Hamburg. 17 Delegierte aus der Hansestadt und viele Gäste verfolgten Wahl zum Parteivorsitz. Journalisten aus aller Welt betonen Bedeutung.
So spannend kann Politik sein. Bis zum letzten Augenblick traute sich unter den 17 Hamburger Delegierten beim CDU-Bundesparteitag, ihren Mitarbeitern und Gästen kaum jemand, eine Prognose abzugeben, wer die Nachfolge von Angela Merkel an der Parteispitze antreten wird. „Merz liegt vorn“, meinte einer – vor den Reden. „AKK gewinnt im ersten Wahlgang“, meinte ein anderer – nach den Reden. „Sieht nach Patt aus“, meinte dagegen der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Michael Westenberger zu wissen – und kam damit dem Ergebnis des ersten Wahlgangs am nächsten.
„Es war spannend wie ein WM-Finale“, sagte Bürgerschafts-Fraktionschef André Trepoll, nachdem um 16.57 Uhr der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther den hauchdünnen Sieg von Annegret Kramp-Karrenbauer, kurz AKK, verkündete hatte. Ohne zu verraten, wen er gewählt hat, kommentierte Trepoll das Ergebnis mit einem Augenzwinkern: „Man sieht, Deutschland und die CDU sind noch nicht bereit für einen Mann als Kanzlerin.“ Er freue sich aber über die Wahl von AKK: „Sie hat sowohl im Saarland als auch als Generalsekretärin der CDU bewiesen, dass Sie erfolgreich und verlässlich zusammenführen und zusammen führen kann.“
Marcus Weinberg freute sich über Kramp-Karrenbauers Sieg
Der Altonaer Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg, der schon zuvor klar für Kramp-Karenbauer votiert hatte, freute sich: „Politik braucht wieder mehr Ehrlichkeit, Authentizität und Bodenständigkeit. Das zeichnet Annegret Kramp-Karrenbauer aus.“
Christoph de Vries, Bundestagsabgeordneter aus Hamburg-Mitte, der zu Merz tendiert hatte, sagte: „Persönlich hatte ich mir ein anderes Erlebnis gewünscht, aber ich bin sicher, dass AKK unsere Partei erfolgreich und souverän führen wird. Mir ist nicht bange.“ Wie viele Christdemokraten hob er den gelungenen Dreikampf der Kandidaten hervor: „Ich bin stolz auf diesen fairen und vorbildlichen Wettbewerb mit drei tollen Kandidaten.“
Roland Heintze übernahm die Leitung des Parteitags von der Kanzlerin
Ähnlich ordnete es Christoph Ploß, Bundestagsabgeordneter aus Hamburg-Nord, ein: „Auch wenn ich Friedrich Merz gewählt habe, ist für mich klar, dass ich Annegret Kramp-Karrenbauer nach dieser fairen, demokratischen Wahl als neue Vorsitzende unterstütze.“ Wichtig sei nun, dass neben AKK „Persönlichkeiten, die für wirtschaftsliberale und wertkonservative Positionen stehen“, an die Spitze der CDU kommen, so Ploß. „Nur so wird die CDU zu neuer Stärke finden.“
Hamburgs CDU-Chef Roland Heintze wird sich unabhängig vom Ergebnis noch lange an diesen Parteitag erinnern: Kraft Amtes durfte er um 10.57 Uhr von der scheidenden CDU-Vorsitzenden Angela Merkel die Leitung des Parteitags übernehmen. Vier Minuten später hatte der 45-Jährige die erste Abstimmung erfolgreich organisiert: Die Delegierten stimmten zu, dass noch bis 12.30 Uhr Bewerber um den Parteivorsitz vorgeschlagen werden dürfen – was allerdings nicht geschah.
Wie viele der 1001 Delegierten anwesend waren – nämlich 1000 – durfte auch ein Hamburger feststellen: CDU-Landesgeschäftsführer Oliver Thiel verkündete als Vorsitzender der „Mandatsprüfungskommission“ das Ergebnis.
Großer Respekt für 18 Jahre Angela Merkel an der CDU-Spitze
In seiner kurzen Begrüßungsrede scherzte Heintze über das Nieselwetter („Hamburg macht seinem Ruf alle Ehre“), warb für die Elbphilharmonie (und dankte dabei dem anwesenden Ex-Bürgermeister Ole von Beust für seinen Einsatz für das Projekt) und den Hafen als Exportdrehscheibe. „Hamburg ist ein gutes Pflaster für CDU-Parteitage“, sagte Heintze und erinnerte an den Vereinigungs-Parteitag 1990 und die Verabschiedung eines neuen Grundsatzprogramms 1994 – beides an der Elbe. „Liebe Freunde, lasst uns diesen Geist wiederbeleben“, rief Heintze auf.
Der Dreikampf um die Merkel-Nachfolge habe der Partei gut getan, befand auch der Hamburger CDU-Chef. Der scheidenden Parteivorsitzenden Angela Merkel zollte er großen „Respekt“ für 18 Jahre an der Spitze der CDU. Sie habe auch in stürmischen Zeiten „nie aufgegeben“ und damit typisch hanseatische Tugenden gezeigt – Merkel ist gebürtige Hamburgerin.
1800 Journalisten, unter anderem aus China und Bulgarien
Von den rund 1800 Journalisten in den Messehallen waren auch Hunderte aus dem Ausland angereist. „Es gibt weltweit ein großes Interesse an diesem Parteitag“, sagte die französische Fernsehjournalistin Emmanuelle Chazé, die für den Sender France 24 berichtete. „Wer heute gewählt wird, kann der nächste Kanzler oder die nächste Kanzlerin werden und hat damit auch einen großen Einfluss in Europa.“ Wichtig sei das insbesondere im Kampf gegen ultrarechte Flügel. Die Abschiedsrede der Kanzlerin bezeichnete sie als „typisch Merkel“ – gelassen und kontrolliert.
Auch Maria Stayanova, die für das bulgarische Staatsfernsehen berichtete, sagte, dass der Parteitag nicht nur für eine Partei in Deutschland wichtig sei, sondern „enorm wichtig“ für ganz Europa. „Hier wird nicht nur der Parteichef der CDU gewählt, sondern der Tongeber in Europa.“ Stayanova betonte ebenfalls die Wichtigkeit des Wahlausgangs im Kampf gegen populistische Kräfte in Europa.
Qian Sun vom Fernsehsender Phoenix Television aus Hongkong sagte, dass die CDU als größte deutsche Partei auch weltweit einen großen Einfluss habe. Interessant sei der Parteitag für China auch deshalb, da mit dem Parteivorsitz für Kramp-Karrenbauer auch die Möglichkeit einhergehe, die nächste Kanzlerin zu werden, was „weltweite Relevanz“ habe. „Dass die CDU nach 18 Jahren einen neuen Vorsitz bekommt, hat historische Bedeutung“, meinte auch Ke Ren von der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua. Er betonte: „In China kennt jeder Angela Merkel.“ Und bald vielleicht auch AKK – die in Hamburg gewählte CDU-Chefin.