Die Initiative von Senat und Providern wirft Fragen zur Sicherheit auf. Doch das Echo ist überwiegend positiv
Hamburg. Nach dem Abendblatt-Bericht über Pläne für ein kostenlos nutzbares WLAN-Netz in der City hat sich der Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar zu Wort gemeldet. „Wir begrüßen die Initiative. Die Nutzer sollten jedoch wissen, dass sie nicht nur Ihre Telefonnummer bei der Anmeldung hinterlassen, sondern bei der Nutzung auch Informationen über ihr Surfverhalten sowie über ihren Standort anfallen“, sagte Caspar dem Abendblatt. „Die Speicherung, Verwendung und Nutzung dieser Daten durch den Provider muss den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben entsprechen.“ Dazu sei es auch erforderlich, „dass Integrität und Vertraulichkeit der Kommunikation der WLAN-Verbindung durch die Verwendung einer ausreichenden Verschlüsselung sichergestellt werden“.
WLAN ist die Abkürzung für „Wireless Local Area Network“, kabelloses lokales Netz. Es steht auch für kabellose Zugänge über die sich Smartphones, Laptops oder Tablets mit dem Internet verbinden können, wenn sie sich in der Nähe des Senders befinden. Die Verbindungen sind meist stabiler und schneller als die über das Netz der Telefonanbieter. Frei nutzbare WLAN-Punkte werden auch als „Hotspots“ bezeichnet.
Die Firma willy.tel hatte angekündigt, bis 2016 rund 7000 solcher Hotspots in Hamburg zu installieren und damit in der Innenstadt ein flächendeckendes WLAN-Netz zu schaffen, das kostenlos nutzbar sein soll. Wie die Firma nun einräumt, sollen Gratis-Nutzer jedoch unverschlüsselt und damit völlig ungeschützt surfen. „Für den kostenfreien Zugang benötigen wir eine SMS vom Mobiltelefon, die Zugangsdaten werden dann automatisch übermittelt, dieser WLAN-Zugang ist unverschlüsselt“, sagte willy.tel-Geschäftsführer Bernd Thielk dem Abendblatt. Kunden dagegen erhielten einen sicher verschlüsselten Zugang. Auch könne eine Verschlüsselung gegen Aufpreis hinzugebucht werden, etwa von lokalen Geschäften oder Hotels.
Bei unverschlüsseltem WLAN-Surfen könnten neben dem Netzanbieter möglicherweise auch unbefugte Dritte nachvollziehen, welche Seiten der Nutzer im Internet aufruft. Zudem könnten sich Hacker Zugang zu auf dem benutzten Gerät gespeicherte Daten verschaffen. SPD-Netzpolitiker Hansjörg Schmidt rät den Nutzern von öffentlichen WLAN-Netzwerken daher, grundsätzlich nur verschlüsselte Apps zu benutzen oder in öffentlichen Netzen die Kommunikation über sogenannte VPN-Tunnel zu schützen. Dabei wird der Datenverkehr verschlüsselt und anonymisiert.
Die Ankündigung von willy.tel, die WLAN-Nutzung zeitlich unbegrenzt gratis anzubieten, war zuletzt auf Skepsis gestoßen. „Für uns stellt sich immer noch die Frage, wie wir für das angeblich kostenlose WLAN bezahlen, das uns zur Verfügung gestellt werden soll“, sagte Michael Hirdes vom Chaos Computer Club, der auch bei der Initiative Freifunk mitarbeitet, die ein eigenes, freies, nicht-kommerzielles Netz aufbaut. „Irgendjemand muss es ja bezahlen, wenn da bis zu zwei Millionen Euro investiert werden sollen. Es ist kaum vorstellbar, dass willy.tel seine Leistung aus reinem Altruismus verschenkt.“
Dessen Geschäftsführer Thielk betonte dagegen: „Der WLAN-Ausbau ist für willy.tel auch eine wichtige Werbung und ein Imagegewinn.“ Dadurch, dass das Unternehmen bereits ein Glasfasernetz von rund 1300 Kilometern in der Stadt besitze, könne es den WLAN-Ausbau „wirtschaftlich vornehmen“, so Thielk. Vor einigen Tagen habe willy.tel die Pläne dem Senat noch einmal vorgestellt. „Jetzt sind die Behörden wieder an der Reihe, uns die Genehmigung zu erteilen, Licht- und Ampelmasten usw. nutzen zu dürfen“, so Thielk.
Trotz der hier und da zu hörenden Skepsis stößt das Vorhaben insgesamt auf Zustimmung. „Die Einrichtung eines offenen und kostenfrei zugänglichen WLAN-Netzes in der Innenstadt stellt eine wichtige Infrastrukturmaßnahme für die Kommunikation in der digitalen Medienzukunft dar“, sagte etwa Adrian Ulrich, Medien- und IT-Experte der Handelskammer. „Dies gilt sowohl für Hamburgs Bürger als auch für die touristische Attraktivität.“
CDU-Medien- und Netzpolitiker Andreas C. Wankum sagte, ein freier Internetzugang sei fast so wichtig wie Zugang zu Strom und Wasser. „Wir sind uns über Parteigrenzen hinweg einig, dass flächendeckendes WLAN gut und wichtig ist“, so Wankum. „Gemeinsam mit der SPD müssen wir dafür sorgen, dass die Große Koalition bei der Abschaffung der für die weitere Entwicklung hinderlichen Störerhaftung endlich in die Puschen kommt.“
Das bisher fast ausschließlich in Deutschland geltende Prinzip der Störerhaftung verhindert, dass Cafés oder Läden ihr WLAN für Kunden öffnen. Wenn nämlich der Kunde etwa illegal Filme über ihr Netz herunterlädt, haften sie persönlich. Das ist in fast keinem Land der Erde so – was dazu führt, dass offenes WLAN mittlerweile in vielen Städten weltweit eine Selbstverständlichkeit ist. Nur in Deutschland nicht. Der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Finn Ole Ritter nannte es „falsch und zukunftsfeindlich“, dass die Große Koalition die Abschaffung der Störerhaftung kürzlich im Bundestag abgelehnt hatte. Hamburgs SPD-Netzpolitiker Hansjörg Schmidt bezeichnete die Störerhaftung als „innovationsfeindlich“.
Der auch für Informationsfreiheit zuständige Datenschutzbeauftragte Caspar sprach sich ebenfalls für eine Reform aus. „Das Prinzip der Störerhaftung ist nachteilig für die Ausweitung des Netzzugangs“, so Caspar. „Deswegen haben wir bereits in einer früheren Stellungnahme für deren Abschaffung plädiert. Damit entfiele auch eine immer wieder geäußerte Rechtfertigung für eine umfassende Erhebung von Daten über die Nutzerinnen und Nutzer.“
Für Linken-Politikerin Kersten Artus steht Hamburg in Sachen WLAN „eher bescheiden“ da. „Hätte die SPD die Freifunk-Initiativen seit Regierungsübernahme unterstützt, wären wir mit dem WLAN schon viel weiter“, so Artus. „Stattdessen setzt sie auf kommerzielle Betreiber. So lange die Störerhaftung nicht beseitigt ist, ist jedes Jubeln und Selbstlob fehl am Platz.“
Wie berichtet, will auch die Hochbahn verstärkt WLAN anbieten. Sämtliche U-Bahnstationen sollen mit Gratis-WLAN ausgestattet werden. Zudem sollen Kundenzentren, Behörden und Hochschulen und Schulen Hotspots erhalten. Hamburg wäre damit die führende deutsche Großstadt in Sachen Internet.