Hamburg. Die CDU nominiert ihren Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl 2020. Der Lehrer kehrt dafür aus dem Bundestag zurück.
Von der 22. Etage der Tanzenden Türme an der Reeperbahn geht der Blick an diesem sonnigen Sonntag weit über den Hafen. „Der Ort ist sehr prägend für Hamburg. Wenn man dahin schaut, dann sieht man, worum wir uns dringend kümmern müssen: Die Zukunft des Hafens und der Wirtschaft sind für uns ein wichtiges Thema“, sagte der Altonaer CDU-Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg, der kurz zuvor vom Landesvorstand seiner Partei einstimmig zum Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl am 23. Februar 2020 nominiert worden war.
„Aber für mich ist das auch persönlich ein sehr spannender Moment, denn von hier aus sieht man, glaube ich, auch mein Elternhaus, wenn man Richtung Altona blickt“, sagte der CDU-Politiker offensichtlich in einem Moment der Rührung, um aber sofort auf das „wunderschöne Stadion hier gleich nebenan“ hinzuweisen. Weinberg ist seit vielen Jahren erklärter Fan des FC St. Pauli.
Die Nominierung des familienpolitischen Sprechers der Unions-Bundestagsfraktion war keine Überraschung mehr, nachdem das Abendblatt vor gut einem Monat erstmals über entsprechende Pläne des CDU-Landeschefs Roland Heintze und des Bürgerschaftsfraktionschefs André Trepoll berichtet hatte. Trepoll und Heintze waren mit der Kandidatenfindung beauftragt worden. Hinter den beiden liegen Monate der Ungewissheit: Zunächst hatten sie die frühere niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan als Spitzenkandidatin vorschlagen wollen, die aber wegen einer schweren Erkrankung absagen musste. Aus dem gleichen Grund stand auch der frühere Staatsrat Nikolas Hill plötzlich nicht mehr zur Verfügung.
Hamburger CDU liegt deutlich unter 20 Prozent
„Uns war von Anfang an klar, dass wir einen Spitzenkandidaten brauchen, der bei den Menschen ankommt und die Stadt aus ihrem Stillstand bewegen und Brücken bauen kann. Wir haben lange überlegt und viele Gespräche geführt, wer eine solche Person sein kann. Wir finden, dass das mit Marcus Weinberg exzellent erfüllt ist“, sagte der CDU-Landesvorsitzende Heintze. Es sei nicht selbstverständlich, dass ein familienpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion als Spitzenkandidat der CDU nach Hamburg komme. Die Hamburger Union liegt derzeit bei Umfragen deutlich unter 20 Prozent.
Weinberg sieht seine politische Zukunft in Hamburg, unabhängig vom Ausgang der Bürgerschaftswahl. „Das ist eine Lebensentscheidung. Ich werde mein Bundestagsmandat nach der Wahl in die Bürgerschaft aufgeben. Ich komme gern nach Hamburg zurück, der Lebensabschnitt als Bundestagsabgeordneter ist für mich dann beendet“, sagte Weinberg. Er werde schrittweise seine Arbeit in Berlin reduzieren, aber bis zur Wahl familienpolitischer Sprecher bleiben und an Gesetzesvorhaben mitwirken.
„Unsere Stadt braucht eine neue Geschichte, eine Vision und ein Leitbild 2030“, sagte der designierte Spitzenkandidat. „Hamburg war stets eine liberale Burg, von Bürgern, Bürgerschaft und Senat zu einer stolzen und kulturell vielfältigen Stadt geformt“, sagte Weinberg. Der rot-grüne Senat verwalte die Stadt jedoch nur. „Die Hamburger sind ermüdet, auf ihnen wird herumregiert. Der Senat ist ohne Ideen und Schwung“, so der CDU-Politiker, der nun „Brücken bauen will über alle politischen und gesellschaftlichen Gräben hinweg“.
"Opposition will ich mir nicht antun"
Aus Weinbergs Sicht haben die Politik allgemein und der Senat in den vergangenen Jahren Vertrauen verloren, nicht zuletzt wegen der schweren Ausschreitungen rund um den G-20-Gipfel. „Ich will Vertrauen zurückgewinnen – in die Politik, aber auch in die CDU und dazu viele Gespräche mit der Stadtgesellschaft führen“, so der designierte Spitzenkandidat.
Weinberg will ein Kompetenzteam und einen Expertenkreis um sich scharen. Die 32 Jahre alte Richterin Freya Gräfin Kerssenbrock wird die Bereiche Sicherheit und neues Vertrauen in den Rechtsstaat übernehmen. Für die Themen gesellschaftlicher Zusammenhalt und bürgernahe digitale Verwaltung wird Franziska Hoppermann, Vorsitzende der Frauen-Union, im Kompetenzteam verantwortlich sein.
In der Frage einer Rückkehr zum längeren Weg am Gymnasium (G 9) legte sich Weinberg nicht fest. Die Räumung der Roten Flora, die die CDU nach den G-20-Ausschreitungen gefordert hatte, sei für ihn derzeit kein Thema, so Weinberg. Als Wahlziel nannte der künftige Spitzenkandidat, der auf einem Parteitag im August gewählt werden soll, die Regierungsbeteiligung. „Opposition will ich mir nicht antun“, so der CDU-Mann, der verheiratet ist und einen Sohn hat.
„Marcus Weinberg ist unser Kandidat für die Zukunft. Wir sind geschlossen und ziehen an einem Strang“, sagte CDU-Fraktionschef Trepoll, der Anfang der Woche im Abendblatt-Interview seinen Verzicht auf die Spitzenkandidatur erklärt hatte.