Hamburg. SPD und Grüne stellen drei Anträge für Hilfsangebote. Was sich hinter “Housing first“ und der “Arbeitnehmer-Pension“ verbirgt.
Die Zahl der Obdachlosen in Hamburg ist im vergangenen Jahrzehnt nicht nur von gut 1000 auf mehr als 1900 angestiegen, ihre Zusammensetzung hat sich auch erheblich verändert. Hatten früher zwei Drittel der Obdachlosen die deutsche Staatsangehörigkeit, dominieren nun EU-Ausländer, insbesondere aus Osteuropa.
Und: Trotz vielfältiger Hilfsangebote seitens der Stadt sowie von gemeinnützigen und kirchlichen Einrichtungen kommt es unter den auf der Straße lebenden Menschen immer wieder zu Todesfällen – selbst in vergleichsweise milden Wintern wie diesem. Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen bringen daher nun gleich drei Anträge in die Bürgerschaft ein.
„Housing-First“ und Arbeitnehmer-Pension
Erstens soll Personen, die bei der Anmietung eigenen Wohnraums gleich mit mehreren Vermittlungshemmnissen (etwa Herkunft, Sprache oder psychische und gesundheitliche Erkrankungen) zu kämpfen haben, besser geholfen werden. Die Zahl der Plätze für Hilfsangebote soll verdoppelt werden, und gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft wollen SPD und Grüne zudem die Zahl der belegbaren Wohnungen erhöhen. In diesem Rahmen soll auch ein „Housing-First“-Modellprojekt gestartet werden: Während die eigene Wohnung für Obdachlose derzeit meist ganz am Ende eines langen Integrationsprozesse steht, würde es dann genau umgekehrt laufen.
Zweitens soll der Senat gemeinsam mit Kammern, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften eine „Arbeitnehmer-Pension“ für osteuropäische Wanderarbeiter schaffen: So eine Einrichtung zielt auf die vielen EU-Ausländer ab, die auf der Suche nach Arbeit nach Hamburg kommen und im Falle des Scheiterns oder des Jobverlusts schnell auf der Straße landen, weil sie aufgrund ihres Wohnsitzes in einem anderen EU-Staat keine Ansprüche auf Sozialleistungen haben.
Psychische Versorgung für Obdachlose
Drittens soll die Versorgung psychisch kranker Obdachloser verbessert werden. Eine kleinere Gruppe von ihnen ist dem Antrag zufolge noch in Hotels untergebracht – auf diese Art der Unterbringung will die Stadt aber künftig verzichten. Daher wird überlegt, das in Köln und Stuttgart erprobte Konzept „Hotel Plus“ zu kopieren. Das ist eine hotelartige Einrichtung mit den für psychisch kranke oder traumatisierte Menschen wichtigen Einzelzimmern, auch ein „reduziertes Begleitangebot“ würden sie dort erhalten.
„Hamburg hat zwar ein differenziert ausgebautes Angebot der Wohnungslosenhilfe, aber es gibt trotzdem an vielen Stellen Handlungsbedarf“, sagte Mareike Engels, Sozialexpertin der Grünen. „Das gilt vor allen bei der wachsenden Gruppe der Obdachlosen, die kaum von den staatlichen Regelangeboten erreicht werden. „Housing-First“ halte ich für einen wirkungsvollen Ansatz, weil dort die eigene Wohnung am Anfang der Hilfe für Obdachlose steht und weitere Hilfen darauf aufbauen können.“
Obdachlosen besser helfen
Uwe Giffei, SPD-Experte für Wohnungs- und Obdachlosigkeit, sagte: „In allen deutschen Großstädten können wir beobachten, dass die Wohnungs- und Obdachlosenzahlen steigen. In Hamburg wollen wir diesen Trend umkehren.“ Unter anderem würden 500.000 Euro zusätzlich in Projekte für schwer vermittelbare Menschen investiert. „Menschen in Obdachlosigkeit kommen in Hamburg zunehmend aus dem EU-Ausland“, so Giffey. „Darum wollen wir für gering qualifizierte, arbeitssuchende Menschen aus anderen EU-Staaten mit einer Pension für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein kostengünstiges Angebot schaffen.“
Vor allem Linkspartei und CDU hatten den Senat zuletzt mehrfach aufgefordert, angesichts der gestiegenen Zahlen an Obdachlosen sein Engagement zu erhöhen. „Die Gesellschaft kann es nicht hinnehmen, dass Menschen in Hamburg sterben müssen, weil sie kein Dach über dem Kopf haben“, sagte Olga Fritzsche, Landessprecherin der Linken.