Frank Horch übernahm als dienstältester Senator das Senatshämmerchen. Beide Bürgermeister waren abwesend.

Von wegen „Gutes Regieren“ – in dieser Woche wurde Hamburg gar nicht regiert. Jedenfalls war keiner der beiden Bürgermeister in der Stadt oder gar im Rathaus. Der Erste, Olaf Scholz, durchwandert dieser Tage mit seiner Ehefrau und Kieler Ministerin Britta Ernst irgendwelche Berge, deren Namen er nicht preisgibt. Und die neue Zweite Bürgermeisterin, Katharina Fegebank von den Grünen, verbringt ihre Ferien an der Ostsee, „natürlich am Meer, denn ich liebe Schwimmen bei jeder Wassertemperatur“, wie sie sagt. Also übernahm am Dienstag Frank Horch das Senatshämmerchen, mit dem der jeweils amtierende Chef nach alter Väter Sitte die Dienstags-Sitzungen im Rathaus mit energischem Klopfen eröffnet und schließt.

Dass Horch den Hammer bekam, liegt an der Geschäftsordnung: Sind beide Bürgermeister abwesend, so übernimmt der dienstälteste Senator die Führung. Sind mehrere Senatoren gleich lang im Amt (wie alle SPD-Senatoren, die seit 2011 mitregieren), dann muss der oder die Älteste ran – also traf es den 67-jährigen Wirtschaftssenator. Viel zu entscheiden gab es bei der Senatssitzung am Dienstag aber nicht, es standen lediglich verwaltungstechnische Dinge an (Verordnungen zur Änderung von Änderungs-Verordnungen, oder so). Deswegen dauerte das Treffen im Senatsgehege auch laut Teilnehmern keine fünf Minuten.

Die FDP gibt das Leistungsprinzip auf, und der Grüne fährt weit mit dem Auto

Seit heute erholt sich auch Behelfs-Bürgermeister Horch (von den Mühen des Busbeschleunigens und Hammerschwingens) – und zwar auf seinem Segelschiff „Horge“. Gemeinsam mit Ehefrau und Enkel schippert er mit der Hallberg-Rassy, die er im Niendorfer Hafen besteigt, über die Ostsee. Die Wahl der Urlaubsziele der Hamburger Spitzenpolitiker fällt laut Sommerlochumfrage insgesamt so unterschiedlich aus wie es auch die verreisenden Politiker sind: Der grüne Justizsenator Till Steffen fliegt mit Frau und Kindern nach San Francisco und will von dort aus den Norden Kaliforniens erkunden. Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) tut es dem Senatschef gleich und fährt zum Wandern in die Berge – mit Frau und Sohn nach Österreich. Auch Kultursenatorin Barbara Kisseler zieht es in die Alpen. Innen- und Olympiasenator Michael Neumann fliegt mit Frau Aydan Özoguz, der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, und der Tochter für zehn Tage in die Türkei.

Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks reist demnächst mit ihrem Mann an die nordspanische Atlantikküste, und auch Umweltsenator Jens Kerstan verbringt seine Ferien in Spanien, allerdings mit Freunden auf Mallorca – und freut sich aufs gemeinsame Kochen. Der fahrradbesessene Sozialsenator Detlef Scheele dagegen bleibt vor seinem baldigen Weggang zur Nürnberger Arbeitsagentur im Sommer in der Nähe – und verbrennt lieber Kalorien als sie zuzubereiten, indem er Schleswig-Holstein beradelt.

Ganz zu Hause bleibt in diesem Jahr SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. „Weil in Haus und Garten noch einiges erledigt werden muss, was sonst nicht klappt, sind in diesen Sommerferien nur kleinere Touren mit der Familie etwa an die Ostsee geplant“, so Dressel. Sein Koalitionspartner, der Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks, fährt dagegen mit Frau und den drei Söhnen in einem geliehenen Auto (sicher höchster Ökostandard) samt Anhänger zum Zelten nach Italien. „Wenn meine Jungs beschäftigt sind, kann ich mich entspannen“, so Tjarks, der sich dreierlei vorgenommen hat: Lesen, Sport und Kochen. Der Gegenspieler der Rot-Grünen, CDU-Fraktionschef André Trepoll, reist im Familienkombi für nur eine Woche in den Thüringer Wald. Wichtigstes Vorhaben: Er will der zweieinhalbjährige Tochter das Radfahren und Schwimmen beibringen.

Linken-Fraktionschefin Sabine Boed­dinghaus hat sich mit ihrem Mann gerade auf der Ägäisseite des griechischen Pilion-Gebirges einquartiert. „Griechenland ist schon länger in unserer engeren Wahl“, sagt sie. „Nun passt es wunderbar, um Euros nach Athen zu tragen.“ FDP-Fraktionschefin Katja Suding gibt die Euros mit Kindern und Freunden lieber auf einer Nordseeinsel aus – und lässt den liberalen Leistungsgedanken vorher auf dem Festland zurück. Auf die Frage, was sie sich für die Ferien vornimmt, sagt sie: „Gar nichts.“

Krimi, Sachbuch, Liebesroman: Sag mir, was du liest, und ich sag dir, wer du bist

So unterschiedlich die Ziele, so ähnlich die Urlaubs-Beschäftigungen. Ganz oben bei den Ferienvorsätzen steht nicht etwa „Gar nichts“, sondern die körperliche Betätigung – und gleich danach das Lesen. Wirtschaftssenator Horch will sich mit Griechenland und Europa befassen. Umweltsenator Kerstan freut sich, historische Romane und nordische Krimis „endlich am Stück zu lesen“. Und Wissenschaftssenatorin Fegebank hat sich für die Schwimmpausen Kristine Bilkaus „Die Glücklichen“ und den Roman „Oona&Salinger“ von Frédéric Beigbeder bereitgelegt, der von der unglücklichen Liebe J.D. Salingers handelt, dem Autor des Welterfolgs „Der Fänger im Roggen“.

Ganz ähnlich halten es die Politiker mit der Erreichbarkeit. Kaum einer mag das Smartphone abschalten. Mancher stellt den beherrschenden Apparat immerhin lautlos – oder freut sich heimlich über schlechten Empfang. Sozialsenator Scheele dagegen lädt sein Handy mit einer Art Dynamo durchs Radeln auf, damit sich der Akku bloß nie ganz entleert. CDU-Oppositionsführer Trepoll will sichergehen, dass er beim Zerbrechen von Rot-Grün schnell in Hamburg wäre (was einen ruhigen Urlaub wohl garantiert). Aber nur einer gönnt sich wirklich keine Sekunde der Entspannung: Innensenator Neumann. Er sei „24 Stunden am Tag , 7 Tage die Woche erreichbar“, lässt er wissen. Schade, dass soldatische (Urlaubs-)Disziplin nicht olympisch ist. Sonst hätte Hamburg schon eine Medaille sicher.