Hamburg. Die Koalitionsverhandlungen in Hamburg ziehen sich hin. Beim Thema Radfahren gibt es eine Entscheidung.
Eine spruchreife Einigung zu drei großen Knackpunkten haben SPD und Grüne nach der Fortsetzung ihrer Koalitionsverhandlungen am Sonntag erneut vertagt. Doch bei einem umstrittenen Thema einigten sie sich: In Hamburg sollen künftig pro Jahr mindestens doppelt so viele neue Radwege gebaut werden wie bisher, also zunächst 60 bis 80 Kilometer pro Jahr.
Das von den Grünen geforderte Ziel, 100 neue Kilometer an Radwegen pro Jahr zu bauen, soll „mittelfristig“ erreicht werden, was allerdings nicht genauer definiert ist. Gleichwohl habe man dieses Ziel „fest im Blick“, sagte Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks im Rathaus.
Radschnellwege in Hamburg: Ausbau umstritten
Die SPD will zwar auch den Ausbau des Radverkehrs fördern, hält allerdings eine Festschreibung von 100 Kilometern pro Jahr von sofort an für zu ambitioniert – zuletzt lag die Bauleistung bei 30 bis 40 Kilometern pro Jahr.
Das Bündnis für Radverkehr soll zu einem „Bündnis für Fuß- und Radverkehr“ ausgebaut werden, wie Tjarks sagte. Um Alternativen zum Autoverkehr zu erproben, soll künftig pro Jahr ein Verkehrsversuch wie „Ottensen macht Platz“ stattfinden, was allerdings nicht zwangsläufig heißt, dass bei diesen Pilotprojekten autofreie Zonen eingerichtet werden. Vielmehr könnte ein Verkehrsversuch auch etwa eine „Pop-up-Bike-Lane“ sein, wie Tjarks sagte. Ein solcher temporärer Radweg soll auf der Strecke vom Rödingsmarkt über den Sandtorkai bis zum Brooktorkai in der Speicherstadt eingerichtet werden. Bewährten sich solche Projekte, könnten daraus dauerhafte Einrichtungen werden, sagte Tjarks.
Streitpunkt „autoarme City“ auf Montag vertagt
Ob die Innenstadt dauerhaft „autoarm“ wird, wie es die Grünen fordern, und was das konkret bedeuten könnte, blieb am Sonntag offen. Über dieses Thema, das im Wahlkampf für viele Debatten gesorgt hatte, wollen die Verhandlungsführer am heutigen Montag im Zusammenhang mit dem Komplex Stadtentwicklung weiterdiskutieren.
SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf erklärte allerdings schon am Sonntag, beide Seiten seien sich einig, dass neben dem Fuß- und Radverkehr auch das „Thema Wirtschaftsverkehr gerade in einer Logistikmetropole von besonderer Bedeutung“ sei.
Hafenautobahn A26 bleibt Streitpunkt zwischen Grünen und SPD
Erst am Mittwoch soll es zusammen mit dem Komplex Wirtschaft um die A 26-Ost gehen, die von der SPD favorisierte Hafenpassage, die A 1 und A 7 verbinden soll. Aus Sicht der Grünen ist dieses Vorhaben unnötig vor dem Hintergrund der ebenfalls geplanten neuen Köhlbrandquerung. Ebenfalls erst am Mittwoch wollen beide Seiten ausführlich über die von der SPD angestrebte Weiterentwicklung des Flughafens und die von den Grünen geforderte Verschärfung des Fluglärmverbots verhandeln.
„Wir haben sehr intensiv gerungen, aber auch sehr konstruktiv“, sagte Anjes Tjarks am Sonntagabend nach d en über sechsstündigen Verhandlungen. Dirk Kienscherf sprach von einem „sehr, sehr guten Ergebnis“.
HVV-Ticket für Schüler kostenlos
Die Freude des Sozialdemokraten hing wohl vor allem damit zusammen, dass die SPD ein ihr sehr wichtiges Vorhaben durchgesetzt hat: innerhalb der kommenden fünf Jahre ein HVV-Ticket für Schüler kostenlos anzubieten. Das war ein Wahlversprechen von SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher gewesen. Die Grünen hatten ein neues Angebot für Familien favorisiert.
Wann genau das Schülerticket kommen wird und welche Altersstufen profitieren werden, legten die Verhandler am Sonntag allerdings nicht fest. Das hängt wohl damit zusammen, dass unklar ist, in welchem Umfang sich die Stadt die Kosten eines Schülertickets nach einem Ende der Corona-Krise mit ihren finanziellen Belastungen wird leisten können.
Ihre Vorhaben zur Erweiterung des ÖPNV wie den Bau der U 5, die Stadtteile im Nordwesten und Nordosten mit der Innenstadt verbinden soll, und der Bau der S 32, die den Westen Hamburgs besser erschließen soll, seien bestätigt worden, sagte Kienscherf.
600 neue Bushaltestellen, S-Bahn soll verlässlicher werden
Die Verlässlichkeit der S-Bahn müsse „deutlich verbessert werden“. Das betreffe die Strecken in Richtung Harburg und die Strecke in Richtung Bergedorf. Hier seien sich beide Parteien einig, dass mehr Investitionen in die Infrastruktur nötig seien, sagte Kienscherf.
Eingehender wollen sich SPD und Grüne bald damit beschäftigen, wie die U 4 ab der geplanten Haltestelle auf dem geplanten Stadtteil Kleiner Grasbrook weitergeführt werden könnte.
Beide Seiten stehen weiterhin dazu, neue Buslinien einzurichten und in diesem Zuge mehr als 600 neue Bushaltestellen zu bauen. Wichtig sei zudem der Ausbau des Hauptbahnhofs, sagte Kienscherf und richtete einen Appell an die Deutsche Bahn, „nun endlich den Ausbau umzusetzen“.