Hamburg. Um das Netz überteuert kaufen zu können, hole Umweltsenator Kerstan „Gefälligkeitsgutachten“ ein, so FDP-Fraktionschef Kruse.
Die FDP hat Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) im Streit über den Rückkauf des Fernwärmenetzes ein unsauberes Spiel vorgeworfen. Grund ist die Beauftragung eines neuen Gutachtens über mögliche positive Effekte eines Rückkaufs.
Hintergrund: Die Umweltbehörde will in dem Gutachten klären lassen, ob es umfassende positive Effekte für die Stadt gibt, die einen Rückkauf des Netzes von Vattenfall zum 2014 vereinbarten Mindestpreis von 950 Millionen Euro rechtfertigen – obwohl die Fernwärme nach dem jüngsten Wertgutachten nur noch 645 Millionen Euro wert ist. Beauftragt hat die Behörde das Berliner Beratungsunternehmen LBD. Ausweislich der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des FDP-Fraktionsvorsitzenden Michael Kruse zahlt die Stadt für die Expertise 218.440 Euro an LBD. Laut Umweltbehörde soll die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC die LBD-Ergebnisse überprüfen und einen „Unternehmenswert für die Fernwärme aus dem von LBD vorgelegten Konzept ableiten“.
Ziel ist eine umfassende „Kosten-Nutzen-Analysen“, die „alle Aspekte des volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzens“ einbezieht – also auch den Klimaschutz. So soll festgestellt werden, ob der im Volksentscheid 2013 beschlossenen Fernwärme-Kauf trotz des hohen Preises in der Gesamtbetrachtung gerechtfertigt ist. Sollte dies nicht der Fall sein, hätte der Senat ein Problem. Denn ein Kauf zu überhöhtem Preis könnte gegen die Landeshaushaltsordnung (LHO) verstoßen – wenn der Gesamtnutzen dies nicht rechtfertigt. Die LHO verlangt die Beachtung der „Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ und „angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen“ für „alle finanzwirksamen Maßnahmen“.
FDP übt scharfe Kritik am Vorgehen der Stadt
Die FDP kritisiert das Verfahren scharf. „Bei dem Gutachten des Senats zu vermeintlichen positiven Nebeneffekten des Netzrückkaufs handelt es sich um ein Gefälligkeitsgutachten“, sagt ihr Fraktionschef Kruse. „Es ist nicht akzeptabel, dass der Senat so lange Gutachten beauftragt, bis irgendeines zu dem Ergebnis kommt, dass ein überteuerter Kaufpreis zulässig sei.“ Zudem habe die Beauftragung von LBD ein „Geschmäckle“, so Kruse. „Noch 2013 hat LBD im Auftrag der Volksinitiative ‚Unser Hamburg, unser Netz‘ Gutachten gegen die städtische Position erarbeitet. Der rot-grüne Senat hätte diesen Interessenskonflikt erkennen müssen.“
Warum die Umweltbehörde bereits insgesamt „eine halbe Millionen Euro für Gutachten dieser Beratung“ ausgegeben habe, wie sich aus unterschiedlichen Senatsantworten ergebe, bleibe „ihr Geheimnis“, so Kruse. „Bei der ideologischen Politik von Umweltsenator Kerstan überrascht es auch nicht, dass diese Gutachten allesamt freihändig vergeben wurden und keine Ausschreibung erfolgt ist.“ Die FDP werde „dieses Gutachten kritisch hinterfragen, denn nennenswerte Synergieeffekte durch das Eigentum an unterschiedlichen Netzgesellschaften sind nicht zu erwarten“, so Kruse. „Bisher haben sowohl das Stromnetz als auch das Gasnetz unter Berücksichtigung der Finanzierungskosten unterm Strich Verluste für die Steuerzahler verursacht. Kein einziger Synergieeffekt konnte dabei bisher erzielt werden.“
Umweltbehörde weist Kritik zurück
Die Umweltbehörde weist die Kritik zurück. LBD sei „ein renommiertes Beratungsbüro mit hervorragenden Referenzen“, und „aus Sicht des Senats für den vorliegenden Gutachtenauftrag hervorragend qualifiziert“, sagte Behördensprecher Björn Marzahn. Dass das Gutachten nicht ausgeschrieben worden sei, habe damit zu tun, dass der „Kreis von Gutachtern, die für den sehr spezifischen Auftrag ausreichend qualifiziert sind, sehr begrenzt ist“, so Marzahn. Die Stadt habe Anfragen an drei Gutachterbüros gerichtet, von denen nur LBD sich bereit erklärt habe, den Auftrag zu übernehmen und fristgerecht zu bearbeiten.