Wie effektiv das Busbeschleunigungsprogramm ist, kann laut Behörde noch nicht ausgewertet werden. Das Hamburger Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur Busbeschleunigung.
Hamburg. Seit Monaten ist das Busbeschleunigungsprogramm ein Reizthema in der Stadt, das viele Gegner auf den Plan ruft. Nicht nur Anwohner der betroffenen Busstrecken, auch die Opposition in der Bürgerschaft übt immer wieder scharfe Kritik an dem 259-Millionen-Projekt des SPD-Senats. Zwei Bürgerinitiativen aus Winterhude und von der Uhlenhorst wollen die Bauarbeiten nun mit einer Volksinitiative stoppen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur Busbeschleunigung.
Wann und warum ist das Busbeschleunigungsprogramm gestartet worden?
Vor dem Regierungsantritt des SPD-Senats im Jahr 2011 hatte die Partei das Wahlversprechen abgegeben, das Hamburger Bussystem „zu einem der modernsten in Europa“ auszubauen. Der neue Senat setzte auf Busse, das Projekt „Stadtbahn“ hatte der vorherige CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus bereits gestoppt. Im Mai 2012 verabschiedete die Bürgerschaft den Ausbau des Bussystems, die ersten Bauarbeiten für die Linie 5 starteten im Oktober darauf.
Wie umfangreich ist das Programm?
Das Bussystem soll bis 2020 für 259 Millionen Euro ausgebaut werden. Der Fokus liegt auf den stark ausgelasteten Metrobus-Linien. Im ersten Schritt werden die Linien 2, 3, 5, 6, 7, 20 und 25 bis zum Jahr 2016 optimiert, die Linien 4 und 21 wurden im Bereich Eidelstedter Platz ausgebaut. Statt ursprünglich 250 gibt es nun 540 einzelne Maßnahmen, da Streckenabschnitte neu aufgeteilt worden sind. Diese sind zu rund 110 Baustellen zusammengefasst worden, von denen bereits 40 fertiggestellt worden sind. In der zweiten Bauphase soll es laut Verkehrsbehörde bis 2020 „Optimierungsmaßnahmen weiterer Metrobus-Linien auf ausgewählten Streckenabschnitten“ geben.
Welche Abschnitte sind bereits fertig?
Der Bereich Eidelstedter Platz für die Linien 4 und 21. Fertig ist zudem die Linie 5 vom Hauptbahnhof bis Niendorf Markt – hier fehlen zum Teil aber noch die Ampelschaltungen.
Wie effektiv ist das Programm in den bereits fertiggestellten Abschnitten?
Das kann noch nicht ermittelt werden, da bislang nur die Bauarbeiten entlang der Linie 5 abgeschlossen sind. Die Ampeln werden Mitte November umgestellt. Erst dann gibt es Erhebungen zu Fahrzeitverkürzung, Pünktlichkeit und Kapazitätserhöhung. Laut Verkehrsbehörde wird eine Kapazitätssteigerung von 20 bis 30 Prozent angestrebt.
Wie viel Reisezeit sollen am Ende auf welcher Strecke eingespart werden?
Am deutlichsten wird sich die Reisezeit auf der Buslinie 25 verkürzen (zwölf Minuten), gefolgt von der Linie 3 (zehn Minuten) und Linie 5 (neun Minuten). Auf den Strecken der Linie 6 und 20 soll die Reisezeiteinsparung jeweils etwa sechs Minuten betragen, bei der Linie 2 und 7 circa vier Minuten.
Geht es bei dem Programm ausschließlich um Busbeschleunigung?
Nein. Der Begriff ist irreführend und eigentlich falsch, wie Senat und Hochbahn intern einräumen. Dort spricht man von „schweren Kommunikationsproblemen“. Nach Angaben von Verkehrsbehörde und Hochbahn ist das Ziel des neuen Bussystems, die Kapazitäten durch eine höhere Taktdichte zu steigern, die Pünktlichkeit zu verbessern und den Komfort auszubauen. Zudem sollen einzelne Quartiere besser erschlossen werden. Die Reisezeit zu verkürzen ist nur ein Punkt unter mehreren. Deshalb beschränkt sich das Projekt auch nicht nur auf Maßnahmen, die dazu führen, dass die Busse besser vorankommen, wie eine Ampelvorrangschaltung. Das Geld wird etwa auch in neue Radfahrstreifen und verbesserte Fahrbahnbeläge investiert.
Wie viel Geld ist bereits für die Busbeschleunigung ausgegeben worden?
Laut einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Klaus-Peter Hesse sind aktuell rund 53,9 Millionen Euro (Stand 6. Oktober) „durch geschlossene Verträge gebunden“.
Ist das Busbeschleunigungsprogramm im Zeit- und Kostenplan?
Nach Angaben der Behörde ja.
Gibt es Erkenntnisse darüber, wie viel länger die Reisezeit seit Einführung des Vorne-Einsteigens ist?
Laut Hochbahn gibt es keine Verzögerungen. Ein disziplinierteres Ein- und Aussteigeverhalten der Fahrgäste führe sogar zu kürzeren Aufenthalten an den Haltestellen.
Kritiker sagen, dass ein System, bei dem Fahrgäste keine Fahrscheine im Bus lösen können, die Fahrzeit stärker verkürzen würde als die Bauarbeiten. Warum wird ein solches System nicht eingeführt?
Der HVV möchte seinen Fahrgästen weiterhin ermöglichen, ein Ticket beim Fahrer zu kaufen, und hat dabei besonders ältere oder ortsfremde Kunden im Auge. Dazu kommt, dass Fahrkartenautomaten teuer und wartungsintensiv sind. Nach Angaben der Verkehrsbehörde werden im Zuge des Busbeschleunigungsprogramms an der Linie 5 jedoch zusätzliche Fahrkartenautomaten aufgestellt. Teuer wäre auch die Einführung des schon lange diskutierten E-Tickets. Um sie im gesamten Geltungsgebiet lesen zu können, müssten alle Fahrzeuge der rund 30 Verkehrsverbund-Mitglieder ausgerüstet werden.
Wie viele Parkplätze werden wegen des Busbeschleunigungsprogramms insgesamt wegfallen, wie viele Bäume gefällt?
Das kann erst am Ende des Projekts 2020 bilanziert werden. Nach aktuellem Stand entfallen laut Behörde rund 220 Parkplätze, 20 werden neu geschaffen. Zudem werden aktuell etwa 180 Bäume gefällt und 230 Bäume neu gepflanzt.
Welchen Sinn ergibt es noch, die Haltestellen zu verlängern, wo es doch heißt, die Hochbahn wolle ohnehin keine XXL-Busse mehr einsetzen?
Bis auf Weiteres kann und will die Hochbahn nicht auf XXL-Busse verzichten. Diese fahren bislang nur auf der Linie 5. Doch auch auf anderen Strecken sind mittlerweile Kapazitätsgrenzen erreicht, etwa auf der Linie 6. Reichen dort die Maßnahmen zur Busbeschleunigung nicht aus, die Busse in engerem Takt fahren zu lassen, müssten größere Fahrzeuge eingesetzt werden. Das können auch Großraumbusse sein, die zwar drei Meter kürzer als die jetzigen XXL-Busse (25 Meter) sind, aber dennoch mehr Fahrgästen Platz bieten sollen.
Wie viele Beschwerden wegen des Busbeschleunigungsprogramms sind bisher bei der Verkehrsbehörde eingegangen?
„Beschwerden gegen das Programm an sich gibt es so gut wie gar nicht“, heißt es aus der Behörde. Zu einzelnen Maßnahmen habe es wegen persönlicher Betroffenheiten teilweise Unterschriftslisten gegeben.
Lehnen alle Oppositionsfraktionen die Busbeschleunigung ab?
Ja, wenn auch mit sehr unterschiedlichen Begründungen, die sich zum Teil sogar widersprechen. Hohe Kosten und geringe Effizienz sind die Hauptargumente bei fast allen Parteien. Allerdings moniert die CDU das Wegfallen vieler Parkplätze, während die Linken-Bürgerschaftsfraktion die Förderung des Autoverkehrs „unter dem Deckmantel der Busbeschleunigung“ kritisiert.
Wann könnte es zu einem Volksentscheid kommen?
Die beiden Bürgerinitiativen wollen mit einer Volksinitiative den sofortigen Stopp des Busbeschleunigungsprogramms erreichen. Für eine erfolgreiche Volksinitiative müssen in Hamburg 10.000 Unterschriften gesammelt werden. Die Initiatoren wollen diese bis Dezember zusammenhaben. Gelingt dies, müsste das Plenum der Bürgerschaft darüber abstimmen. Übernimmt sie das Anliegen nicht in einer Frist von vier Monaten, können die Initiatoren ein Volksbegehren einleiten. Bei diesem müssen innerhalb von drei Wochen mindestens fünf Prozent aller Wahlberechtigten, also rund 62.500 Hamburger, unterschreiben. Stimmt die Bürgerschaft wieder nicht zu, kann ein Volksentscheid beantragt werden. Dieser kann jederzeit durchgeführt werden, wird in der Regel aber an eine große Wahl gekoppelt. In Hamburg wäre das die Bundestagswahl 2017.