Hamburg. Polizei und Staatsanwaltschaft sind überlastet – nun wollen sie Ermittlungen effizienter gestalten. Die Opposition schlägt Alarm.
Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich spricht von einem Resultat, auf das er „mit einem gewissen Stolz“ blicke. Polizeipräsident Ralf Martin Meyer sagte, so würden „mehr Straftäter vor Gericht landen“. Was die beiden Behördenchefs so zuversichtlich darstellen, ist eine Vereinbarung, die die Spitzen von Staatsanwaltschaft und Polizei am Freitag unterzeichnet haben und die am 1. Mai in Kraft treten wird.
Ziel dieser Vereinbarung ist es, trotz eng begrenzter Ressourcen, die insbesondere beim Personal bestehen, Straftaten möglichst effizient zu verfolgen. Unter anderem wurde beschlossen, die Ermittlungen bei minderschweren Fällen von Betrug zu vereinfachen. Später sollen auch andere Delikte wie Verstöße gegen ausländerrechtliche Bestimmungen und Verkehrsdelikte hinzukommen.
„Wir wollten erreichen, dass der Effizienzverlust möglichst gering ausfällt“, sagte Generalstaatsanwalt Fröhlich über die Vereinbarung. Es sei darum gegangen, „etwas Realistisches“ zu bewerkstelligen. In Anbetracht von mehr als 300.000 Ermittlungsverfahren gegenüber einer personellen Ausstattung von etwa 10.000 Mitarbeitern bei der Polizei und 600 bei der Staatsanwaltschaft sei es „realitätsfern“, mit dem Ziel anzutreten, „Effizienzverluste gänzlich auszuschließen“. Aber man habe die Arbeit insgesamt verbessern und Reibungsverluste so gut wie möglich bekämpfen wollen.
Akten sollen weniger hin- und hergeschoben werden
Entstanden ist nach Auskunft von Fröhlich ein „Rahmenkonstrukt, das unter anderem die Kommunikationswege strafft“ und so ein effizienteres Arbeiten ermöglicht. Die Vereinbarung insbesondere in Bezug auf geringfügigere Betrugsdelikte solle dazu beitragen, vorhandene Restbestände zu reduzieren beziehungsweise gar nicht erst aufkommen zu lassen, sagte Fröhlich. Diese Sondervereinbarung betreffe nicht das „ob“, sondern nur das „wie“ von Ermittlungen, betonte der Generalstaatsanwalt. Am häufigsten waren im vergangenen Jahr unter den Betrugsdelikten Internetbestellungen teurer Waren unter einer falschen Identität. 2018 kam es in Hamburg laut Kriminalstatistik zu mehr als 33.000 Betrugsdelikten. Das waren 1,9 Prozent mehr als 2017. Der Waren- und Kreditbetrug nahm um 16,7 Prozent zu.
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer sagte, es gehe im Bereich der Massenkriminalität beziehungsweise Alltagskriminalität darum, ein „unnötiges Hin- und Herschieben von Akten“ möglichst zu vermeiden und Schnittstellen optimaler zu gestalten. Dabei sei es wichtig, sich zunächst auf Betrugsdelikte zu konzentrieren. Hier gebe es Rückstellungen bei der Bearbeitung der Fälle, die zwar weniger geworden seien. Gleichwohl gelte es, Ermittlungen noch effizienter durchzuführen. Das führe letztlich dazu, so Meyer, dass mehr Verdächtigen ein Prozess gemacht werde. Dafür sei ein „besseres, wirksames Konzept“ erzielt worden.
Entscheidungen über Strafbefehle und Anklagen schneller treffen
Der Leitende Oberstaatsanwalt Ewald Brandt spricht bei der Vereinbarung auch von einem „Ressourcengewinn“. Es solle „keinen Sand im Getriebe“ geben und überflüssige Ermittlungen vermieden werden. Das Ziel sei, schneller entscheiden zu können, ob ein Verfahren eingestellt, ein Strafbefehl beantragt oder Anklage erhoben werden soll.
Ebenfalls solle schneller überprüft werden, ob es sich um Bagatelldelikte mit einem niedrigen Schaden handelt. Üblicherweise geht es dabei um Beträge unter 50 Euro, die unter diese sogenannte Geringfügigkeitsgrenze fallen. Aber natürlich, betonte Brandt, werde genau geschaut, ob es sich um einen Wiederholungs- beziehungsweise Serientäter handelt, der durch eine Vielzahl von Betrügereien dann auch einen hohen Schaden anrichtet. „Da müssen wir natürlich intensiver in die Ermittlungen einsteigen“, so Brandt.
Es müsse eine noch effizientere Strafverfolgung geben, sagte der Leiter des Landeskriminalamtes, Frank-Martin Heise. Die Polizei wolle keine Ermittlungsarbeit leisten, mit der die Staatsanwaltschaft nichts anfangen könne. „Wir wollen unsere sehr wertvollen Ressourcen nutzen, um Straftäter zur Strecke zu bringen“, sagte Heise. „Und die Vereinbarung dient genau diesem Zweck.“
Ein Beispiel: Wenn bei einem Onlinebetrug der einzige Hinweis die IP-Adresse eines Kunden ist, der Provider aber die Daten bereits gelöscht hat und es damit keinerlei weitere Ermittlungsansätze gibt, soll vonseiten der Polizei auch nicht weiter ermittelt werden. Mit einem entsprechenden Vermerk geht die Akte künftig direkt an die Staatsanwaltschaft, die das Verfahren dann einstellt.
CDU: „Der Rechtsstaat darf nicht kapitulieren“
Die Bürgerschaftsfraktion der CDU warnte, Verfahren dürften nicht eingestellt werden, weil es an einem öffentlichen Verfolgungsinteresse fehle. „Der Rechtsstaat darf nicht kapitulieren, auch nicht vor Betrügern“, betonte der justizpolitische Sprecher Richard Seelmaecker. Der CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator erklärte: „Betrugsdelikte müssen endlich wieder effektiv bearbeitet werden. Der jetzt gewählte Weg ist aber absolut falsch.“ Es fehlten qualifizierte Ermittler und eine moderne technische Ausstattung.
FDP-Politikerin Anna von Treuenfels-Frowein forderte den Senat auf, Polizei und Justiz personell besser auszustatten und die Digitalisierung in der Justiz und bei der Polizei voranzutreiben. Farid Müller von den Grünen dagegen betonte: „Wir freuen uns über die gute Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt.“ Sören Schumacher, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, hält die Rahmenvereinbarung für „ein richtiges Signal: Künftig werden kleinere Delikte wie Betrugsfälle, bei denen keine Aussicht auf eine Anklageerhebung besteht, schneller eingestellt werden können. Verfahren werden beschleunigt, personelle Kapazitäten für die Verbrechensbekämpfung schneller frei. Die Ermittlungsarbeit wird sinnvoll fokussiert.“