Hamburg. Anfänger und Profis, Begeisterung und Enttäuschung: Beim Poetry-Slam ist von Spannung und Überraschungen die Rede. Ein Besuch.

Es riecht nach Popcorn. Aufgeregtes Gemurmel ist von allen Seiten zu hören, während das Publikum des „Kampf der Künste“-Poetry-Slams im großen Saal der Zeise Kinos Platz nimmt. Die Vorfreude ist schon zu spüren, denn die meisten wissen schon genau, was auf sie zukommt. Fünf bis sechs Minuten hat jeder der Dichter und Dichterinnen Zeit, um einen selbst geschriebenen Text vorzutragen.

Die Themen sind frei wählbar, egal ob lustig, traurig oder irgendwas in der Mitte. Meistens handelt es sich um nachvollziehbare und banale Alltagsgeschichten, politische und gesellschaftskritische Texte oder sogar sehr persönliche Angelegenheiten und Probleme. Im Vordergrund steht die Liebe zum Wort. Deshalb sind weder Requisiten oder Verkleidung noch Gesang erlaubt. Zu gewinnen? Eine silberne Hantel und den Kick, den der tosende Applaus auslöst, wenn per Publikumsentscheidung die Gewinnenden gewählt werden.

Poetry-Slam Hamburg: „Kampf der Künste“ – Auf ein Wort in den Zeise Kinos

An diesem Abend stehen die Leute Schlange an der Kinokasse, um die sechs Poeten und Poetinnen des Abends zu hören. Moderiert von Anna Bartling wird die Publikumsjury für den ersten Teil der Veranstaltung ausgewählt, die einzeln oder im Team über eine Wertung von 1,0 bis 10,0 entscheiden. Nacheinander treten alle Teilnehmenden begleitet von Applaus auf.

Texte über eine Wespen-Pressekonferenz und auch die dramatische Geschichte eines verlorenen Freundes führen zu einem Auf und Ab der Gefühle im Publikum. Letztendlich kommen allerdings nur drei der Slammer und Slammerinnen in die nächste Runde und dürfen jeweils einen weiteren Text vortragen: Der lauteste Applaus gewinnt.

„Kampf der Künste“: 2005 wurde die Idee im Zeise geboren

Gerade im Zeise Kino hat diese Form der Gedichts- und Redekunstkunst Tradition. Im Jahr 2005 hatte Jan-Oliver Lange, der damals noch an der Kinokasse arbeitete, ein neues Konzept entwickelt, um das „Zeise Latenight“-Programm zu erhalten. Die neu eingeführten sogenannten Slams wurden zu einer Trilogie, bestehend aus einem Short Film Slam, Poetry Slam und dem ein Jahr später hinzukommenden Singer-Songwriter Slam – und retteten das Abendprogramm. So nahm der „Kampf der Künste“ seinen Lauf.

Was als kleines Projekt im Zeise angefangen hat, findet in der Slam-Hauptstadt Hamburg, wie „Kampf der Künste“ seine Heimat nennt, mittlerweile in verschiedensten Größenordnungen statt. Von der „Jägerschlacht“ im Grünen Jäger, bei der Newcomer die Chance bekommen, die Bühne zu erobern, bis zu weit größeren Schauplätzen: Schauspielhaus, Ernst Deutsch Theater, Kampnagel und Elbphilharmonie.

„Kampf der Künste“: Die „Jägerschlacht“ ist Einstieg für Newcomer

Slammer werden kann jeder. Jan-Oliver Lange erklärt, dass sich von der „Jägerschlacht“ hochgearbeitet werden kann zu Auftritten auf größeren Bühnen. Das Zeise trifft jeden Monat eine Auswahl an Dichtern und Dichterinnen, teils schon erfahrene alte Hasen, die sich bereits einen Namen in der Szene gemacht haben, teils Neulinge. Sogar internationale Slammerinnen und Slammer werden eingeladen, wie die 22-jährige Elif Duygu aus Österreich, die bei der Januar-Runde im Zeise den Saal mit einem schon bekannteren Text begeistert: „Wie riecht Liebe für dich?“. Die eindeutige Wertung aus der ersten Runde und der tosende Applaus nach der zweiten lassen schon fast eindeutig werden, dass sie wohl als Gewinnerin des Abends aus dem Kinosaal tritt.

Die Bühne teilte sie sich unter anderem mit Kolja Fach, einem schon sehr erfahrenen Slammer und Schreiber, der mit viel Witz und Humor punktet. Geschichten von Bärten beziehungsweise dem Fehlen ebendieser in Jugendjahren, sorgen für herzliches Lachen bei den Zuschauern. Theresa Sperling beeindruckt nicht nur mit der völlig freien Vortragsweise, sondern vor allem auch mit ihren gesellschaftskritischen Texten. Mit „Was ich meiner Tochter nie sagen würde“ adressiert sie mit viel Gefühl und Empathie, aber auch Stärke den Kampf gegen Sexismus einer jeden Frau, weitergegeben (oder eben auch nicht) von Müttern an ihre Töchter. Ihr zweiter Text, ein Märchen, wie Theresa ihn einleitet, kritisiert raffiniert die AfD.

„Kampf der Künste“: Zum Schluss gibt es die eiserne Hantel

Als es zur Entscheidung kommt und die drei Finalisten auf der Bühne nacheinander noch ein letztes Mal bejubelt werden, um je nach Lautstärke und Länge des Applauses den Sieger zu ermitteln, überreicht die Moderatorin Anna Bartling wider Erwarten Kolja Fach die eiserne Hantel. Obwohl auch Kolja eine starke Leistung an diesem Abend hinlegt, haben wohl nicht mal die Finalisten mit dieser Entscheidung gerechnet. Während Kolja sich beim Publikum bedankt, ist Elif sichtlich enttäuscht. Diskussionen im Nachhinein können allerdings nichts an der Entscheidung der Applausrichterin ändern.

Trotz holpriger Siegerermittlung ist die allgemeine Begeisterung des Publikums aber nicht zu überhören. Lyrik, Prosa, Comedy und Emotionen auf der „Kampf der Künste“-Bühne gibt es am 1. Februar (20 Uhr) beim „Best of Poetry Slam – Cup Special“ im Ernst Deutsch Theater und am 2. Februar (22.30 Uhr) beim „Zeise Singer Slam“.

„Kampf der Künste“ Termine, Informationen und Karten unter www.kampf-der-kuenste.de