Hamburg. Ehlebracht tritt aus Fraktion und Partei aus, will aber in der Bürgerschaft bleiben. Das schmeckt der AfD-Spitze nicht.
Bei der AfD in Hamburg gibt es offenbar parteiinternen Zwist, der nun in einem Austritt geendet ist. Wie die Bürgerschaftsfraktion am Montagabend mitteilte, ist der AfD-Abgeordnete Detlef Ehlebracht (57) "heute aus persönlichen Gründen aus Fraktion und Partei ausgetreten". Er wolle, so die Mitteilung der AfD, sein Mandat als fraktionsloser Abgeordneter behalten.
Damit hat die AfD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft nun sechs Mitglieder. Der Status als Fraktion sei nicht betroffen, so die AfD. Die Fraktionsvorsitzenden Dirk Nockemann und Alexander Wolf teilten mit, sie bedauerten Ehlebrachts Schritt. Sie hielten ihn für falsch. "Da Herr Ehlebracht für die AfD in die Bürgerschaft eingezogen ist, fordern wir ihn auf, dass er sein Mandat niederlegt. Die AfD wurde für fünf Jahre gewählt und unsere Wähler können sich sicher sein, dass wir uns weiterhin mit aller Kraft für die Belange der Bürger Hamburgs einsetzen werden.“
AfD-Abgeordneter Ehlebracht verlässt Hamburger Fraktion
Ehlebracht ist bislang Fachsprecher für Stadtentwicklung und Verkehr. Er sitzt seit 2015 in der Bürgerschaft und hat sein Mandat in der Wahl 2020 bestätigt. Die AfD hat im Frühjahr 5,3 Prozent der Stimmen erzielt.
Am Wochenende hatte ein Parteitag der AfD in Kalkar (NRW) tiefe Risse in der Partei gezeigt, wenn nicht eine Spaltung angedeutet. Dabei ging es vor allem um eine Rede von AfD-Chef Jörg Meuthen.
Welche Rolle spielt eine Hamburger Burschenschaft?
Möglicherweise steht der Bruch Ehlebrachts mit der AfD im Zusammenhang mit neuen Vorwürfen wegen rechtsextremer Verstrickungen, die gegen den AfD-Fraktionschef Alexander Wolf erhoben wurden. Ehlebracht gilt als Gemäßigter. Wolf soll im Jahr 2011 im Haus der Burschenschaft Germania an der Sierichstraße an einer Veranstaltung teilgenommen haben, bei der der rechtsextreme Liedermacher Frank Rennicke als „Ehrengast“ aufgetreten ist. Dem AfD-Bundesvorstand waren Fotos des Treffens zugespielt worden.
Rennicke gilt als Schlüsselfigur der rechtsextremen Szene und war 2009 und 2010 Kandidat der NPD für das Amt des Bundespräsidenten. Der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ sagte Wolf, er habe damals nicht gewusst, dass Rennicke NPD-Mitglied war, und die Veranstaltung vorzeitig verlassen.
Bündnis gegen Rechts: Wolfs Kontakt zu Rennicke nicht überraschend
Dazu äußert sich das Hamburger Bündnis gegen Rechts: "Wolfs 30-jährige Biografie in der völkischen Burschensschaftsszene" sei "spätestens seit dem Skandal um sein Nazi-Liederbuch nicht nur in der AfD bekannt". Ebenso sei bekannt, dass seine Burschenschaft Danubia jahrelang geheimdienstlich beobachtet werde und er "Kontakt zu Rechtsextremisten pflegt".
Dabei bezieht sich das Bündnis auf einen Artikel, der 2015 in der "Taz" erschienen ist und geht in einer Pressemitteilung außerdem ausführlich auf Wolfs Kontakt zu Norbert Weidner ein – einem "ehemaligen, hochrangigen Funktionär der verbotenen 'Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei'".
"Dass nun bekannt wird, dass Wolf an einer Veranstaltung mit dem NPD-Barden Rennicke teilnahm, erstaunt uns nicht. Und Wolfs Behauptung von nichts gewusst zu haben, reiht sich ein in zahlreiche, ähnliche und wenig glaubhafte Erklärungen für seine lange Vergangenheit in der extremen Rechten", sagt Felix Krebs vom Hamburger Bündnis gegen Rechts.
AfD im Norden: Zwei Fraktionen sind bereits zerbrochen
Die Hamburger AfD-Fraktion ist nach dem Austritt Ehlebrachts auf die Mindestanzahl von sechs Abgeordneten für den Fraktionsstatus in der Bürgerschaft geschrumpft. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen hatte die rechte Partei nach Austritten ihren Fraktionsstatus bereits verloren.
In Kiel hatte sich der Konflikt um die ehemalige Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein zugespitzt. Sie war wegen rechtsextremer Kontakte aus der AfD ausgeschlossen worden. Später trat ein weiterer Abgeordneter unter Verweis auf einen Rechtsdrift der Partei zurück, woraufhin die verbliebenen zwei AfD-Mitglieder ihren Fraktionsstatus verloren.
Auch in Hannover war ein Führungsstreit eskaliert: Nach der gescheiterten Wiederwahl von Dana Guth zur Fraktionsvorsitzenden hatten sie und zwei weitere Parlamentarier die AfD-Fraktion verlassen, der daraufhin der Status entzogen worden war. In Hannover sitzen nun zwei verfeindete Gruppen von AfD-Mitgliedern im Landtag.
Hamburger Bündnis gegen Rechts äußert sich zu Austritt
Das Hamburger Bündnis gegen Rechts spricht in diesem Zusammenhang von "mittlerweile schon wöchentlichen Austritten von AfD-Abgeordneten auf Landtags- oder Kommunalebene im gesamten Bundesgebiet". Zum Austritt von Ehlebracht gab das Bündnis an, dass der Hamburger Politiker bereits "schon länger mit dem immer radikaleren Kurs der Partei fremdelte".
Außerdem habe er in der Hamburger AfD-Spitze wenig Rückhalt gehabt. "Ehlebracht hielt zu dem ehemaligen Landesvorsitzenden Prof. Jörn Kruse. Als dieser 2018 austrat, fragten sich viele, ob nun auch Ehlebracht folgen würde", fügt das Bündnis hinzu.
Fühlte sich AfD-Politiker Ehlebracht überflüssig?
Ehlebracht habe mit seinen Themen Verkehrspolitik und Stadtentwicklung "eher eine untergeordnete Rolle" gespielt. "Da die AfD das Parlament nicht konstruktiv, sondern nur als Bühne für ihre rechte Propaganda nutzt, konnte Ehlebracht mit seinen Themen wenig punkten", teilt das Bündnis mit. "Ehlebracht dürfte sich also nicht nur ungeliebt, sondern auch weitgehend überflüssig gefühlt haben."
Außerdem rücke "die Brandmarkung der AfD als 'rechtsextremistisch' durch den Verfassungsschutz immer näher", so das Bündnis. "Als nun parteiloser Abgeordneter kann Ehlebracht weiterhin die Diäten kassieren, ohne jedoch mit dem Makel des Verfassungsfeindes behaftet zu sein. Vier weitere gut finanzierte Jahre."