Hamburg. Früherer Mann, der als Frau kandidierte, ficht die Wahlergebnisse an – weil er oder sie sich nicht vorstellen durfte.
Einen Tag nach Ende des von mehreren Eklats überschatteten Hamburger Linken-Parteitags sind wesentliche Teile der Vorstandswahlen von einem Mitglied formal angefochten worden. Bijan Tavassoli, der oder die sich vor dem Parteitag zur Frau erklärt und dort dann in Abwesenheit für den Posten der Parteisprecherin und für die Frauenliste zum Vorstand kandidiert hatte, fühlt sich durch den Umgang mit seiner bzw. ihrer Kandidatur offenbar benachteiligt.
In einer offiziellen Anfechtung dieser und der Wahlen der Altonaer Parteitagsdelegierten teilte er oder sie dem Landesvorstand der Linken und der Landesschiedskommission mit, warum aus seiner bzw. ihrer Sicht die Wahlen nicht rechtmäßig gelaufen sind.
Eklat: Muss Hamburgs Linke Parteitag wiederholen?
Hintergrund: Wie berichtet hatte Tavassoli seine bzw. ihre Kandidatur wegen einer angeblichen „Corona- und wahrscheinlich auch Affenpocken“-Erkrankung in Abwesenheit mitgeteilt, was prinzipiell möglich ist. Dann hatte eine mit Kapuze und Maske vermummte Person eine bizarre Vorstellungsrede angeblich im Namen Tavassolis gehalten und darin einerseits die Schönheit aller Frauen gepriesen, aber auch Parteimitglieder beschimpft.
Niemand aus dem Parteitagspräsidium hatte verifiziert, wer dieser Redner war. Tavassoli bestritt später, dass die Rede in seinem Namen gehalten worden sei. Er sei quasi doppelt geschädigt, da er selbst sich nicht habe etwa per Zoom zuschalten und vorstellen können und das Präsidium behaupte, die wirre Rede sei von ihm gewesen. Zudem hätten Delegierte verletzende transphobe Sprüche gemacht.
Parteiausschlussverfahren gegen Tavassoli läuft bereits länger
Viele in der Partei vermuten, dass Tavassoli mit seiner bzw. ihrer Kandidatur als Frau das Recht ad absurdum führen wolle, das eigene Geschlecht per Selbstdefinition zu wechseln. Der bzw. die Linke ist bekannt für Provokationen. Er bzw. sie hatte in den sozialen Medien den Sieg der Taliban in Afghanistan gefeiert und trat bereits im russischen Propagandasender Russia Today auf. Ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn läuft bereits seit Längerem.
Tavassoli weist den Vorwurf der Provokation zurück. Vielmehr sei ihm bzw. ihr klar geworden, dass er bzw. sie schon immer eine Frau gewesen sei. „Der Parteitag muss wiederholt werden“, sagte Tavassoli dem Abendblatt. Es müsse aufgeklärt werden, ob sich jemand mit einer falschen Rede „einen Witz auf meine Kosten erlauben wollte“, so Tavassoli. „Ich werde das jetzt juristisch ausfechten.“ Der neue Landesgeschäftsführer der Linken, Christoph Timanns, sagte dem Abendblatt, die Partei sehe dem Verfahren der Schiedskommission „sehr gelassen entgegen“.
Eklat auf Parteitag der Hamburger Linken
Am Wochenende hatten die Delegierten mit Sabine Ritter und Thomas Iwan zwei neue Parteisprecher gewählt, die für einen pragmatischen Kurs stehen und die zuletzt zerstrittene Linke wieder einen wollen. Sollte der Parteitag tatsächlich wiederholt werden müssen, wäre das ein herber Rückschlag für sie.