Hamburg. Die Meinungsumfrage sieht SPD in der Hansestadt bei 34 und Grüne bei 27 Prozent. FDP muss um Wiedereinzug bangen.

Das politische Erdbeben in Thüringen könnte den Ausgang der Hamburger Bürgerschaftswahl am 23. Februar entscheidend beeinflussen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit den Stimmen von CDU und der rechtsradikalen AfD Björn Höckes zum Ministerpräsidenten als „unverzeihlichen und einzigartigen Vorgang“ bezeichnet.

Auch wenn Kemmerich am Donnerstagnachmittag nur einen Tag nach der Wahl seinen Rücktritt ankündigte, droht FDP und CDU in Hamburg aus den Vorgängen in Thüringen Schaden zu entstehen.

NDR-Meinungsumfrage: FDP kommt auf nur fünf Prozent

Dabei ist der demoskopische Trend gut zwei Wochen vor der Hamburg-Wahl auch ohne die Ereignisse in Erfurt gegen Christ- und Freidemokraten. Die Liberalen müssen um den Wiedereinzug in die Bürgerschaft bangen.

Nach einer aktuellen NDR-Meinungsumfrage von Infratest dimap kommt die FDP nur noch auf fünf Prozent – minus ein Prozentpunkt gegenüber der Befragung vor 14 Tagen. Die rund 1000 Wahlberechtigten wurden im Zeitraum vom 30. Januar bis zum 4. Februar befragt, also vor der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen.

SPD erreicht den besten Wert im laufenden Wahlkampf

Die SPD mit Bürgermeister Peter Tschentscher kann sich weiter von den Grünen mit Herausforderin Katharina Fegebank lösen. Die SPD kommt danach auf 34 Prozent – plus zwei Prozentpunkte und der beste Wert im laufenden Wahlkampf. Die Grünen bleiben unverändert bei 27 Prozent, es wäre das mit Abstand beste Ergebnis der Partei bei einer Bürgerschaftswahl.

Die CDU verliert zwei Prozentpunkte, kommt nur noch auf 14 Prozent und würde damit das Allzeittief von 2015 (15,9 Prozent) noch unterbieten. Unverändert seit der Erhebung vor zwei Wochen sind die Linke mit acht Prozent und die AfD mit sieben Prozent.

FDP-Spitzenkandidatin nimmt Herausforderung an

Der Abstand zwischen Tschentscher und Fegebank hat sich vergrößert: Wenn der Erste Bürgermeister direkt gewählt werden könnte, würden 58 Prozent für den Sozialdemokraten votieren – plus acht Prozentpunkte innerhalb von 14 Tagen. Fegebank verliert einen Punkt und kommt mit deutlichem Abstand auf 24 Prozent.

„Fünf Prozent sind eine Herausforderung, und die nehmen wir an. Wir stehen für eine eindeutige Politik der Mitte – in glasklarer Abgrenzung zu rechts wie links“, sagte FDP-Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels. Noch am Morgen hatte die Liberale – deutlicher als am Tag zuvor – Kemmerich aufgefordert zurückzutreten und den Weg für Neuwahlen in Thüringen freizumachen.

Marcus Weinberg lobt Rücktritt von Kemmerich

FDP und CDU hatten sich vor zwei Wochen klar für ein Bündnis mit der SPD im Rahmen einer Deutschland-Koalition ausgesprochen. Das war auch aus dem taktischen Kalkül heraus entstanden, liberal-konservative Wechselwähler davon abzuhalten, Tschentscher und die SPD zu wählen, um eine grüne Erste Bürgermeisterin zu verhindern.

„Der Rücktritt von Herrn Kemmerich war die einzig richtige Entscheidung. Ein Regierungschef darf sich nicht von Extremisten wählen lassen, auch nicht in schwierigen Mehrheitsverhältnissen oder zufällig“, sagte CDU-Spitzenkandidat Marcus Weinberg. In der CDU wird darauf hingewiesen, dass ein Bündnis aus SPD und CDU nach der aktuellen Umfrage möglich sei, wenn die FDP unter fünf Prozent liege.

Tschentscher hält an Koalition mit Grünen fest

Unterdessen gilt als unwahrscheinlich, dass Tschentscher seinen bisherigen Kurs verlässt. Der SPD-Politiker bezeichnet die Fortsetzung des rot-grünen Bündnisses als „naheliegende Option“, schließt ein Bündnis mit CDU und FDP aber nicht aus.

Beim Duell zwischen Tschentscher und Fegebank am Donnerstagabend antwortete der Bürgermeister auf die Frage von Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider, ob er die Wirtschaftsbehörde an die Grünen abgeben würde: „Nicht freiwillig.“

Frageportal und Kandidatencheck von abgeordnetenwatch.de

FDP muss Veranstaltung im Wahlkampf absagen

Der Rücktritt Kemmerichs hat auch Auswirkungen auf den Wahlkampf der Liberalen: Die FDP musste eine für den gestrigen Donnerstagabend geplante Veranstaltung im Haus 73 im Schanzenviertel auf Anraten der Polizei abgesagen.

Mehrere linke Gruppen hatten unter anderem in sozialen Netzwerken zu Störungen des Diskussionsabends zum Thema „Cannabisfreigabe – ja oder nein?“ aufgerufen, zu dem der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Carl Jarchow und der FDP-Bundestagsabgeordnete Wieland Schinnenburg eingeladen hatten. „Solange Kemmerich nicht zurücktritt, behandeln wir die FDP wie die AfD. Ihre Veranstaltungen und Infostände im Hamburger Wahlkampf werden nicht ohne Proteste über die Bühne gehen“, erklärte ein Sprecher der Interventionistischen Linken.

„Ich bin enttäuscht über das, was in Thüringen passiert ist. Das entspricht nicht meinen Erwartungen“, sagte Jarchow dem Abendblatt. „Aber ich finde es bedenklich, zu welchen Resultaten das in Hamburg nun führt, wenn die Gefahr besteht, dass in Wahlkampfveranstaltungen von Parteien eingegriffen wird“, sagte der FDP-Politiker.

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