Hamburg. Zwei Welten? Ties Rabe lobt „dramatische Fortschritte“ auf dem Gebiet. Die Opposition spricht hingegen von einem „Trümmerfeld“.

Schulsenator Ties Rabe (SPD) hat „rückblickend mit etwas Stolz“ eine Zwischenbilanz zur Digitalisierung an den staatlichen Schulen in Zeiten der Corona-Pandemie gezogen. „Wir haben in den vergangenen neun Monaten verglichen mit der Ausgangslage dramatische Fortschritte gemacht.

Wir haben die Leistungen verdrei- oder sogar vervierfacht“, sagte Rabe, der Hamburg an der Spitze aller Bundesländer bei der digitalen Ausstattung sieht. „Dennoch räume ich ein, dass noch etwas zu tun ist. Dazu gehört, in allen Bereichen eine Versorgung von 100 Prozent zu erreichen“, fügte Rabe in der Landespressekonferenz hinzu.

Im Einzelnen: Die Zahl der Schulen, die über WLAN in den Unterrichtsräumen verfügen, hat sich mehr als vervierfacht. Waren es im März 2020 lediglich 61 Schulen (16 Prozent), so sind es jetzt 266 Standorte (72 Prozent). Davon haben laut Rabe 130 Schulen ein sehr leistungsfähiges WLAN von einem Gigabit pro Sekunde (GBit/s), die anderen verfügen über eine Übertragungsgeschwindigkeit von mindestens 50 Mbit/s in rund zwei Dritteln aller Klassenräume.

Ausstattung der Schüler in Hamburg sei spitze

Die Kehrseite: 105 Schulen hatten zum Jahreswechsel noch kein WLAN in den Unterrichtsräumen. „72 Prozent sind nicht 100 Prozent – da gibt es also noch etwas zu tun“, sagte Rabe. Bis Ende Januar sollen 47 weitere Schulen nachgerüstet werden, bis Ende des Schuljahres die übrigen.

Besonders bei der Ausstattung mit Laptops und Tablets für Schüler sieht Rabe Hamburg im Ländervergleich vorn. Der DigitalPakt Schule sah vor, dass für acht Prozent der Schüler digitale Endgeräte beschafft werden, in Hamburg liege die Quote nun bei 28 Prozent. Seit März 2020, als es 17.000 Laptops gab, ist deren Zahl auf rund 62.000 gestiegen. Hinzu kommen mehr als 36.000, vielfach schon ältere Desktop-Computer für den Unterricht in den Schulen.

Etliche Schulen hätten Schuladministratoren eingestellt

Häufig wird kritisiert, dass die gelieferten Laptops und Tablets nicht konfiguriert seien und deswegen unbenutzt herumlägen. „Erste Ergebnisse einer Abfrage an allen Schulen zeigen, dass rund 90 Prozent dieser Geräte im Einsatz sind“, sagte Rabe. Die Schulen seien für die Konfiguration und Wartung der Laptops zuständig.

„Einige haben die Einrichtung sehr schnell geschafft. Bei den Schulen, bei denen das noch nicht gelungen ist, werden wir nachsteuern“, sagte der Senator. Etliche Schulen hätten Schuladministratoren eingestellt. Alle Schulen erhielten für diesen IT-Bereich den gleichen Betrag und entschieden über dessen Nutzung. Insgesamt stehen dafür 4,5 Millionen Euro pro Jahr bereit.

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Insgesamt 347 Schulen nutzen die von der Schulbehörde zur Verfügung gestellten Lernmanagementprogramme „LMS.Lernen. Hamburg“ und „IServ“. Im März 2020 waren es nur 75 Schulen. Laut Rabe nutzen mehrere Standorte beide Programme, so dass insgesamt 90 Schulen übrig bleiben, die kein Lernprogramm einsetzen. 

Die bundesweiten Systemabstürze von „IServ“ am Montag und am Dienstag bezeichnete Rabe als „sehr ärgerlich“. Das Programm sei bislang „über jeden Zweifel erhaben“ gewesen und deswegen ausgewählt worden. „IServ“ wird vor allem für Videokonferenzen genutzt, die in Zeiten des Distanzunterrichts eine entscheidende Bedeutung haben. „An Schulen wollen alle zwischen 8 und 10 Uhr eine Videokonferenz machen. Damit diese hohe Zugriffszahl möglich ist, müssen die Unternehmen die bundesweiten Rechenzentren der beiden Kernprogramme soweit erstarken“, sagte Rabe. Er werde sich die Entwicklung  während dieser Woche noch anschauen und gegebenenfalls nach alternativen Lösungen suchen.

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Um mehr parallele Videokonferenzen zu ermöglichen, hatte die Behörde gerade die Bandbreite im Glasfasernetz erhöht. So wurde die Übertragungsrate an Grundschulen von zumeist 10 auf 50 MBit/s erhöht, an den weiterführenden Schulen auf 100 MBit/s. Diese Kapazität ermöglicht es den Schulen, dass bis zu 50 Prozent aller Klassen parallel Videokonferenzen abhalten können – solange das ganze System nicht abstürzt.

Der Opposition reicht das nicht aus

Der Opposition reicht das Erreichte nicht. „Es ist reine Glückssache, ob das eigene Kind eine Schule besucht, die digital gut aufgestellt ist oder eben nicht. Rabes Maßnahmen zur Digitalisierung von Schule und Unterricht kommen reichlich spät“, sagte die CDU-Schulpolitikerin Birgit Stöver. Erst gab es zu wenig digitale Endgeräte an Schulen, jetzt fehlten die Fachkräfte, um sie zu installieren und zu warten.

„Es liegt auf der Hand, dass die Maßnahmen nicht ausreichen und vor allem nicht effektiv sind. Die Digitalstrategie lag schon vor Corona am Boden, jetzt ist es ein Trümmerfeld“, sagte Linken-Bürgerschaftsfraktionschefin Sabine Boeddinghaus.