Hamburg. Die Linke diskutierte mit dem Direktor des Wohnungsbauverbands über den Mietendeckel: Das versprach kontroverse Momente.

Wenn Parteien im Wahlkampf zu Podiumsdiskussionen laden, kennen sie eigentlich nur zwei Varianten: Es gibt das Konzept "drei Stühle, eine Meinung" oder "vier Stühle, eine Meinung". Da versprach die Debatte "Nach Berlin. Mietendeckel auch für Hamburg!" in der Pausenhalle der Heinrich-Wolgast-Schule deutlich spannender zu werden.

Hier an der Langen Reihe traf die Berliner Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) auf Andreas Breitner, den Direktor des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen – also eine Befürworterin des Mietendeckels auf einen knallharten Gegner.

Wenn der Wohnungsmarkt den Wahlkampf bestimmt

Obwohl Moderatorin Heike Sudmann selbst für Die Linke kandidiert, stellte sie kritische Fragen an beide Seiten. Hier ging es um Erkenntnisgewinn, nicht um Fensterreden. Schade, dass manche Stühle in der Aula frei blieben. Parallel hatte die Linkspartei zur Demo "Kein Fussbreit! Gemeinsam gegen den Faschismus" aufgerufen. "Eigentlich müssten Sie dahin", sagte Sudmann ans Publikum gewandt. "Es wäre aber schön, wenn Sie trotzdem blieben."

Die, die blieben, bekamen eine 130-minütige Druckbetankung mit Zahlen, Daten, Fakten zum Wohnungsmarkt - und viele Argumente. Andreas Breitner, früherer SPD-Innenminister in Schleswig-Holstein, wusste sich gleich bei den 70 Zuhörern beliebt zu machen. Er sei einst mit den Stimmen der Linken zum Bürgermeister in Rendsburg gewählt worden, umwarb er das Publikum. Die Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD in Thüringen nannte er eine "Schande".

Breitner: Berliner Mietendeckelgesetz ist Beschäftigungsprogramm

In der Sache machte er keine Gastgeschenke: Einen Mietendeckel hält er für einen gefährlichen Irrweg. Die Linken-Senatorin Lompscher hatte es da einfacher – viele im Publikum sympathisierten mit dem Berliner Politikansatz. Das Berliner Gesetz definiert nicht nur einen Mietenstopp und Mietobergrenzen, sondern auch Möglichkeiten zur zwangsweisen Senkung von Mieten. Mit seinen Ausnahmen, Bestimmungen und Härtefallregelungen ist das Mietendeckelgesetz des rot-rot-grünen Berliner Senats zugleich ein Beschäftigungsprogramm für Behörden und die Förderbank.

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"Der Mietendeckel schafft keine Wohnungen, aber er begrenzt die Mieten", sagte Lompscher. Die Berliner Strategie bestehe aus Bauen, Kaufen und Deckeln. In einem Punkt lobte die Stadtentwicklungssenatorin die Hamburger Politik: "Hamburg hat die Vorreiterrolle beim Wohnungsbau" - hier habe man früher und konsequenter reagiert als in anderen Metropolen.

Breitner: "Der Mietendeckel ist unsozial"

Die Zahlen sprechen für die Hansestadt: In neun Jahren stiegen die Mieten an der Elbe um 21 Prozent, an Havel und Spree hingegen um 50 Prozent. Hamburg liegt mit 58 gebauten Wohnungen auf 10.000 Einwohner in Deutschland vorne, Berlin schafft es im Vergleich mit 46 Wohnungen nur ins Mittelfeld. Andererseits ist die Zuwanderung in Berlin besonders stark – jährlich zogen bis zu 40.000 Menschen mehr in die Hauptstadt als fort. So hat sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt in Berlin schneller und deutlicher zugespitzt.

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Breitner führte die Hamburger Zahlen als Argument gegen den radikalen Eingriff ins Feld: "Der Mietendeckel ist unsozial", kritisierte Breitner und verwies auf Profis von Hertha BSC und die Ärzte der Charite, die mit ihren großen Altbauwohnung am Kudamm besondere Nutznießer des Gesetztes sein. Lompscher hielt dagegen: "Wenn Leute profitieren, die es nicht brauchen, bin ich großzügig. Mir geht es aber um die Menschen, die sich ihre Miete nicht mehr leisten können." Das würden immer mehr.

Es muss etwas passieren. Also Deckel drauf!?

Breitner befürchtet, dass der Mietendeckel sein Ziel verfehlt. "Bauen braucht Anreize", sagte der Verbandsvertreter. Gerade Sanierungen könnten nur über Mieterhöhungen finanziert werden. "Wir brauchen überschaubare Mieterhöhungen, sonst funktioniert das System nicht mehr." Die Genossenschaften müssten in der Lage sein, Renditen zu erzielen, um bauen zu können.

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    Einigkeit herrschte darüber, dass der Wohnungsmarkt aus dem Lot geraten ist. Zuhörer erzählten von krassen Mieterhöhungen. Breitner forderte unter Beifall: "Wir müssen das Wirtschaftsstrafrecht verschärfen, um die schwarzen Schafe zu fassen." Zugleich mahnte er schnellere Baugenehmigungen und günstigere Grundstücke für den Wohnungsbau an. Hier sieht sich Berlin als Vorbild. "Wir haben keine finanziellen Erwartungen mehr an den Grundstücksverkauf", sagte Lompscher.

    In einem Punkt waren sich am Ende die meisten einig: Es muss etwas passieren. Also Deckel drauf!? Bislang spricht die Bilanz für Hamburg. In der Hansestadt liegt die Stärke des Mietendeckels nicht in der Anwendung, sondern in seiner Drohkulisse: Allein die Debatte könnte Vermieter zur Zurückhaltung zwingen und zum Bauen motivieren.