Hamburg. Ergebnisse der Vergleichsarbeiten der zehnten Klassen an Gymnasien sind erschütternd. Hier können Sie den Test selbst durchführen.
Das Ergebnis der diesjährigen schriftlichen Überprüfungen in Klasse 10 muss in vielen Familien wie ein Schock gewirkt haben. Die Durchschnittsnote, die die Schüler aller 68 staatlichen und privaten Gymnasien im Fach Deutsch erzielten, betrug 3,7. Vier von fünf Schülern erreichten nur die Note Drei oder schlechter. An 17 Gymnasien lag die Durchschnittsnote bei 4,0 oder schlechter. Das Ergebnis in Mathematik war mit einem Schnitt von 3,6 nur unwesentlich besser.
Interessant ist die Erklärung für das schlechte Abschneiden der Schüler in Deutsch. „Ausschlaggebend war die Rechtschreibaufgabe“, so Behördensprecher Peter Albrecht. Die Schüler mussten in einem Text des in Hamburg geborenen Schriftstellers Uwe Timm (u. a. „Die Entdeckung der Currywurst“) zwölf eingebaute Rechtschreibfehler entdecken. Die Benutzung eines Wörterbuchs war laut Albrecht erlaubt, ist aber offenbar häufig nicht realisiert worden. Das kann an der knappen Zeit gelegen haben oder auch daran, dass viele Schüler im Umgang mit einem Wörterbuch nicht mehr geübt sind.
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„Es wurden im Schnitt nur 4,7 von zwölf möglichen Punkten erreicht, also nur 39,2 Prozent“, sagte Albrecht. Die Rechtschreibaufgabe sei deutlich am schlechtesten gelöst worden und habe den Durchschnitt insgesamt deutlich nach unten gezogen. „Es wird offensichtlich, dass ein Großteil der Schülerschaft der Klasse 10 die Rechtschreibung nicht sicher beherrscht“, räumt Albrecht ein. Deswegen habe Schulsenator Ties Rabe (SPD) bereits 2014 einen Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Rechtschreibung präsentiert, der nun an den Schulen umgesetzt werde. Die Schüler sollen einen verbindlichen Basiswortschatz von 800 Wörtern am Ende der Grundschule sicher beherrschen. Regelmäßige verbindliche Rechtschreibtests sowie das Verbot von Lernmethoden wie „Lesen durch Schreiben“, bei denen die Schüler jahrelang nicht auf die korrekte Rechtschreibung achten müssen, gehören ebenfalls dazu.
Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Karin Prien, die mit einer Kleinen Senatsanfrage die Ergebnisse der Vergleichsarbeiten abgefragt hatte, fordert als Konsequenz insgesamt eine Stärkung der Basisqualifikationen. Außerdem müssten die Bildungspläne mit dem Ziel einer stärkeren Wissensvermittlung überarbeitet werden. Die Kernfächer Deutsch und Mathematik dürften in allen Klassenstufen nur noch von Fachlehrern unterrichtet werden. „In der Sekundarstufe I müssen beide Fächer zwingend ab sofort mit vier Stunden pro Woche gegeben werden“, fordert die CDU-Politikerin.
Prien sorgt sich um die Qualität des Hamburger Abiturs, weil die Defizite, die in den schriftlichen Überprüfungen der Klasse 10 offenbar geworden seien, in der verbleibenden Zeit bis zur Reifeprüfung nur noch schwer aufzuholen seien. Dies gelte umso mehr, weil vom nächsten Schuljahr an Teile der Aufgaben der schriftlichen Abiturprüfung für alle Schüler gleich bundesweit zentral gestellt werden.
Prien sieht es so: „Nur die in Hamburg besonders laxen Bedingungen zur Einbringung von Kursen, die Abschaffung der verpflichtenden Zweitkorrektur und die Ersetzung von schriftlichen Leistungen durch Präsentationen oder besondere Lernleistungen verhindern noch, dass die Hamburger Schüler im Ländervergleich beim Abitur völlig abgehängt werden.“ Die „inflationäre“ Vergabe des Abiturs unter der Verantwortung der SPD – ein Plus von fast 20 Prozent seit 2012 – werde mit einem „massiven Niveauverlust“ erkauft.
Schulsenator Rabe will nicht nur mit einem flächendeckenden Programm zur Verbesserung der Rechtschreibleistungen gegensteuern: Der SPD-Politiker hat auch eine „Mathematik-Offensive“ gestartet. Kern der Initiative ist mehr Unterricht. Vom nächsten Schuljahr an sollen die Schüler in allen Jahrgängen der Sekundarstufe I (Klassen fünf bis zehn) mindestens vier Mathestunden pro Woche haben. Dafür wird die sogenannte Wochenstundenzahl (Summe der Wochenstunden der Klassen fünf bis zehn) von 22 auf 24 an allen Stadtteilschulen und Gymnasien erhöht.
Ebenfalls vom kommenden Schuljahr an sollen von Klasse sieben an nur noch studierte Mathematiklehrer das Fach unterrichten. Spätestens vom Schuljahr 2017/18 an soll das auch für die fünften und sechsten Klassen gelten. An den Grundschulen soll eine Fachlehrerquote von mindestens 50 Prozent sichergestellt werden.
Die schriftlichen Überprüfungen in Klasse 10 treten an die Stelle einer von insgesamt vier Klassenarbeiten. In Deutsch umfasste die Überprüfung vier Aufgaben, eine davon war der Rechtschreibtest. Außerdem ging es um Textvergleiche und eine Interpretation. Für die Beantwortung der Aufgaben hatten die Schüler 135 Minuten Zeit, zusätzlich 20 Minuten zum Einlesen.