Hamburg.
Es kommt selten vor, dass Olaf Scholz bei öffentlichen Auftritten in Hamburg nicht im Mittelpunkt steht. Normalerweise kann sich der Erste Bürgermeister, wie auch frühere Amtsinhaber, in Hamburg bei offiziellen Terminen der Aufmerksamkeit der Gäste und Beobachter sicher sein. In diesen Tagen jedoch musste sich Scholz gleich mehrfach mit Nebenrollen begnügen. Trotzdem dürfte es eine Woche so recht nach seinem Geschmack gewesen sein.
Am Dienstag sollte er eigentlich auf dem Rathausmarkt den Startschuss für den Vorverkauf der Elbphilharmonie-Karten geben – ein Thema, das Scholz am Herzen liegt. Denn das neue Konzerthaus ist ein wichtiger Teil seiner Strategie, dem international gar nicht so bekannten Hamburg etwas mehr Strahlkraft zu verleihen. Natürlich hätte er wieder betont, dass die Elbphilharmonie „ein Haus für alle Hamburger“ ist und daher die Kartenpreise schon bei sechs Euro anfangen. Und so weiter.
Doch es kam anders – weil die Kanzlerin rief. Kurzfristig baten Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) ausgesuchte Ministerpräsidenten zum Gespräch über die Reform des Länderfinanzausgleichs nach Berlin, unter ihnen Bayerns Horst Seehofer (CSU) und eben Scholz, der das Thema seit mehr als einem Jahr im Auftrag der SPD-regierten Länder verhandelt. Ein Durchbruch wurde dabei zwar erneut nicht erzielt, aber dass Scholz direkt nach der Senatssitzung an die Spree düste, war logisch. Für die Stadtstaaten mit ihren Sonderregeln geht es beim Länderfinanzausgleich um existenzielle Fragen, und außerdem gilt es bei solchen Terminen auch, die Drähte zum engsten Machtzirkel der Republik warm zu halten. Dagegen kommt ein Kartenvorverkauf nicht an.
Auch am Mittwoch stand ein anderer im Mittelpunkt: Detlef Scheele, so wurde an jenem Abend bekannt, steigt vom Vorstandsmitglied zum Chef der Bundesagentur für Arbeit auf. Das betrifft die Hansestadt zwar nur indirekt, aber immerhin: Wenn ein Hamburger Sozialdemokrat, der schon als Staatssekretär dem damaligen Bundesarbeitsminister Scholz gedient hat und dann fünf Jahre lang sein Sozialsenator war, künftig eine der größten Behörden der Republik leitet, schadet das den Kontakten auf die Bundesebene nicht.
Am Donnerstag konnte der Bürgermeister dann seinen Elbphilharmonietermin nachholen – allerdings wieder nur als Nebendarsteller. Denn beim Besuch des schwedischen Königspaars Silvia und Carl Gustav galt die Aufmerksamkeit naturgemäß ganz den Royals. Scholz zeigte sich sogar überrascht, als bei der Pressekonferenz auf der Elbphilharmonie-Plaza, die abwechselnd auf Englisch, Schwedisch und Deutsch abgehalten wurde, eine Frage an ihn gerichtet wurde. „I didn’t realize that it was for me“, entschuldigte er seine zögerliche Reaktion – betonte dann aber artig, wie wichtig es sei, voneinander zu lernen und dass er ja auch schon zu Besuch in Stockholm war.
Zuvor hatte sich die aus Heidelberg stammende Königin ähnlich höflich gezeigt und auf die Frage, wie ihr die Elbphilharmonie gefalle („Sie ist ein Juwel“) auch gleich das Wohnungsbauprogramm und die U-Bahn-Pläne des Senats gelobt. Ohnehin sind kritische Töne bei solchen Terminen unüblich. Man tauscht Nettigkeiten aus, produziert schöne Fotos und reist weiter. Belanglos ist das aber nur bei oberflächlicher Betrachtung. Denn natürlich werden abseits der Kameras auch Beziehungen geknüpft und Erfahrungen ausgetauscht, etwa in den Bereichen Energie, Wissenschaft und Verkehr. Um zu verstehen, wie eng die Bande sind, genügt ein Beispiel: Die meisten Hamburger beziehen ihren Strom vom schwedischen Staatskonzern Vattenfall.
Vor allem produziert ein Staatsbesuch aber etwas, das für eine Stadt wie Hamburg kaum zu bezahlen ist: internationale Aufmerksamkeit. „Es schadet nicht, wenn der Rest der Welt erfährt, dass es hier schön ist“, heißt es etwas lapidar im Rathaus. Dabei sind damit sehr konkrete Ziele verbunden: Mehr Aufmerksamkeit für die schönen Seiten dieser Stadt kann mehr Touristen, mehr Einwohner, mehr Firmen bedeuten, und damit mehr Jobs und mehr Steuern. Daher nutzen Scholz, sein umtriebiger Außen-Staatsrat Wolfgang Schmidt und viele andere Senatsmitglieder jede Gelegenheit, um außerhalb Hamburgs und Deutschlands für die Stadt zu werben.
Mitunter müssen sie aber gar nicht viel dafür tun – so beim schwedischen Königspaar, dessen Wunsch es war, im Rahmen eines Deutschland-Besuchs auch nach Hamburg zu kommen. Und so am Freitag: UN-Generalsekretär Ban Ki-moon kam auf Einladung des Internationalen Seegerichtshofs (ISGH) in Blankenese nach Hamburg, um zum 20. Geburtstag des UN-Gerichts zu gratulieren An seiner Seite: Bundespräsident Joachim Gauck. Viel mehr Politprominenz geht nicht. Der Ablauf war ähnlich wie am Donnerstag: freundliche Reden, schöne Fotos, viel Aufmerksamkeit. Wer diese Termine verfolgt, ahnt, warum die beiden großen Gipfeltreffen in Hamburg, das der OSZE-Außenminister im Dezember und das der G20-Staatschefs im Juli 2017, dem Senat durchaus ins Konzept passen.
Zwischendurch geht es allerdings etwas weniger glamourös zu. Am kommenden Montag zum Beispiel ist Edi Rama im Rathaus zu Gast. Der ist immerhin Ministerpräsident Albaniens, aber der Wirbel dürfte etwas hinter dem um Silvia & Co. zurückbleiben. Am Dienstag macht dann wieder eine Majestät dem Bürgermeister ihre Aufwartung: Patrice Hug, Bundesvizekönig der Schützen.