Leipzig/Hamburg. Bundesgerichtshof sieht „Rechtsfehler“ beim Urteil um Freikarten aus dem Jahr 2022. Ehemaliger Bezirkschef muss erneut vor Gericht.
Der Bundesgerichtshof hat am Donnerstag das Urteil des Landgerichtes Hamburg in der Affäre um Freikarten für das Konzert der Rolling Stones im Stadtpark im Jahr 2017 aufgehoben. Der Fall um den ehemaligen Bezirksamtsleiter Nord, Harald Rösler, muss von einer anderen Strafkammer in Hamburg neu verhandelt werden. Der BGH sprach von „Rechtsfehlern“, die zum einen die Angeklagten begünstigt hätten, zum anderen aber ebenso „zum Nachteil“ der Beschuldigten gewirkt hätten. Neben Rösler war sein Stellvertreter angeklagt (BGH-Aktenzeichen 5 StR 447/22).
In der Urteilsbegründung des BGH heißt es unter anderem: „Das Landgericht hat allerdings auch eine Verurteilung des R. wegen Bestechlichkeit durch Forderung und Annahme der Freikarten und Kartenoptionen nicht tragfähig verneint. Die Strafkammer hat dabei als mögliche Gegenleistung lediglich die Bemessung des Nutzungsentgelts für den Stadtpark in den Blick genommen, nicht aber bedacht, dass es den Angeklagten auch um Wohlwollen bei der Vertragsabwicklung gegangen sein könnte.“ Die Korruptionsvorwürfe hätten also genauer untersucht werden müssen.
Rolling Stones: Hamburger Ticket-Affäre muss aufgerollt werden
Im Urteil des BGH steht auch, dass das Hamburger Gericht einige Sichtweisen vernachlässigt habe. „Die Strafkammer hat außer Acht gelassen, dass die Freikarten auch eine prinzipiell zulässige Gegenleistung des Konzertveranstalters für die Nutzung des Stadtparks gewesen sein könnten.“ Das hieße, dass die Verurteilung Röslers in diesem Punkt möglicherweise nicht korrekt war.
Außerdem wiesen die höchsten Richter darauf hin, dass Rösler bei der Verteilung der Freikarten in einem Punkt eventuell gar nicht rechtswidrig gehandelt habe. Sie schrieben in ihrem Urteil, dass eine „unredliche Beeinflussung der Dienstausübung bei Geschenken des Dienstvorgesetzten an seine Mitarbeiter eher fernliegt“. Andererseits, so das Gericht, müsse erneut untersucht werden, ob Rösler sich nicht doch der Untreue gegenüber seinem Dienstherrn schuldig gemacht hat. Denn wenn er Freikarten verteilt, die dem Bezirksamt zur Verfügung gestellt wurden, seien das ja „eigene Zwecke“, die er dabei verfolgt haben könnte.
Urteil gegen Hamburger Bezirksamtsleiter aufgehoben
Röslers Anwalt Johann Schwenn sagte gegenüber dpa, die Staatsanwaltschaft habe einen „Zwischensieg“ errungen. Einem neuerlichen Prozess sehe er aber zuversichtlich entgegen. Es sei möglich, dass an dessen Ende ein besseres Ergebnis für seinen Mandanten stehen könne.
Das Landgericht Hamburg hatte Rösler und seinen Stellvertreter wegen Vorteilsannahme verurteilt, nicht wegen Korruption. Denn der Mietpreis für den Stadtpark sei bereits fix gewesen (rund 200.000 Euro), als Rösler die Karten gefordert habe. Das sieht die Revision nun kritisch.
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Die Veranstalter wurden vom Vorwurf der Bestechlichkeit freigesprochen. Das muss nun ebenso neu verhandelt werden. Rösler sollte laut erstem Urteil 180 Tagessätze zu je 120 Euro zahlen. Dass Rösler eine Einladung zu einem Abendempfang angenommen hat, bemängelte das Landgericht nicht. Das seien legitime Repräsentationsaufgaben gewesen.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg war gegen das Urteil aus dem April 2022 in Revision gegangen. Zuvor wurden in zahlreichen Verfahren wegen der Freikarten-Affäre gegen drei Staatsräte und Beamte Strafbefehle oder Geldstrafen ausgesprochen. Andere Verfahren wurden eingestellt. Insgesamt soll es um 100 Freikarten und 300 Kaufkarten aus einem eigens von Rösler verhandelten Kontingent gegangen sein.
Scharfe Konsequenzen aus Fall Rösler
Die Ticket-Affäre hatte eine Debatte um politisch Verantwortliche und Einladungen sowie Vergünstigungen ausgelöst. Im Jahr 2019 gab es eine Neufassung der „Bekanntmachung über das Verbot und die ausnahmsweise zulässige Annahme von Belohnungen und Geschenken“. Das Personalamt schrieb an alle Behörden unter anderem: „Die ergänzenden behördlichen Regelwerke unterliegen nunmehr unter dem Blickwinkel der Kompatibilität zur Verwaltungsvorschrift und der Maßstabswahrung einem Zustimmungsvorbehalt des Personalamtes.“ Das heißt: Vor Geschenken jeder Art müsse geprüft werden, ob das zu Rösler-ähnlichen Folgen führen könnte.
Diese erweiterte Regelung hatte Konsequenzen: So lehnte der Senat es ab, dass Jan Delay im Jahr 2021 ein kostenloses Konzert im Impfzentrum in den Messehallen gab. Der Musiker war so begeistert von der Einrichtung, dass er einen Kostnix-Gig anbot. Daraus wurde nichts – wegen der Ticket-Affäre.