Kritik an Ermittlungsmethoden. In einem Fall ging es nur um eine Ordnungswidrigkeit. FDP: „Alarmierendes Fehlverhalten“.

Die Polizei hat in Hamburg bei Ermittlungen bislang in fünf bekannten Fällen auf Kontaktdaten von Corona-Gästelisten in Restaurants zugegriffen. Das geht aus einer Antwort des rot-grünen Senats auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Anna von Treuenfels-Frowein hervor.

„In vier Fällen handelte es sich dabei um strafrechtliche Ermittlungen durch die Kriminalpolizei und in einem Fall um Ermittlungen der Verkehrsdirektion zu einem Verkehrsunfall“, hieß es. Das seien die bekannten Fälle, denn die Polizei erhebe die Zahl nicht statistisch. „Rot-Grün zeigt alarmierendes Fehlverhalten im Umgang mit den Corona-Gästelisten“, kritisierte Treuenfels-Frowein.

Corona-Gästelisten: "Daten werden missbraucht"

„Wenn sie schon in fünf Fällen für polizeiliche Zwecke ausgenutzt wurden und mangels Übersicht eine hohe Dunkelziffer in der Umwidmung abseits der Corona-Ansteckungsverfolgung zu erwarten ist, dann belegt das alle Befürchtungen: Daten, die Bürger freiwillig für den Virusschutz geben, werden missbraucht“, sagte die fraktionslose Abgeordnete. „Sogar, um nur Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen.“

Anna von Treuenfels-Frowein (FDP) ist fraktionslose Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft.
Anna von Treuenfels-Frowein (FDP) ist fraktionslose Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft. © Christian Charisius/dpa

Ein solcher Fall der Bußgeldstelle geht auch aus der Senatsantwort hervor. Der Senat betonte, die Hamburgische Sars-CoV-2-Eindämmungsverordnung erlaube in gewichtigen Einzelfällen, die Gästelisten bei Ermittlungen zu nutzen.

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Datenschutzbeauftragter: Klare Regeln fehlen

Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Prof. Johannes Caspar sagte dem Abendblatt, es gebe bislang keine klaren Regeln für den Umgang mit diesen Daten. „Grundsätzlich dürfen Polizei und Staatsanwaltschaft Daten erheben und sie nutzen, aber es gilt immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“, sagte Caspar, der betonte, dass ein gewisser Vertrauensschutz für diejenigen gelte, die Namen und Adresse auf den Gästelisten hinterließen.

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„Es wäre aus meiner Sicht sinnvoll, im Bundesrecht über die Strafprozessordnung zu regeln, unter welchen Voraussetzungen die Daten aus den Gästelisten von der Polizei benutzt werden dürfen. Das sollte nur bei Vorwürfen schwerer Straftaten der Fall sein.“

Ein Polizeisprecher schilderte auf dpa-Anfrage einen der Fälle aus der Senatsantwort von Ende Juni: Ein Mann habe in dem Park Planten un Blomen mehrere Menschen mit einem Messer bedroht. Um Zeugen ausfindig zu machen, sei die Gästeliste einer Gaststätte benutzt worden.

Bußgeld: Gästeliste "in Augenschein genommen"

In einem weiteren Fall, der sich aus der Senatsantwort ergibt, ging es offensichtlich um ein Bußgeld. „Im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens wurde die Gästeliste einer Gaststätte durch einen leitenden Mitarbeiter der Bußgeldstelle in Augenschein genommen“, heißt es in der Antwort des Senats auf die Von-Treuenfels-Anfrage.

Ein Zettel für die Gäste-Registrierung liegt in einem Restaurant auf einem Tisch. Die Polizei hat in Hamburg bei Ermittlungen bislang in fünf bekannten Fällen auf Kontaktdaten von Corona-Gästelisten in Restaurants zugegriffen.
Ein Zettel für die Gäste-Registrierung liegt in einem Restaurant auf einem Tisch. Die Polizei hat in Hamburg bei Ermittlungen bislang in fünf bekannten Fällen auf Kontaktdaten von Corona-Gästelisten in Restaurants zugegriffen. © Carsten Rehder/dpa

„Rot-Grün zeigt alarmierendes Fehlverhalten im Umgang mit den Corona-Gästelisten. Daten, die Bürger freiwillig für den Virusschutz geben, werden missbraucht, sogar um nur Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen“, sagte von Treuenfels-Frowein. „Das widerspricht dem von Tschentscher, Grote & Co in Anspruch genommenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.“ Es werde bei Gastwirten wie Gästen das Vertrauen und in die Listen mindern. „Am Ende wird damit der Virusverbreitung ausgerechnet in Zeiten wieder ansteigender Infektionszahlen Vorschub geleistet, um Verkehrssündern oder anderen schwarzen Schafen auf die Spur zu kommen - eine verantwortungslose Dummheit“, sagte die Liberale.