Hamburg. Bürgerschaft debattiert über jüngste Corona-Regeln. Nicht nur die Opposition ist verärgert über das Krisenmanagement.
Eigentlich wollte die Bürgerschaft am Mittwoch über die aktuellen Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern debattieren, inklusive der geplanten Osterruhe. Dass Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kurz vor der Sitzung verkünden musste, die fünftägige Stilllegung des Landes von Gründonnerstag bis Ostermontag werde es doch nicht geben, weil die Bundesregierung festgestellt habe, dass die Maßnahme nicht rechtssicher umsetzbar seien, veränderte die Vorzeichen der Debatte jedoch.
„Wir haben eine schwierige kommunikative Situation nach diesem Osterruhe-Super-GAU“, räumte Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg ein. „Es macht keine Freude, der Bundespolitik bei ihrem Eiertanz zuzusehen.“ Grund zu Optimismus seien dagegen „entscheidende Erfolge“ in Hamburg, sagte Jasberg und verwies darauf, dass 51.159 bestätigen Corona-Fällen in der Hansestadt fast 180.000 Erstimpfungen und fast 82.000 Zweitimpfungen gegenüberstehen.
Nach Hin und Her um Oster-Lockdown: Thering lobt Kanzlerin
In den Pflegeeinrichtungen seien die Impfungen abgeschlossen worden, die Zahl der stationär aufgenommenen hochaltrigen Corona-Patienten sinke. An bis zu 100 Standorten würden täglich 50.000 Schnelltests durchgeführt, private Tests sowie Untersuchungen an Schulen und bei Hausärzten nicht mitgerechnet. „Jeder Test trägt zum Sieg im Kampf gegen das Virus bei“, sagte Jasberg.
CDU-Fraktionschef Dennis Thering schaffte es, aus dem Hin und Her um den Oster-Lockdown noch ein Lob für die Bundeskanzlerin zu destillieren: „Gute Politik zeichnet sich auch dadurch aus, dass man erkennt, wenn man auf dem falschen Weg ist.“ Er habe die Osterruhe ohnehin kritisch gesehen: „Den Lebensmitteleinzelhandel am Tag vor Ostern dicht zu machen, um dann während Ostern einen Run auf die Geschäfte zu provozieren, kann eigentlich nur beschließen, wer seit längerer Zeit selbst nicht mehr einkaufen war.“
Linken-Fraktion fehlt Infektionsschutz am Arbeitsplatz
Generell fehle ihm an den Beschlüssen die Perspektive und der Elan, so Thering: „Wir treten auf der Stelle, wir verharren im Lockdown – das ist nach einem Jahr Pandemie zu wenig.“ Impfen und Testen seien der Schlüssel für die Tür heraus aus der Pandemie. Immerhin: Ein Antrag seiner Fraktion, Schüler, Lehrer und Erzieher künftig täglich und nicht nur ein- bis zweimal pro Woche zu testen, wurde zur weiteren Beratung in den Fachausschuss überwiesen.
Den Optimismus von Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg mit Blick auf Maßnahmen in Hamburg wollte die Linken-Fraktion nur bedingt teilen. „Der Infektionsschutz am Arbeitsplatz wird wieder einmal vollständig ausgeklammert“, sagte der Abgeordnete Deniz Celik und rief: „Das finden wir unerträglich.“
Celik: Senat soll Gesundheitslotsen an Brennpunkten einsetzen
Er verwies auf Corona-Ausbrüche bei Airbus, Blohm+Voss und in der Fleischerei der Restaurantkette Block House. „Es kann doch nicht sein, dass wir im privaten und öffentlichen Raum den Infektionsschutz polizeilich überwachen, aber in den Produktionshallen und Werkstätten gilt: nichts sagen, nichts hören, nichts sehen.“ Unternehmen müssten verpflichtet werden, Mitarbeiter, die nicht zu Hause arbeiteten, mindestens zweimal in der Woche zu testen.
Der Senat dürfe zudem nicht länger den Zusammenhang zwischen sozialem Status und Corona-Infektionen ignorieren, sagte Celik mit Verweis auf viele Infektionen in Hamburg-Mitte und Harburg – und zitierte Falko Droßmann, Leiter des Bezirksamtes in Mitte: „Der Zusammenhang zwischen Armut und Krankheit ist eine Binse.“ Der Senat müsse „Gesundheitslotsen“ und Sozialarbeiter an den Brennpunkten einsetzen, forderte Celik. „Es wird höchste Zeit für privilegierten Schutz in nicht privilegierten Stadtteilen.“
Die AHAL-Regeln gegen Corona: So verringern sie das Ansteckungsrisiko
- Abstand halten: Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum, und halten Sie mindestens 1,50 Meter Abstand zu anderen Personen
- Hygiene: Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund, waschen Sie sich regelmäßig die Hände mit Seife und achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
- Im Alltag Maske tragen: Auch wo die (erweiterte) Maskenpflicht nicht gilt, ist es empfehlenswert, sich und andere vor Ansteckung zu schützen. FFP2-Masken oder OP-Masken bieten Schutz vor Ansteckung
- Lüften: Wenn Sie sich mit anderen Personen in einem Raum aufhalten, lüften Sie regelmäßig, um das Risiko einer erhöhten Viruskonzentration in der Raumluft zu verringen
- Außerdem: Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an Ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden
FDP kritisiert Tschentschers Krisenmanagement
Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein hingegen bezeichnete die Forderungen an Firmen als überzogen. „Während der Staat seit einem Jahr relativ planlos auf der Stelle tritt, arbeitet die Wirtschaft an innovativen Lösungen, die von der Regierung weitgehend leider ignoriert werden“, sagte sie. „Teststrategien, digitale Nachverfolgung und Distributionserfahrung können von großem Nutzen sein“, sagte Treuenfels-Frowein, ohne zu erläutern, auf welche Firmen sie sich bezog.
Es sei unangebracht, rechtliche Regelungen in Aussicht zu stellen, für den Fall, dass die Wirtschaft ihrer Verantwortung nicht nachkomme, wie es Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) getan hatte.
AfD-Fraktionschef Alexander Wolf verwies darauf, dass die Bürger Umfragen zufolge zunehmend unzufrieden mit dem Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung seien: „Überspitzt gesagt: Zu Tode geschützt ist auch gestorben.“ Das Hin und Her bei der Osterruhe sei ein „Offenbarungseid der Politik“. Und die Reisebeschränkungen könne man niemandem erklären: „Reisen nach Mallorca sind möglich – aber eine Ferienwohnung im eigenen Land darf ich nicht anmieten?“ Der Lockdown sei ein „Irrweg“, so Wolf.
Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick
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- Interaktive Corona-Karte – von China bis Hamburg
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„Müssen den solidarischen Gedanken aufrecht erhalten“
Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) hielt unter Verweis auf die 400 Neu-Infektionen am Mittwoch („nicht schön“) entgegen, dass sich an den wirksamen Mitteln gegen eine Corona-Infektion seit einem Jahr nichts geändert habe: „Da brauchen wir auch keine innovativen Ideen.
Es ist leider Abstand, es ist leider Maske, es ist langfristig die Impfung und es ist eine gute Teststrategie. Nur das hilft.“ Leonhard appellierte daher, dass sich jeder Bürger und jede Bürgerin fragen möge, was er oder sie gegen die Ausbreitung des Virus tun könne. „Diesen solidarischen Gedanken müssen wir aufrecht erhalten, mindestens noch einige Wochen, vielleicht noch einige Monate, und dann wird es schrittweise besser.“
Dennoch sei sie aber „grundsätzlich positiv gestimmt“, so Leonhard: Die Liefermengen an Impfstoff würden bald zunehmen. Die nun „überall erhältlichen“ Schnelltests seien eine weitere gute Säule, die Pandemie in den Griff zu bekommen: „Möge uns das gelingen.“ Dem Rückzieher von Bund und Ländern bei der Osterruhe zolle sie Respekt, sagte Leonhard: „Wer Verantwortung übernimmt, trägt auch schwer an ihr, das haben wir heute erlebt.“