Hamburg. AfD fürchtete, dass ihr der Posten gestrichen werden sollte, und inszenierte ein parlamentarisches Spektakel.
Mit einem Schlag war die große Einigkeit in der Bürgerschaft dahin: Eben noch hatten die Redner aller Fraktionen den großen Zusammenhalt während der Coronakrise gelobt, doch plötzlich war die Empörung auf der einen Seite so groß wie die Fassungslosigkeit auf der anderen. Worum ging es?
SPD, Grüne, CDU und Linke hatten kurzfristig einen Antrag eingebracht, in dem sie die Zahl der Vizepräsidenten der Bürgerschaft auf vier begrenzen wollten. Klingt harmlos, aber bislang gab es sechs Vizepräsidenten, jede Fraktion stellte einen. Nun ist die FDP seit der Bürgerschaftswahl nicht mehr in Fraktionsstärke vertreten, und die AfD fürchtete zu Recht, dass auch ihr der Posten eines Vizepräsidenten gestrichen werden sollte, und inszenierte ein parlamentarisches Spektakel.
AfD in der Bürgerschaft: "Machtmissbrauch, Skandal"
„Das ist Machtmissbrauch, ein Skandal. Jede Fraktion sollte das Recht haben, einen eigenen Vizepräsidenten zu stellen“, empörte sich AfD-Fraktionschef Alexander Wolf. Ein AfD-Abgeordneter nach dem anderen ging ans Rednerpult, um in einer kurzen persönlichen Erklärung seiner Empörung Luft zu machen. „Das ist skrupellose Machtpolitik. Sie grenzen einen politischen Gegner einfach aus“, rief AfD-Ko-Vorsitzende Dirk Nockemann, der der Mehrheit den Abbau von Minderheitenrechten vorwarf.
Von einem „Tiefpunkt der demokratischen Kultur und einer Schande für die Kultur der Bürgerschaft“ sprach der AfD-Abgeordnete Detlef Ehlebracht, in der vergangenen Legislaturperiode Vizepräsident war. Und der AfD-Abgeordnete Krzystof Walczak zitierte in leicht abgewandelter Form den berühmten Satz des SPD-Reichstagsabgeordneten Otto Wels am Tag der Abstimmung über das NS-Ermächtigungsgesetz 1933: „Unseren Vizepräsidenten können Sie uns nehmen, aber unsere Ehre können Sie uns nicht nehmen.“
Grüne reagieren scharf auf AfD
Die Fassungslosigkeit bei den anderen Fraktionen war angesichts der Maßlosigkeit der Vorwürfe und der Vergleiche groß. „Das kann man so nicht stehen lassen. Ausgerechnet die AfD setzt sich für Minderheitenrechte ein. Das ist eine Verhöhnung der Opfer von Hass und Hetze, die von Mitgliedern und Anhängern der AfD im Netz verbreitet werden“, rief Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks. Der Vergleich zwischen der Bürgerschaft und dem von Hitler dominierten Reichstag sei ein „gigantischer Schwachsinn“.
„Die AfD stilisiert sich wieder in der Opferrolle. Die Parlamente der Bundesländer haben zwischen zwei und vier Vizepräsidenten, daran orientieren wir uns. Es gibt keinen Rechtsanspruch darauf, in bestimmte Positionen gewählt zu werden“, begründete der CDU-Abgeordnete Dennis Gladiator den Antrag der vier Fraktionen, der nach einigen Geschäftsordnungs-Scharmützeln und Sitzungsunterbrechungen mit sehr großer Mehrheit angenommen wurde.
André Trepoll (CDU) und Deniz Çelik (Linke) gewählt
Gewählt wurde auch: Der frühere CDU-Fraktionschef André Trepoll wurde mit 59 Jastimmen bei vier Neinstimmen und drei Enthaltungen zum Vizepräsidenten gewählt ebenso wie Deniz Çelik (Linke), der auf 49 Jastimmen bei zwölf Neinstimmen und fünf Enthaltungen kam. Auch der AfD-Abgeordnete Ehlebracht hatte kandidiert, kam aber nur auf vier Jastimmen bei 61 Neinstimmen.