Hamburg. „Innovation in der Hochschullehre“ fördert jährlich fortschrittliche Projekte. Davon profitieren auch Hamburger Dozenten und Studierende.

Spitzenforschung gibt es längst vielerorts in Deutschland. Allein drei Runden der Exzellenzinitiative brachten Milliarden für renommierte Großprojekte und zusätzliche Aufmerksamkeit für diesen Teil der Hochschulwelt. Tolle Seminare und Vorlesungen genossen bisher weniger Ansehen, trotz des Qualitätspakts Lehre. Im Juni 2019 brachten Bund und Länder eine neue Institution auf den Weg, die das Stiefkind Hochschullehre endlich bundesweit ins Rampenlicht rücken und fortschrittliche Projekte fördern soll, mit insgesamt 150 Millionen Euro pro Jahr.

Den Wettbewerb um den Aufbau dieser Organisation gewann eine Hamburger Einrichtung: die gemeinnützige Toepfer Stiftung. Unter ihrem Dach legte die „Stiftung Innovation in der Hochschullehre“ los – während der Pandemie, ohne sich in der Hansestadt angemessen als neue Institution vorstellen zu können. Das will das Team um die Vorständinnen Cornelia Raue, Evelyn Korn und Antje Mansbrügge heute Abend bei einem Empfang in den Räumen der Stiftung zwischen Raboisen und Ferdinandstraße nahe der Binnenalster nachholen. Zu den Gästen zählen etwa Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne), für die Lehre zuständige Vizepräsidentinnen der Hamburger Hochschulen und Vertreter von Joachim Herz-, Körber- und „Zeit“-Stiftung.

Auch Hamburger Hochschule von Stiftung gefördert

Katharina Fegebank dürfte sich besonders darüber freuen, dass Hamburger Hochschulen bereits an elf neuartigen Projekten beteiligt sind, die von der Stiftung mit insgesamt 12,7 Millionen Euro gefördert werden. Bundesweit unterstützt die Stiftung bisher 343 Lehrvorhaben bis zu drei Jahre lang mit Summen zwischen 380.000 und fünf Millionen Euro. Die Liste der Geförderten reicht von der Technischen Universität München über die Hochschule für Musik Detmold bis zur Evangelischen Hochschule Dresden.

Eine Studentin an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg.
Eine Studentin an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. © Simon Lou Schueler | Simon Lou Schueler

Angebote für Wissenschaftler, ihre Lehre zu überdenken, gebe es zwar schon seit vielen Jahren, sagt Stiftungsvorständin Antje Mansbrügge. „Aber es hapert daran, dass der Einsatz für die Lehre kein zentraler Baustein im Karriereweg zu einer Professur ist – da zählt am Ende in erster Linie die Forschung.“ In der Forschung sei das Ringen um die bestmöglichen Ergebnisse selbstverständlich. „Da kennt man die Arbeiten der Kollegen, da tauscht man sich aus, da ist man im Wettbewerb, wer schneller und besser ist. Diesen produktiven Austausch braucht es auch für die Lehre“, sagt Mansbrügge.

Pandemie zeigt Relevanz der Lehrqualität

Während der Pandemie haben wohl fast alle Studierenden digitale Lehre erlebt. „Dabei ist sehr deutlich geworden, dass es einen großen Unterschied macht, ob Lehrende sich energisch befassen mit der Art und Weise, wie sie unterrichten und ihre Studierenden am besten erreichen, ob sie eine Lehreinheit didaktisch konzipieren – oder einfach nur ins Mikro sprechen und annehmen, das reiche schon, es so hochzuladen.“ Die Stiftung wolle dazu beitragen, „die guten Köpfe, die an der Lehre der Zukunft arbeiten, zusammenzuholen“.

 „Die Lehre ist so etwas wie die Stabübergabe an die nächste Generation“, sagt Antje Mansbrügge, Vorständin der Stiftung Innovation in der Hochschullehre.
„Die Lehre ist so etwas wie die Stabübergabe an die nächste Generation“, sagt Antje Mansbrügge, Vorständin der Stiftung Innovation in der Hochschullehre. © David Ausserhofer | DAVID_AUSSERHOFER

Die Lehre sei so etwas wie eine „Stabübergabe an die nächste Generation“. Nur etwa vier Prozent der Studierenden gehen später in die Wissenschaft – alle anderen gehen in unterschiedlichste Berufe, sagt Mansbrügge. „Das sind die Ärztinnen unserer Kinder, die Ingenieure, die Autos der Zukunft bauen, das sind Musikerinnen, Informatikerinnen, Künstler, all die Menschen, die morgen die Welt gestalten – und das ist ja schwer genug, wie wir wissen, mit Klimakrise und Krieg.“

Universitäten in Harburg und HafenCity gefördert

Deshalb fördert die Stiftung nun etwa das von der Technischen Universität in Harburg und der HafenCity Universität entwickelte neue Lehrangebot „Technologies for Sustainable Development“. Ergänzend zu Standardseminaren in Fächern wie Elektrotechnik, Maschinenbau und Stadtplanung sollen Studierende überfachliche Kompetenzen aneignen können, die sich auf die 17 Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung beziehen – zum Beispiel lernen, mit Technologien den Hunger in der Welt zu bekämpfen, überall sauberes Wasser bereitzustellen und umweltschonende Energie zu erzeugen.

Forstwissenschaft-Studierende der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde.
Forstwissenschaft-Studierende der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde. © Antonia Hinterdobler | Antonia Hinterdobler

Dagegen zielt das ebenfalls von der Stiftung geförderte neue Vorhaben „Digital and Data Literacy in Teaching Lab“ an der Universität Hamburg etwa darauf ab, dass Lehrende digitale und hybride Formate besser beherrschen und Studierende ein kritisches Verständnis vom Umgang mit Daten entwickeln.

Kritik an Verfahren der Ausschreibungen

Auf die erste Ausschreibung zum Thema „Hochschullehre durch Digitalisierung stärken“ bekam die Stiftung 264 Anträge von Hochschulleitungen aus dem ganzen Land. Die Bewertung übernahmen der Stiftung zufolge renommierte Expertinnen aus Hochschulen sowie Studierende, die vom Bund-Länder-Gremium der Stiftung ausgewählt wurden. Den Zuschlag bekamen 139 Vorhaben.

Die zweite Ausschreibung „Freiraum 2022“ richtete sich ohne thematischen und fachlichen Schwerpunkt an einzelne Lehrende, die etwas Neues ausprobieren wollen – und sorgte für Kritik. Denn die Stiftung hatte bereits in der Ausschreibung angekündigt, aus Kapazitätsgründen nur die ersten formal gültigen 600 Anträge bearbeiten zu können, weil sie über eine kleine Geschäftsstelle verfüge und noch im Aufbau sei. Da es weitere „Freiraum“-Ausschreibungen geben werde, sollte aber künftig der Zeitdruck bei den Antragstellenden sinken, so die Stiftung.

Mit dem Vergabeverfahren habe die Stiftung dem allgegenwärtigen Kampf um Fördermittel „noch die Komponente des Windhundverfahrens beigegeben“, erklärten die Initiatoren der Kampagne „Ich bin Hanna“ gegen Dauerbefristungen und prekäre Arbeitsbedingungen junger Wissenschaftler in einem Gastbeitrag für die „Zeit“. Ein solches Verfahren setze Fehlanreize: „Prämiert werden Schnellschüsse anstelle von Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit.“ Wer die Qualität seiner Lehre gesichert habe, dürfte kaum Zeit gehabt haben, sich zu bewerben. „Es braucht eine nachhaltige Förderung der Lehre in der Breite. Allen Studierenden stehen gute Bedingungen zu, nicht nur denjenigen, die zufällig von kurzfristig geförderten Leuchtturmprojekten profitieren.“

Studierende der Filmuniversität Babelsberg.
Studierende der Filmuniversität Babelsberg. © Yana Stoeva | Yana Stoeva

Antje Mansbrügge sagt zur Kampagne „Ich bin Hanna“ und der Kritik, die Lehre sei in der Breite unterfinanziert: „Das ist eine große Debatte im Wissenschaftssystem, die weiter diskutiert werden sollte.“ Die Stiftung sei allerdings „dezidiert für zusätzliche Mittel zuständig, nicht für die Grundfinanzierung“. Was kann die Stiftung damit bewirken? „Unsere Förderung sorgt für Bewegung und macht einen Unterschied“, sagt Mansbrügge. „Es braucht aber einen langen Atem.“