Frisör“ Mo 12.2., 19.30, Schmidts Tivoli (S Reeperbahn), Spielbudenplatz 27-28 Sven Bensmann „...liest Eure Witze“ HH-Premiere Fr 16./Sa 17.2., 20..00, Schmidtchen (U St. Pauli), Spielbudenplatz 22, Restkarten ab 23,- bzw. Karten zu 20,- bis 26,- unter T. 040/31 77 88 99; www.tivoli.de
Schuberts „Winterreise“, ungewohnt zum Feierabend im Oberhafen
Der Winter war schon immer eine unangenehme Jahreszeit. Auch bei Franz Schuberts „Winterreise“ gibt es viel zu beklagen, sie handelt von einer Geschichte missglückter Liebe und der Reise eines abgewiesenen Wandergesellen. Am 14. Februar werden Jale Papila mit Gesang und ihr Klavierbegleiter Franck Thomas Link das Stück in dieser eher ungewöhnlichen Besetzung aufführen. In den von Schubert vertonten Gedichten Wilhelm Mülllers fnden sich viele Zeichen der damaligen Zeit, die auf einen Weltschmerz aufgrund der Auflärung und der vergangenen Französischen Revoluton hinweisen. Das Publikum kann sich auf eine emotional und musikalisch neuartige Fassung der „Winterreise“ freuen, als Teil der Reihe „Feierabendkonzerte“ im Oberhafen. hphq
„Winterreise“ — Feierabendkonzert im Oberhafen Mi 14.2., 18.00, Halle 424 (U Steinstraße), Stockmeyerstr. 43/Tor 24, Karten zu 18,- (Vorverkauf) bzw. 23,- (Abendkasse); www.kammerkunst.de
Schmutziger Rock aus Stuttgart im Gruenspan
„Spackos Forever“ zu sein ist jetzt nicht das geistreichste Vorhaben, aber die Rödelrocker Schmutzki aus Stuttgart halten das jetzt schon 13 Jahre durch. Das Debütalbum „Bäm“ war 2015 durchaus ein Knaller, „Mehr Rotz als Verstand“, aber eingängig, zackig, mitreißend und wie gemacht, um im Club den Boden beim Pogo-kreiseln zu fegen. Vor wenigen Wochen erschien das vierte Album „Schmutz de la Schmutz“, und das ist Anlass genug für Sänger Beat Schmutz, Bassist Dany Horowitz und Drummer Flo Hagmüller, mal wieder den Norden zu besuchen. Hier in Hamburg haben sie schon einige Läden von der Pooca Bar bis zum Uebel & Gefährlich auseinandergenommen. Das Gruenspan kann sich am 15. Februar schon mal warm ausziehen. tl
Schmutzki Do 15.2., 20.00, Gruenspan (S Reeperbahn), Große Freiheit 58, Karten zu 34,55 im Vorverkauf; www.schmutzki.de
Eine Erleuchtung der besonderen Art in der Kulturkirche Altona
Immersive Erlebnisausstellungen sind zurzeit sehr angesagt, damit ist das Eintauchen in virtuelle Welten gemeint. Nicht nur Museen oder speziell dafür gebaute Veranstaltungsorte präsentieren derartige Spektakel. In der Kulturkirche Altona feiert die 3-D-Lasershow „Genesis II“ ihre Premiere. Aufwendige Projektionen des Schweizer Künstlerkollektivs Projektil, die mit ausgewählten Klängen von Klassik bis Electro gepaart werden, sollen laut Veranstalter ein spektakuläres Kunstwerk in den alten Gemäuern ergeben – „eine Hommage an die Schöpfung“. Die Gäste erleben die Entstehung von Sonne, Mond und Sternen und beobachten, wie Tiere in Luft, Wasser und an Land zum Leben erwachen. Ähnlich wie im United Scene an der Gaußstraße, in dem derzeit noch „Tutanchamun“ immersiv erlebt werden kann, laden auch hier Sitzkissen auf dem Boden zum Staunen und Lauschen ein. Weitere Shows sind am 11., 12. und 14. März geplant. vfe
„Genesis II“ Do 15.2., 20.00 und 20.45, Kulturkirche Altona (S Holstenstraße, Bus 15), Bei der Johanniskirche 22, Eintritt für einen 30-minütigen Zeitfenster-Besuch 13,90/6,90 (Kinder bis 9 Jahre)/9,90 (10–17 Jahre); Tickets unter www.feverup.com
Gedenken an die Opfer des KZ Theresienstadt und ihr kulturelles Erbe
Wichtiger denn je ist dieser Tage eine lebendige Erinnerungskultur, die generationsübergreifende Auseinandersetzungen mit der NS-Zeit schafft. Damit „Nie wieder“ jetzt bleibt, erinnert die musikalische Lesung „Ich wand’re durch Theresienstadt“ am 16. Februar mit Schauspieler Roman Knižka und dem Ensemble Opus 45 an das 1941 errichte KZ Theresienstadt. Im Mittelpunkt steht in der Laeiszhalle das kulturelle Erbe junger inhaftierter Komponisten mit Texten und Musik von Ilse Webe, Zvi Cohen, Pavel Haas und Gideon Klein. Zeitzeugin Edith Erbrich wird in einer Podiumsdiskussion über das Lager und seine Befreiung sprechen, dabei fließen filmische Sequenzen der Bildungsarbeit mit Schülerinnen und Schülern mit ein. hpnf
„Ich wand’re durch Theresienstadt“ Fr 16.2., 18.00, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Eintritt frei, Anmeldung erforderlich unter: www.elbphilharmonie.de