Hamburg. Politikwissenschaftler Prof. Elmar Wiesendahl über die Gründe für Tschentschers Wahlerfolg und personelle Konsequenzen bei der CDU.

Der Politikwissenschaftler Elmar Wiesendahl beobachtet seit vielen Jahren die Politik in Hamburg. Er bescheinigt der SPD, einen subtilen Gegenwahlkampf gegen die Grünen geführt und dabei erfolgreich Produktpiraterie betrieben zu haben. Die CDU sei zu einer Postenkletterer-Partei ohne erkennbares Profil geworden und müsse aus der Wahlniederlage personelle Konsequenzen ziehen. Die anstehenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen, glaubt Wiesendahl, dürften schwierig werden.

Was hat die SPD richtig gemacht?

Prof. Elmar Wiesendahl: Sie hat die Herausforderung der Grünen angenommen und sehr subtil einen Gegen-Wahlkampf geführt. Dabei ist sie thematisch bis in den Markenkern der Grünen vorgedrungen – die Klima- und Umweltpolitik – und hat erfolgreich eine Art Produktpiraterie betrieben. Umgekehrt ist der Versuch der Grünen, Peter Tschentscher als Bürgermeister zu stürzen, gescheitert. Die Hürde war zu hoch.

War es ein Fehler von den Grünen, die SPD herauszufordern und eine Bürgermeister-Kandidatin aufzustellen?

Ja, das war ein Fehler, wenn auch aus dem Hochgefühl der gewonnenen Bezirkswahl im Mai vergangenen Jahres heraus nachvollziehbar. Das zugespitzte Duell – es war ja ein Personalplebiszit – wäre nicht nötig gewesen. Die Wähler hätten auch so verstanden, dass es zwei Alternativen gab.

Die Hamburger AfD hat verloren. Was hat zu den Stimmenverlusten für die Partei geführt?

Sie ist in einen Abwärtssog geraten – weniger durch ihr Manöver in Thüringen, als durch das Massaker von Hanau. Das war ein Weckruf für die Wählerschaft. Es hat vor allem Grenzwählern deutlich gemacht, welche Brut da sitzt.

In Hamburg ist die AfD erstmals in ein westdeutsches Landesparlament eingezogen. Wie bedeutsam ist das Signal, das jetzt von Hamburg ausgeht?

Es ist sicherlich ein Signal, aber noch keine Wende. Die AfD ist in Hamburg – wie im ganzen Norden – immer eher schwach gewesen. Wenn sich bei der Kommunalwahl in Bayern am 15. März ein ähnliches Ergebnis abzeichnet wie jetzt in Hamburg, dann wäre die Trendwende da.

Die CDU hat ihr historisch schlechtes Ergebnis von 2015 noch einmal unterboten. Sie scheint marginalisiert. Woran liegt das?

Mit Ole von Beusts Flucht aus dem Amt und seinem sehr konservativen Nachfolger Christoph Ahlhaus hat eine Abwärtsspirale begonnen, die bisher nicht zu stoppen zu sein scheint. Die CDU leidet an einem chronischen Defizit an Profil; man weiß nicht, wofür sie steht. Mit dem Thema Innere Sicherheit kann sie nicht punkten, da ist die SPD davor. Die CDU ist zu einer Postenkletterer-Partei einiger weniger Männer geworden.

Muss es nach dieser herben Niederlage personelle Konsequenzen geben?

Marcus Weinberg war als Spitzenkandidat ein Notnagel, der hat sich geopfert. Der Fraktionsvorsitz ist für die CDU das einzige lukrative Amt, das sie noch zu vergeben hat. Dafür sitzen André Trepoll und Roland Heintze bereits in den Startlöchern. Ich sehe für Marcus Weinberg keine Chance, in Hamburg zu wurzeln.

Welche Rolle hat die Wahlbeteiligung gespielt?

Sie ist deutlich gestiegen, das ist ein sehr gutes Zeichen. Tatsächlich war das Interesse an dieser Wahl bei den Bürgern schon früh groß. Man darf aber nicht vergessen: Jeder dritte Hamburger hat sich nicht an der Abstimmung beteiligt und gehört damit zur Partei der Nicht-Wähler – das ist demokratisch gesehen ein Problem.

Wird es trotz der zuletzt sehr harschen Töne zwischen den Koalitionspartnern im Senat jetzt zu einer Fortsetzung von Rot-Grün kommen?

Es wird auf jeden Fall zu Rot-Grün kommen. Allerdings werden die Grünen ihre Muskeln spielen lassen und die SPD wird im Bewusstsein ihres Erfolges dagegenhalten. Das werden schwierige Koalitionsverhandlungen. Die Grünen werden mehr Senatsposten verlangen. Welche Ressorts sie bekommen, dürfte zum Streit führen.