Hamburg. Oppositionsführer André Trepoll übt sich angesichts schlechter Umfragewerte in demonstrativer Gelassenheit.

Es gibt für André Trepoll derzeit sicher Angenehmeres, als die jüngste Polit-Umfrage der Universität Hamburg zu studieren. Demnach wissen gerade einmal 24 Prozent aller Hamburger, dass der 39-Jährige Fraktionschef der CDU in der Bürgerschaft ist. Und fast die Hälfte derjenigen, die ihn kennen, finden, dass er zu zögerlich sei. Hinzu kommt, dass Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nach den Ende November im Abendblatt exklusiv veröffentlichten Umfragezahlen auch noch alleine weiterregieren könnte. Und was sagt Oppositionsführer Trepoll? „Ich mache mir keine Sorgen. Ich bin eher beeindruckt, dass mich jeder vierte Hamburger kennt.“

Natürlich ist ein erfahrener Parlamentarier um keine Antwort verlegen. Und der Trick, Negatives in Positives umzukehren, gehört zum rhetorischen Repertoire eines jeden Politikers. Doch bei Trepoll ist der augenzwinkernde Spruch auch Ausdruck einer Besonnenheit, die sich aus seiner langjährigen Erfahrung im Hamburger Polit-Betrieb speist. Fünf Jahre war der verheiratete Vater zweier vier und zwei Jahre alter Kinder Chef der Jungen Union, die als konservative Kaderschmiede in Hamburg gilt. Seit 2004 sitzt er in der Bürgerschaft, und seitdem die CDU im Jahr 2015 mit 15,9 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bürgerschaftswahl geholt hat, ist Trepoll Chef der Fraktion.

Fraktionsvize Prien: „Trepoll ist kein Blender“

Er weiß, dass es keine große Unzufriedenheit mit dem rot-grünen Senat gibt. Er setzt trotzdem darauf, sich inhaltlich mit der Regierung auseinanderzusetzen, und eben nicht darauf, sich in öffentlichkeitswirksamen Aktionen bekannt zu machen. „André Trepoll drängt sich nicht brachial in den Vordergrund. Er ist kein Blender“, sagt etwa Fraktionsvize Karin Prien.

Sie ist so etwas wie der erste Sturm auf dem Eis. Es vergeht keine Woche, in der sie nicht in den Medien auftaucht. Doch die Rollen, die die beiden CDU-Spitzenleute ausfüllen, sind kein Zufall. Sie entsprechen dem jeweiligen Naturell und folgen einer selbst gewählten Strategie. Trepoll hat Prien auf das Thema Flüchtlingspolitik angesetzt. Während seine Stellvertreterin damit das wichtigste Thema des vergangenen und dieses Jahres politisch am Kochen hielt, hatte Trepoll Zeit, die vernachlässigten Kontakte in die Wirtschaft wieder zu beleben.

Anfangs ging es in seinem Job darum, die auf 20 Mitglieder geschrumpfte Fraktion neu aufzubauen. Ein Großteil erfahrener Parlamentarier hat es nach der Wahl nicht wieder in die Bürgerschaft geschafft oder aus persönlichen Gründen aufgehört. Und er selbst hatte es zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht geplant, den Fraktionsvorsitz zu übernehmen. Seine Wahl war aber folgerichtig. In der Fraktion war er der Einzige, der langjährige parlamentarische Erfahrung und politische Per­spektive gleichermaßen in einer Person vereinte. In der Bürgerschaft gehört er zu den besten Rednern. Und mit dem Vorsitz im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Tod des dreieinhalb Jahre alten Mädchens Yagmur hatte er sich über Fraktionsgrenzen hinaus Respekt verschafft.

Verlangt Abgeordnetenkollegen einiges ab

Trepoll lasse seinen Fraktionskollegen „große Beinfreiheit“, heißt es. Er pflege einen „kollegialen und angenehmen Stil der Zusammenarbeit“. Es muss nicht immer mit der Keule Politik gemacht werden. Politik muss auch Spaß machen. Und anständig sein. So war es Trepoll, der verhindert hat, dass der ehemalige Spitzenkandidat Dietrich Wersich fallen gelassen wurde. Dabei geht die CDU mitunter gnadenlos mit ihren Wahlverlierern um. Der ehemalige Bürgermeister Christoph Ahlhaus oder Ex-Fraktionschef Frank Schira können ein Lied davon singen. Trepoll wirkte darauf hin, dass Wersich zum Ersten Vizepräsidenten der Bürgerschaft gewählt wurde.

Doch es wäre ein Fehler, Trepoll mangelnde Durchsetzungskraft zu unterstellen. Er verlangt seinen Abgeordnetenkollegen einiges ab. Sie sollen liefern – und zwar inhaltliche Kritik an der Politik des Senats. Und im Zweifel nimmt Trepoll dann auch personelle Wechsel vor. Etwa beim Posten des wirtschaftspolitischen Sprechers. Jens Wolf war beruflich derart eingespannt, dass Trepoll einen Austausch in dem für die CDU so wichtigen Ressort einleitete. „Dem Erfolg müssen sich alle unterordnen. Es kommt nicht darauf an, dass jemand Bestimmtes in der Öffentlichkeit stattfindet, sondern dass die CDU stattfindet“, sagt Trepoll.

Zuletzt ließ er die Fraktion 92 Haushaltsanträge schreiben. Das ist viel Arbeit für am Ende wenig Lohn. Denn Regierungsfraktionen lassen die Opposition naturgemäß ungern mitmischen. Wohlwissend, dass die Anträge kaum Chancen haben, die Mehrheit in der Bürgerschaft zu bekommen, sollten die CDU-Abgeordneten sich mit dem politischen „Schwarzbrot“ beschäftigen. Denn die Verteilung von Geld ist politisches Handeln. Und wer das durchdringt, ist in der Lage, das Handeln des Senats zu kritisieren oder sich selbst in die Lage zu versetzen, die Politik eines Tages selbst zu bestimmen.

Trepoll: „Die Politik ist ein langfristiges Geschäft“

Das alles sind nachvollziehbare Schritte. Aber sie wirken ausschließlich nach innen. Vielleicht noch in die Partei, aber spätestens dann ist Schluss. Bei den Wählern kommt das nicht an. Auch das ist ein Ergebnis der Umfrage. Doch von der will Trepoll sich die Laune nicht vermiesen lassen. „Die Politik ist ein langfristiges Geschäft“, weiß er. Ende 2017, also nach der Bundestagswahl, will die CDU den Fahrplan für die Bürgerschaftswahl 2020 aufstellen. Das kommende Jahr sei ohnehin bundespolitisch geprägt. Erst danach könne man wieder verstärkt auf Hamburg-Themen setzen. Und dann sei es an der Zeit, die Bekanntheit des noch zu kürenden Spitzenkandidaten zu erhöhen.

Politikwissenschaftler und Leiter der Umfrage Prof. Kai-Uwe Schnapp hält das für die falsche Strategie. „Sacharbeit zu machen und inhaltlich zu arbeiten ist natürlich gut. Aber es wäre falsch, die Gesichter der Partei erst im Wahlkampf bekannt zu machen.“ Das Problem, die große Lücke zu Amtsinhaber Olaf Scholz zu schließen, sei dann noch größer. Wie es ginge, habe etwa FDP-Frontfrau Katja Suding vorgemacht. „Sie hat mit unpolitischen Schritten die FDP wieder auf die parlamentarische Bühne gebracht.“

Wird er der Herausforderer von Olaf Scholz?

Allerdings bringt Trepoll diese Fähigkeit nicht mit. Er weiß das selbst am besten. „Ich werde meine Beine jedenfalls nicht zeigen“, sagt er scherzend und fügt dann ernst an, dass der Anspruch einer Volkspartei wie der CDU ein anderer sei, als lediglich die Fünfprozenthürde zu überspringen.

Wird er als Oppositionsführer auch der Herausforderer von Olaf Scholz sein? „Die SPD sagt erst neun Monate vor der Wahl, wer Kanzlerkandidat wird. Warum sollen wir schon dreieinhalb Jahre vor der Bürgerschaftswahl sagen, wer Bürgermeisterkandidat wird?“, lautet die in der CDU verabredete Antwort. Aber ja, natürlich gehöre auch er in den Kandidatenkreis.

Und im Übrigen sei das mit der Bekanntheit in Umfragen ja auch so eine Sache, sagt Trepoll und verweist auf eine Befragung aus dem Jahr 2006. Da kassierte der damalige Oppositionsführer Michael Neumann (SPD) ein noch weniger schmeichelndes Ergebnis. Nur vier Prozent der Befragten gaben an, den SPD-Fraktionschef zu kennen.