Hamburg. Der Bürgerschaftsabgeordnete wurde nach Verwarnungen von der Sitzung ausgeschlossen. So kommentieren die anderen Politiker den Eklat.

Ein beispielloser Eklat erschüttert die Bürgerschaft. Der fraktionslose AfD-Politiker Ludwig Flocken ist am Mittwochabend von der Sitzung der Bürgerschaft ausgeschlossen worden. Der 55-Jährige hatte in einer Debatte zum Thema Salafismus minutenlang gegen den Islam gehetzt und sich auch von der mehrmaligen Aufforderung der Sitzungsleiterin – Bürgerschaftsvizepräsidentin Antje Möller (Grüne) –, sich zu mäßigen und zum eigentlichen Thema zu sprechen, nicht stoppen lassen.

Nach der rund sechsminütigen Rede Flockens trat auf Antrag der Linkspartei der Ältestenrat des Parlaments zusammen und beschloss, den Arzt aus Bergedorf von der Sitzung auszuschließen. An einen vergleichbaren Fall in der jüngeren Geschichte der Bürgerschaft erinnert sich kein Abgeordneter.

Flocken war 2015 für die AfD in die Bürgerschaft eingezogen. Wegen fremdenfeindlicher Äußerungen wollte ihn die Fraktion Anfang 2016 ausschließen, dem kam er durch Austritt zuvor. Seitdem ist er fraktionsloser Abgeordneter, aber weiterhin AfD-Mitglied.

Flocken wurde mehrfach verwarnt

Am Mittwochabend rief er in seiner Rede dazu auf, „keinen Respekt vor dem Islam“ zu haben: „Keinen Respekt vor einem absurden Ausmaß an Frauenverachtung, vor Menschen, die ihre Frauen genitalverstümmeln, als Müllsäcke verkleiden, vergewaltigen und die Vergewaltigten noch bestrafen und ermorden.“ Nach diesen Worten rief ihn Antje Möller erstmals auf, zur Sache zu sprechen. Doch Flocken sagte nur „Ich bin beim Thema“ und beschimpfte Muslime als „Menschen, die sich von Gottesgelehrten belehren lassen, wie sie ihre Frauen zu schlagen und ihre Babys sexuell zu missbrauchen haben“.

Auch Möllers zweiter Versuch, Flocken zur Mäßigung zu bewegen, verpuffte, sodass ihm die Präsidentin einen Ordnungsruf erteilte. Doch auch das stoppte den verbalen Amoklauf des AfD-Politikers nicht. Er hoffe „inständig, dass diese gottverdammte Religion in die Wüste zurückkehrt, aus der sie gekommen ist“. Seine Rede endete schließlich in Tumulten.

Flocken bleibt nach Rauswurf uneinsichtig

Im Ältestenrat, den erfahrene Vertreter aller Fraktionen bilden, herrschte relativ schnell Einigkeit, dass dies ein Fall für den Paragraf 48 der Geschäftsordnung der Bürgerschaft ist. Demnach „soll ein Mitglied, das sich einer gröblichen Verletzung des Hauses schuldig gemacht hat“, von der Sitzung ausgeschlossen werden. Zwar hatten einige Abgeordnete noch Bedenken, weil das Flocken die Möglichkeit biete, sich in die Opferrolle zu begeben. Aber die Entscheidung war unausweichlich. „Die Äußerungen waren nicht nur beleidigend, Herr Flocken hat damit zugleich den Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung verlassen“, sagte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD). „Derartige Auftritte braucht die Bürgerschaft nicht, sie lassen auch keinen Raum mehr für Diskussionen.“ Veit machte deutlich, dass der Ausschluss kein leichter Schritt gewesen sei. Schließlich handele es sich um einen frei gewählten Abgeordneten, und die freie Rede sei ein hohes Gut.

Flocken zeigte sich auch nach seinem Rauswurf uneinsichtig: „Es gehört offensichtlich zu unserer Kultur, dass man Religionen nicht kritisieren und beleidigen darf.“ Für die kommenden Sitzungen werde er sich eine neue Strategie einfallen lassen, wie er Religionen kritisieren könne, ohne erneut ausgeschlossen zu werden.

Auf viel Verständnis darf der 55-Jährige dann nicht hoffen. Selbst AfD-Fraktionschef Jörn Kruse distanzierte sich von Äußerungen seines Parteifreundes und betonte, dass dieser kein Mitglied der AfD-Fraktion mehr sei. „Niemand von uns stellt infrage, dass hier in Hamburg und anderswo alle Religionen ihren Glauben praktizieren sollten“, sagte Kruse. „Aber es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, was über den Islam als Religion hinaus an Erscheinungsformen existiert und in welchem Maße das zu tolerieren ist und wie wir damit umgehen.“ Man dürfe „die Probleme auch nicht unter den Teppich kehren“. CDU-Fraktionschef André Trepoll sagte, Flocken habe „den Bogen überspannt und sich selbst außerhalb der Regeln gestellt“. Sicher sei eine Kritik am Islam auch in der Bürgerschaft erlaubt. „Sie darf aber nicht die durch das Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit infrage stellen und die Gefühle von gläubigen Menschen verletzen.“ Flocken habe wohl bewusst provoziert.

Abgeordnete aller Fraktionen sind schockiert

„Das war jenseits von Gut und Böse“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. „Herr Flocken hat pauschal alle Muslime an den Pranger gestellt, alle Appelle der Präsidentin ignoriert und immer weitergemacht. Irgendwann ist Ende, und dann müssen klare Sanktionen folgen.“ Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks sagte: „Herr Flocken hat eine Historie in diesem Haus. Erst muss er wegen unfasslicher Äußerungen die AfD-Fraktion verlassen, und auch diese Rede war der Bürgerschaft nicht würdig. Sein Ausschluss war richtig.“

Das betonte auch Linken-Fraktionschefin Cansu Özdemir: „Herr Flocken hat eine Grenze überschritten, indem er eine ganze Religionsgemeinschaft aufs Übelste beleidigt hat. Ihm sollte eine Grenze gesetzt werden. Mit dem Ausschluss ist dies auch geschehen.“ FDP-Fraktionschefin Katja Suding: „Herr Flocken hat wie ein Hassprediger gesprochen. Das hat nichts mit politischer Auseinandersetzung zu tun.“ Sie hätte es allerdings vorgezogen, wenn die Debatte ohne Einberufung des Ältestenrats und in Anwesenheit von Flocken weitergeführt worden wäre: „Um unmittelbar die richtigen Antworten auf diesen unwürdigen Auftritt zu geben.“