Hamburg. Fraktionsvorsitzende Jennifer Jasberg fordert in der Bürgerschaft „eine schnelle Ausweitung der Impfangebote in den Bezirken“ zum Boostern.

Angesichts der erwarteten Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) für eine Drittimpfung aller über 18-Jährigen hat die grüne Regierungsfraktion den Druck auf den Senat erhöht. „Wir brauchen jetzt eine schnelle Ausweitung der Impfangebote in den Bezirken. Die Hausärzte können das nicht allein stemmen“, sagte Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft.

Demgegenüber sieht sich die Hamburger Ärzteschaft mit Blick auf den zu erwartenden Ansturm auf die Booster-Impfungen gut gerüstet (siehe Bericht Seite 7). Da auch damit zu rechnen sei, dass die Stiko eine Corona-Impfung für Kinder unter zwölf Jahren empfehlen werde, so die Grünen-Politikerin, müsse wieder eine zentrale Terminvergabe­stelle eingerichtet werden. „Wir dürfen die Terminsuche nicht den Eltern überlassen. Der Impfmotor muss wieder laufen“, sagte Jasberg.

Corona in Hamburg: Grüne fordern in der Bürgerschaft schnelles Handeln

Unterstützung erhielt die Fraktionschefin von der Linken. „Wir brauchen jetzt dezentrale Impfzentren in den Bezirken, die an sieben Tagen in der Woche geöffnet sind, aber auch weitere niedrigschwellige Angebote“, sagte der Linken-Gesundheitspolitiker Deniz Celik. Der Senat habe „wertvolle Zeit verspielt“, weil in Hamburg im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie Bremen nur über 70-Jährige entsprechend der bisherigen Stiko-Empfehlung „geboostert“ würden. „Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Wir müssen auf die Überholspur kommen“, sagte Celik.

Jasberg wies darauf hin, dass der „überwältigende Anteil der Neuinfektionen“ bei den Ungeimpften festgestellt werde. Es sei deswegen richtig, wie vom Senat am Dienstag beschlossen, das 2-G-Modell auszuweiten und damit die Kontaktmöglichkeiten für Ungeimpfte im öffentlichen Raum einzuschränken. Die Grünen-Fraktionschefin sprach sich in diesem Zusammenhang für eine „bundespolitische Impfpflicht für bestimmte Bereiche“ aus, ohne dabei konkreter zu werden.

Kommt doch die allgemeine Impfpflicht?

„Sollten das 2G-Modell und die Impfkampagne die vierte Welle nicht brechen, wird auch über eine allgemeine Impfpflicht zu reden sein“, sagte Jasberg. Politik und Gesellschaft dürften nicht zulassen, dass „wenige Ungeimpfte das Leben aller Menschen durch eine Überlastung des Gesundheitssystems einschränkten.

„Regierungsversagen spaltet unsere Gesellschaft: Es darf keinen weiteren Lockdown und keinen Impfzwang geben!“, lautete die Anmeldung der AfD-Fraktion für die Aktuelle Stunde. Der Verlauf der Debatte zeigte, dass die AfD-Abgeordneten in der Bürgerschaft auch bei diesem Thema isoliert sind. „Die Ungeimpften werden zu Sündenböcken gemacht. Das zieht die Gräben der Spaltung noch tiefer“, sagte AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann. „Es gebe „eine hohe Zahl“ von Impfdurchbrüchen, also Infektionen von bereits Geimpften.

Debatte in der Bürgerschaft: AfD kritisiert Umgang mit Ungeimpften

„Warum verleugnen Sie das?“, rief Nockemann an die Adresse des Senats und der anderen Fraktionen. Die verantwortlichen Politiker hätten Menschen in dem Glauben gelassen, nach dem „kleinen Piks“ einer Impfung könnten sie wieder „sorglos leben“. Es versetze ihn in Angst und Schrecken, so der AfD-Fraktionschef, wie mit den Ungeimpften umgegangen werde. „Geben Sie allen ihre verfassungsmäßigen Rechte zurück“, forderte Nockemann.

„Es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Infizierung, aber es ist uns nicht gelungen, eine ausreichend hohe Impfquote zu erreichen“, sagte die SPD-Gesundheitspolitikerin Claudia Loss. „Wer vor diesem Hintergrund über Spaltung und Informationsunterdrückung redet, hat den Ernst der Lage noch immer nicht erfasst. Die Spaltung der Gesellschaft ist eher in der Fantasie der AfD als in der Realität“, sagte Loss. Es werde keinen Impfzwang geben.

Sieben-Tage-Inzidenz bei Geimpften deutlich niedriger

Der CDU-Gesundheitsexperte Stephan Gamm sprach von einem „kruden Debattenbeitrag“ der AfD. „Dass durch die Impfungen das Virus ausgerottet werden könnte, hat nie jemand behauptet. Aber die Impfungen sind das einzige Mittel, das am Ende funktioniert“, sagte Gamm. Die Ausweitung der 2G-Regel sei richtig, aber „kein Allheilmittel“, könne jedoch für Ungeimpfte auch eine Botschaft sein, sich doch impfen zu lassen. Israel habe mit frühzeitigen Booster-Impfungen die vierte Corona-Welle gebrochen. „Spätestens jetzt muss der Senat den Knopf drücken, um in großer Zahl Booster-Impfungen zu ermöglichen, statt nur auf die Hausärzte zu verweisen“, so der CDU-Politiker.

„Die AfD verharmlost Corona und verbreitet Fake News. Das ist pure Spaltungspolitik“, sagte Linken-Politiker Celik. Das Vorgehen der AfD sei zynisch, „weil sie keinen eigenen vernünftigen Vorschlag gemacht hat, wie Menschen­leben gerettet werden können. Dennoch gebe es ein „Regierungsversagen“, weil der Senat trotz der monatelangen Warnungen der Virologen vor einer vierten Welle Test- und Impfzentren geschlossen habe. „Statt flächendeckend zu boostern, beschränkt sich der Senat auf Symbolpolitik mit der Ausweitung der 2G-Regel“, sagte Celik.

„Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt in Hamburg bei den Ungeimpften bei 605, bei den Geimpften bei 22. Die AfD richtet mit ihrer Desinformationskampagne großen Schaden an“, sagte Grünen-Fraktionschefin Jasberg. „Die Mehrheit der Hamburger und Hamburgerinnen ist geimpft und trägt solidarisch Verantwortung wie auch die Abgeordneten von CDU, SPD, Grünen, Linken und FDP.“