Hamburg. Grünen-Politikern bekommt nicht nur aus der Opposition viel Kritik – selbst parteiintern kann sich die Senatorin nicht durchsetzen.

Anna Gallina (Grüne) durchlebt derzeit schwere Tage als Justizsenatorin und geht deutlich geschwächt aus der Auseinandersetzung mit ihrer Staatsrätin Katja Günther (Grüne) hervor. Gleich zweimal konnte sich die Gallina nicht durchsetzen.

Die 54 Jahre alte Juristin Günther wurde am Montag nicht, wie von Gallina gewünscht, in den einstweiligen Ruhestand versetzt, sondern ist vorerst lediglich von ihren Aufgaben entbunden. Günther, die einen Urlaub angetreten hat, ist gewissermaßen Staatsrätin ohne Geschäftsbereich.

Gallina wird der Wunschkandidat verwehrt

Noch gravierender ist für Gallina, dass sie sich nicht mit ihrem Wunschkandidaten für die Günther-Nachfolge durchsetzen konnte. Die Senatorin scheiterte am Widerstand der eigenen Parteifreunde. Die Grünen-Spitzen aus Senat, Partei und Bürgerschaftsfraktion hatten sich in stundenlangen Krisengesprächen beraten, die bis in den Sonntagabend dauerten.

Dabei wurde deutlich: Gallinas Vorschlag für die Nachfolge – Thomas Baehr, Leiter der Präsidialabteilung der Justizbehörde und ebenfalls ein Grüner – findet keine Unterstützung. Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass Baehr Teil der Auseinandersetzungen an der Spitze der Justizbehörde ist.

Gallina gegen Günther: Illoyales Verhalten?

Zwischen Gallina und Günther war ein monatelanger Streit zum Wochenende hin eskaliert. Dabei ging es aus Sicht von Gallina um illoyales Verhalten Günthers, die unter anderem zu Beginn der Legislaturperiode versucht haben soll, Baehr von seinem Posten abzuberufen, was Gallina letztlich verhinderte. Zuletzt scheiterte eine Bewerbung Baehrs auf den Posten des Leiters des Amtes für Verbraucherschutz, das zur Justizbehörde gehört.

Gallina und Günther streiten darüber, wer die Verantwortung dafür trägt. Als das tiefe Zerwürfnis der beiden Frauen am Freitag öffentlich zu werden drohte, zog Gallina die Notbremse und bat Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) um Entlassung ihrer Staatsrätin.

Katja Günther (Grüne) ist seit 2015 Staatsrätin.
Katja Günther (Grüne) war seit 2015 Staatsrätin der Justizbehörde. © Senatskanzlei / Daniel Reinhardts

Katja Günther soll neuen Posten bekommen

Jetzt stellt sich heraus, dass dieses Vorgehen Gallinas jedenfalls nicht mit der kompletten Führungsriege ihrer Partei abgestimmt war. Katja Günther genießt auch bei vielen Grünen wie in der Justiz und bei der SPD aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz hohe Anerkennung.

Die Übergangslösung ist daher auch als Geste der Gesichtswahrung für Günther zu werten, die sechs Jahre lang als Justizstaatsrätin tätig war. Nach Abendblatt-Informationen sollen die kommenden Tage genutzt werden, um für Günther einen Posten in der Hamburger Verwaltung zu finden, wenngleich unterhalb der Staatsratsebene.

Günther-Abberufung: Die Reaktionen

Scharfe Kritik an der Abberufung Günthers kam bereits am Wochenende von CDU und FDP. „Die internen Auseinandersetzungen in der Justizbehörde werfen kein gutes Licht auf die Senatorin und ihre Politik. Katja Günther war ein wichtiger Garant für Stabilität und juristischen Sachverstand in der Behörde – an beidem wird es nun fehlen“, sagte Linken-Bürgerschaftsfraktionschefin Cansu Özdemir am Montag. „Hier verlässt die falsche Person die Behörde, Frau Günther war die zuverlässige und kompetente juristische Ansprechpartnerin“, sagte der AfD-Fraktionsvorsitzende Dirk Nockemann.

Gegen Thomas Baehr als neuen Justizstaatsrat sprachen aus grüner Sicht gleich mehrere Gründe. Nachdem sich Baehr bei der Amtsleiter-Ausschreibung nicht durchsetzen konnte, wäre es nach Ansicht mancher Grüner nicht gut begründbar gewesen, ihn auf den ungleich höher dotierten Posten eines Staatsrats zu hieven. Zudem sei es unglücklich, wenn einer der engsten Mitarbeiter Gallinas gerade in dieser verfahrenen Situation Staatsrat werde. Baehr gilt auch im eigenen Haus als nicht unumstritten.

Tschentscher mahnt hohe Fachkompetenz an

Es dürfte der Wunsch der Grünen-Spitzen sein, einen Staatsrat oder eine Staatsrätin „von außen“ in die Justizbehörde zu holen, der oder die von den hausinternen Verwerfungen nicht belastet ist. Für die Suche haben sich die Grünen nun etwas Zeit verschafft.

Auch Bürgermeister Tschentscher, der den Grünen das Vorschlagsrecht für den Posten überlässt, soll als Kriterien für die Auswahl natürliche Autorität und hohe juristische Fachkompetenz angemahnt haben. Justizsenatorin Gallina selbst ist keine Juristin.

Gallina hat kaum noch Grünen-Unterstützer

Bemerkenswert an diesem Verfahren ist, dass Gallina die Entscheidung über die Günther-Nachfolge aus der Hand genommen worden ist und nun grün-intern „gemeinsam“ nach einer Lösung gesucht wird.

Zwar hat offensichtlich niemand in der Grünen-Spitzen-Runde die Frage gestellt, ob Gallina angesichts der Vorgänge in ihrer Behörde überhaupt Senatorin bleiben kann. Es ist aber auffällig, dass es kaum enge Unterstützer Gallinas, die immerhin mehrere Jahre lang Landesvorsitzende war, in der Führungsrunde gibt. Gallina selbst ist entschlossen, weiterzumachen.

Von Vogel übergangsweise Justizstaatsrat

„Übergangsweise wird Senatorin Anna Gallina von Alexander von Vogel unterstützt, der damit bis auf Weiteres Staatsrat für die Bezirke und die Justizbehörde ist“, sagte die stellvertretende Senatssprecherin Julia Offen am Montagmorgen.

Der 46-Jährige studierte Rechtswissenschaft in Konstanz und München, promovierte als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft über Aspekte des Vertragsrechts und absolvierte ein Rechtsreferendariat in Berlin. Anschließend arbeitete von Vogel zwei Jahre lang als Rechtsanwalt in der Hauptstadt und dann in Hamburg, bis er hier 2008 Beamter wurde.

Von 2015 an amtierte der Vater zweier Söhne als Leiter der Präsidialabteilung und des Büros von Senatorin Katharina Fegebank (Grüne) in der Behörde für Wissenschaft und Gleichstellung. Seit Juni 2020 ist von Vogel Staatsrat für Bezirke.

Katja Günther: Diese Bezüge stünden ihr im Ruhestand zu

Käme es später doch noch zu einer Versetzung Günthers in den einstweiligen Ruhestand, so würden ihr für den jeweiligen Monat sowie für die folgenden drei Monate die Bezüge fortgezahlt werden, die ihr am Tag vor der Versetzung zugestanden hätten, erläuterte das Personalamt auf Anfrage.

Im Anschluss an die Monate mit gleichbleibenden Bezügen werde ein „Ruhegehalt“ gezahlt, maximal drei Jahre lang. Dieses betrage 71,75 Prozent der sogenannten ruhegehaltfähigen Dienstbezüge. Anschließend stehe entlassenen Staatsräten ein sogenanntes erdientes Ruhegehalt zu. Dessen Höhe bemesse sich nach der insgesamt erreichten ruhegehaltfähigen Dienstzeit der Beamtin oder des Beamten.