Hamburg. Im Dezember ist wieder Michael Thalheimers Inszenierung von Wagners früher Oper zu sehen. Die Titelrolle singt Michael Volle.

Kein Schiff, kein Wasser. Das ist mal eine Ansage bei Wagners „Der fliegende Holländer“. Schließlich beruht die Oper auf der Legende vom Geisterschiff, einem Stoff, der in zahllosen Varianten zum kollektiven Erzählungsschatz Mitteleuropas gehört und ohne gehörigen Wellengang, ohne den Urgrund einer – auch philosophischen – Auseinandersetzung mit der Übermacht der Naturgewalten eigentlich kaum denkbar ist. Wagner selbst, der den „Holländer“-Stoff 1838 in Riga kennengelernt hatte, geriet übrigens kurze Zeit später, als er per Schiff wieder einmal vor seinen Gläubigern floh, selbst am Skagerrak in einen schweren Sturm.

Der Bariton Michael Volle kämpft als Holländer auf dem Trockenen

Der Regisseur Michael Thalheimer und der Bühnenbildner Olaf Altmann setzen in ihrer Deutung, die im vergangenen Jahr an der Staatsoper herausgekommen ist und diesen Dezember dreimal gespielt wird, ganz auf Reduktion. Der Bühnenraum ist klaustrophobisch schwarz und voller stilisierter Schiffsleinen aus durchsichtigem Kunststoff, in denen die Figuren gefangen sind. Zu erzählen beginnt dieses schlichte Bühnenbild durch Stefan Bolligers Lichtregie.

Die Titelrolle übernimmt der Bariton Michael Volle, wie schon im vergangenen Sommer in Bayreuth. Der Holländer ist wegen einer Gotteslästerung dazu verdammt, die Weltmeere zu befahren. Nur alle sieben Jahre darf er an Land gehen, nur alle sieben Jahre hat er die Chance auf Erlösung, denn die kann ihm nur durch die Liebe einer treuen Frau zuteil werden.

So weit, so dramatisch. Thalheimer fragt nun allerdings: Wie soll das gehen, einen Wildfremden lieben? Ist da noch etwas anderes im Spiel? Eine Gewalterfahrung, ein Trauma? Senta jedenfalls, die in der kommenden Vorstellungsserie von der Sopranistin Gabriela Scherer verkörpert wird, ahnt schon vor dem Erscheinen des Holländers, dass ihr Schicksal mit seinem verknüpft ist. Ihre Ballade „Johohoe! Traft ihr das Schiff im Meere an“ ist das Zentrum der ganzen Oper.

Senta fügt sich eher in ihr Schicksal, als dass man von Liebe sprechen könnte

Senta liebt den Holländer nicht aus freien Stücken, eher fügt sie sich in das Unvermeidliche. Wie wenig selbstbestimmt ihr Leben ist, das zeigt sich schon in der Ouvertüre, wenn sie sich aus einem schwarzen Leichensack quält, dessen knisternde Plastikfolie gleichsam eine Abstraktion von Wasser darstellt.

Eigentlich ist sie doch mit Erik (gesungen von Michael Spyres) verlobt. Der liebt sie aufrichtig und zunehmend verzweifelt. Je mehr er spürt, dass sie ihm entgleitet, desto mehr bedrängt er Senta. Aber für das Übersinnliche an der Begegnung mit dem Fremden hat er so wenig Empfinden wie Sentas Vater Daland (Franz-Josef Selig), der seiner Tochter die Verbindung rührend treuherzig aus praktisch-wirtschaftlichen Erwägungen nahelegt.

So kompakt wie der Stoff ist auch die Musik. Der „Holländer“ folgt in der Anlage noch immer dem Prinzip der Nummernoper. Von der Ouvertüre an, in der der Sturm förmlich durch das Orchester tost, bis zum Erwachen der untoten Schiffsmannschaft ist die Partitur hochdramatisch, ein wahrer Kraftakt für alle Beteiligten. Das Philharmonische Staatsorchester und der Staatsopernchor stellen sich ihm unter der Leitung von Adam Fischer.

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Natürlich stürzt sich Senta in Thalheimers Version nicht von einer Felsenklippe. Es ist ja keine da. Aber da sind ja noch die raschelnden schwarzen Plastiksäcke. Diese Selbstauslöschung passt in gruseliger Weise zu Wagners eigener Haltung. Kein Geringerer als sein Schwiegervater Franz Liszt bescheinigte ihm 1854, die „Mission des Weibes in Selbstverleugnung und Hingebung“ erkannt zu haben. Aus heutiger Sicht ein mehr als zweifelhaftes Kompliment.

„Der fliegende Holländer“ 10.12., 18.00; 12. und 15.12., jeweils 19.30, Staatsoper, Karten zu 6,- bis 119,- unter T. 35 68 68; www.staatsoper-hamburg.de