Hamburg. Bürgerschaft macht den Weg frei für eine Verlängerung der strengeren Corona-Regeln – CDU dagegen, FDP und AfD wollen klagen.
Seit 17.05 Uhr am Mittwoch ist Hamburg ein Corona-Hotspot. Das hat die rot-grüne Mehrheit in der Bürgerschaft, unterstützt von der Linkspartei, nach einer emotionalen Debatte beschlossen. Auf Basis dieses Beschlusses will der Senat am Freitag eine neue Corona-Eindämmungsverordnung vorlegen, um die Maskenpflicht in Innenräumen und das 2G-Plus-Zugangsmodell für „Tanzlustbarkeiten“, also vor allem Clubs und Diskotheken, bis zum 30. April aufrecht zu erhalten. Außer der AfD und der FDP stimmte überraschend auch die CDU dagegen.
Dass aus Ihrer Sicht „die konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage“ besteht, so der Antrag, begründeten SPD und Grüne mit einer drohenden Überlastung des Gesundheitswesens. Eine Vielzahl an vermeidbaren Todesfällen könne die Folge sein. Konkret wiesen die Regierungsfraktionen insbesondere auf die „erhebliche Zunahme“ der Anzahl der Covid-19-Patienten auf den Normalstationen hin: Diese sei von 245 Personen Anfang März auf 464 am 28. März gestiegen – eine Zunahme um von fast 90 Prozent in einem kurzen Zeitraum. Zudem seien die Kliniken durch Infektionsfälle beim Personal „erheblich beeinträchtigt“.
Hamburgische Bürgerstadt: Hamburg ist Corona-Hotspot
SPD-Gesundheitsexpertin Claudia Loss unterstrich diese Einschätzung mit der Schilderung der Situation auf der Geriatrie-Station, auf der sie als Krankenschwester arbeitet: Von 22 hochbetagten, pflegebedürftigen Patienten seien acht infiziert, auch Kontaktpatienten müssten isoliert werden. Da auch viele Mitarbeiter erkrankt seien, sei sie zuletzt allein mit einer Kollegin und einem Azubi zuständig gewesen. Ihr Fazit: „Eine Überlastung unserer Krankenhäuser droht nicht nur, sie wird auch sicher eintreten, wenn wir nicht vorausschauend handeln.“
Auch Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) warnte davor, dass „alles zusammenbricht“, wenn die Maßnahmen nicht verlängert würden. Das Virus habe seit Anfang März noch einmal gezeigt, wozu es fähig ist, und sie sehe ihre Aufgabe darin, die Bevölkerung zu schützen und die drohende Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern.
Jennifer Jasberg: Hamburg muss handeln
Ebenso wie die beiden Sozialdemokratinnen machte auch Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg deutlich, dass sie mit dem neuen Infektionsschutzgesetz des Bundes nicht glücklich ist. Aber angesichts einer Virusausbreitung, „die wir zuvor so nicht erlebt haben“ und der Tatsache, dass sich am Vortag zehn Hamburger Krankenhäuser von der Notfallversorgung abgemeldet haben, müsse Hamburg handeln. Während viele Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen zum 2. April auslaufen, würden nur zwei verlängert, so Jasberg: „Das ist kompakt, das einfach, das ist nicht viel.“
Die Linke unterstütze den Beschluss, sagte ihr Gesundheitsexperte Deniz Celik. Er forderte den Senat aber auf, mehr gegen Personalnotstand und Überlastung im Pflegebereich zu tun.
Hamburg wird Corona-Hotspot – dank Betreiben der SPD
Der Beschluss der Bürgerschaft basiert auf einer fast schon absurden Konstellation auf Bundesebene: Die rot-grün-gelbe Regierung hatte vor allem auf Druck der FDP beschlossen, dass die bundesweit geltenden Beschränkungen bis auf einige wenige „Basisschutzmaßnahmen“ wie die Maskenpflicht im Nahverkehr spätestens zum 2. April auslaufen. Auf Betreiben der SPD wurde den Ländern aber ermöglicht, sich ganz oder in Teilen zum Corona-Hotspot zu erklären, um Maßnahmen verlängern oder neue beschließen zu können. Diese Möglichkeit nutzt außer Hamburg nur noch Mecklenburg-Vorpommern. Im Ergebnis rief Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Länder dazu auf, diese Regelung großzügiger zu nutzen, während Justizminister Marco Buschmann (FDP) genau davor warnte.
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„Für das Chaos, das Ihre Bundesregierung angerichtet hat, wollen wir nicht in Verantwortung genommen werden“, begründete CDU-Fraktionschef Dennis Thering die Ablehnung seiner Partei. Scharf kritisierte er den FDP-Landesvorsitzenden Michael Kruse, der wie der AfD-Landesvorstand gegen die Hotspot-Regelung in Hamburg klagen will. Dass der Landesvorsitzende einer Partei gegen die Anwendung einer Regel, die seine eigene Partei im Bund aufgestellt habe, klagen wolle, sei „perfide“. Thering erntete seinerseits aber scharfe Kritik fast aller anderen Fraktionen, weil er zuletzt den Eindruck erweckt hatte, die Hotspot-Regelung zu unterstützen. Nun aber sagt er: „Hamburg ist kein Corona-Hotspot.“
Corona-Hotspot: AfD übt Kritik
Die Corona-Politik von Rot-Grün erreiche ihren „absurden Höhepunkt“, sagte Krzysztof Walczak (AfD). Es sei ein „offensichtlicher Rechtsbruch“, wenn Hamburg sich, anders als 14 andere Bundesländer, zum Corona-Hotspot erkläre. Die Behauptung, dass eine Überlastung der Krankenhäuser drohe, sei die „Unwahrheit“ und ein „fabriziertes Märchen“. Walczak prophezeite: „Dies Hotspot-Ausrufung wird keinen Bestand haben - wir ziehen vor Gericht und werden diesen illegalen Irrsinn stoppen.“
Auch der FDP-Abgeordnete Sami Musa lehnte den Beschluss ab. Dieser sei unverhältnismäßig. Es müsse Schluss damit sein, dass Hamburg die härteste Linie in der Corona-Politik fahre.