Hamburg. Nach dem Anschlag von Halle fordern SPD und Grüne neuen Posten. Beauftragter soll ständiger Ansprechpartner sein.

Als Konsequenz aus dem Anschlag eines Rechtsextremisten in Halle, bei dem zwei Menschen ermordet wurden und ein Massaker in einer Synagoge nur durch einen Zufall verhindert wurde, wird auch Hamburg einen Antisemitismus-Beauftragten erhalten. In einem gemeinsamen Bürgerschaftsantrag, der dem Abendblatt exklusiv vorliegt, fordern SPD und Grüne den Senat auf, „zeitnah das Amt eines oder einer Beauftragten für jüdisches Leben und die Bekämpfung und Prävention von Antisemitismus einzurichten“.

Einen solchen Beauftragten gibt es bereits in 14 Bundesländern sowie dem Bund. Zuvor hatten auch CDU und FDP in eigenen Bürgerschaftsanträgen die Schaffung des Postens gefordert. Nach dem Willen von SPD und Grünen soll der Antisemitismus-Beauftragte „als ständiger Ansprechpartner für die Belange der Menschen jüdischen Glaubens in Hamburg fungieren und Hamburg in der Bund-Länder-Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus und zum Schutz jüdischen Lebens vertreten“. Der neue Posten soll noch vor der Bürgerschaftswahl am 23. Februar 2020 eingerichtet werden.

Strategie im Kampf gegen Hass und Hetze

Die Koalitionspartner von SPD und Grünen wollen mit dem Antrag eine Grundlage für eine erweiterte Strategie im Kampf gegen Hass, Hetze und Rechtsextremismus legen. Dazu soll noch in diesem Jahr ein „Runder Tisch gegen Antisemitismus“ eingerichtet werden, der „alle relevanten Akteure … in einen regelmäßigen Austausch mit den zuständigen Stellen der Verwaltung bringt, aktuelle Handlungserfordernisse benennt und die Antisemitismus-Prävention begleiten und vorantreiben soll“. An dem runden Tisch sollen „insbesondere die jüdischen Gemeinden, die Beratungsstellen und Vertreter der in Hamburg mit dem Thema befassten Organisationen bzw. Institutionen wie etwa der KZ-Gedenkstätte Neuengamme“ Platz nehmen.

Nach dem Willen von Rot-Grün soll die Bürgerschaft auch das Sicherheitskonzept für die jüdischen Einrichtungen und Veranstaltungen unter die Lupe nehmen. Der Senat soll den Abgeordneten über die nach dem Anschlag von Halle getroffenen Maßnahmen berichten. Außerdem wird die Landesregierung aufgefordert, die Überprüfung der Maßnahmen „wie bisher im Austausch mit den jüdischen Gemeinden regelmäßig und anlassbezogen vorzunehmen und die jüdischen Gemeinden auch weiterhin finanziell bei der Umsetzung baulicher Schutzmaßnahmen zu unterstützen“.

Bürgerschaft unterstützt die Antisemitismus-Prävention mit 300.000 Euro

Schließlich mahnen die Abgeordneten von SPD und Grünen an, „zeitnah die angekündigte Landesstrategie zur Prävention von Antisemitismus vorzulegen“. Dazu hatte die Arbeits- und Sozialbehörde bereits im Mai zu einem Fachtag „Antisemitismus – erkennen und begegnen!“ eingeladen, dessen Auswertung noch aussteht. Die Bürgerschaft unterstützt die Antisemitismus-Prävention in den Jahren 2019 und 2020 jeweils mit 300.000 Euro.

„Der antisemitische und rassistische Anschlag von Halle ist der traurige Höhepunkt einer langen Reihe von antisemitischen Verbrechen, Anfeindungen und alltäglichen Diskriminierungen“, heißt es zu Beginn des rot-grünen Antrags. Das zeige, dass „jüdisches Leben in Deutschland und auch in Hamburg fast 75 Jahre nach Ende der NS-Verbrechen noch immer besonderen Bedrohungen ausgesetzt ist und dass antisemitische Einstellungen in unterschiedlichen Ausformungen weit verbreitet sind“.

Das jüdische Leben soll in Hamburg präsenter werden

Die Fraktionen von CDU und FDP hatten bereits eigene Anträge zu einer neuen Strategie gegen Antisemitismus nach dem Anschlag von Halle vorgelegt. Die Union hat unter anderem vorgeschlagen, dass jeder Schüler und jede Schülerin einmal eine KZ-Gedenkstätte besuchen solle – eine Anregung, die SPD und Grüne nicht aufgegriffen haben.

„Die Bürgerschaftsdebatte am Mittwoch hat gezeigt, dass sich die überwiegende Mehrheit der Fraktionen einig darüber ist, dass die bisherigen Anstrengungen zur Bekämpfung des Antisemitismus noch einmal verstärkt werden sollten“, sagte der SPD-Abgeordnete Kazim Abaci, Sprecher für Integration, Mi­gration und Flüchtlinge. „Aus den vorliegenden Vorschlägen wollen wir ein Maßnahmenpaket schnüren, das von einer möglichst breiten Mehrheit in der Bürgerschaft mitgetragen werden kann“, sagte Abaci. „Hass und Hetze können wir nur wirksam begegnen, wenn wir als Gesellschaft zusammenstehen.“

„Es ist unser aller Aufgabe, das jüdische Leben in Hamburg präsenter zu machen, zu achten und zu stärken und vor jeglicher Diskriminierung zu schützen“, sagte Filiz Demirel, religionspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Deren Vorsitzender Anjes Tjarks hatte in der Bürgerschaftsdebatte vorgeschlagen, an prominenter Stelle in der Stadt eine neue Synagoge zu errichten. Der Grünen-Politiker hatte dabei zum Beispiel an den Ort der Bornplatz-Synagoge im Grindelviertel gedacht, die von Nazis zerstört worden war. „Das wäre ein Zeichen, das viel stärker ist als der Kampf gegen Antisemitismus“, hatte Tjarks unter starkem Beifall hinzugefügt.

Rot-Grün will den gemeinsamen Antrag in der kommenden Sitzung der Bürgerschaft am 6. November behandeln. Bis dahin bliebe Zeit, um sich jedenfalls mit Teilen der Opposition auf einen interfraktionellen Antrag im Kampf gegen Antisemitismus zu verständigen.