Protest für Lampedusa-Flüchtlinge: Sitzung unterbrochen. Polizei erteilt Aktivisten Hausverbot. Abgeordnete lehnen Aufenthaltsrecht für Gruppe ab
Hamburg. Die Unterstützer der sogenannten Lampedusa-Flüchtlinge wollten nicht bis zum offiziellen Beginn der ersten Debatte in der Bürgerschaft warten. Noch während die Abgeordneten in der zuvor laufenden Aktuellen Stunde über die Umsetzung des Volksentscheids zum Rückkauf der Energienetze durch den Senat stritten, riefen sie ihre Parolen und sorgten damit für eine zehnminütige Unterbrechung.
Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) forderte die Störer zunächst auf, die Parlamentarier weiterdebattieren zu lassen. Doch darauf gingen die Aktivisten nicht ein. Also bat Veit die Polizei, die Personalien der Aktivisten feststellen zu lassen. Die Beamten führten 18 Störer aus der Bürgerschaft und erteilten ihnen Hausverbot. Nach gut zehn Minuten setzten die Abgeordneten die Debatte fort.
Es dauerte aber noch knapp eine Stunde, bis die eigentliche von der Linksfraktion angemeldete Debatte begann. Die Linken forderten in ihrem Antrag, der Lampedusa-Gruppe ein Aufenthaltsrecht zu gewähren. Ihre Forderung stützten sie dabei auf ein neues Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags. Danach sei dies rechtlich möglich.
„Seit einem Jahr kämpft die Gruppe unter großer öffentlicher Anteilnahme für ein Bleiberecht. Seit einem Jahr verweigert der Senat nicht nur eine humanitäre Lösung, sondern sogar das Nachdenken darüber“, sagte Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion. „Es ist Zeit, mit den falschen Behauptungen und vorgeschobenen unredlichen Argumenten, hinter denen der Senat sich versteckt, aufzuräumen.“ Laut Schneider gehe es darum, ob humanitäre Gründe vorlägen, und um die Frage des politischen Willens.
„Will der Senat eine humanitäre Lösung finden oder will er es aus Gründen, die mit Humanität dann jedenfalls nichts zu tun haben, nicht“, sagt Schneider. Kai Voet van Vormizeele, Innenexperte der CDU-Bürgerschaftsfraktion, lehnte ein Lösung, wonach einer Gruppe das Aufenthaltsrecht gewährt wird, komplett ab. „Ich bin stolz darauf, was Hamburg schon heute tut. Wir nehmen mehr Flüchtlinge auf als andere vergleichbare Städte in Europa. Wir müssen keine Wiedergutmachung leisten.“
Aus seiner Sicht kämen die Mitglieder der Lampedusa-Gruppe ohnehin nicht für ein Aufenthaltsrecht infrage. Laut Erkenntnissen der Polizei komme die Hälfte der Gruppenmitglieder aus Ghana. „Und Ghana ist ein absolut sicheres Herkunftsland“, sagte Voet van Vormizeele. Er warf den Linken vor, nicht daran interessiert zu sein, eine Lösung für die Mitglieder der Flüchtlingsgruppe zu finden. „Sie wollen eine Generaldebatte führen und das Individualrecht abschaffen und eine Gruppenlösung einführen“, warf er der Linksfraktion vor. Dies habe zur Folge, dass dann eine politische Mehrheit sagen könne, welche Flüchtlingsgruppe sie aufnehmen wolle und welche nicht.
Auch die FDP lehnte den Linken-Antrag ab. „Das, was die Linke fordert, ist nichts weiter als ein Täuschungsmanöver“, sagte Martina Kaesbach. „Es gibt keine seriöse juristische Grundlage für die Behauptung, die sogenannte Lampedusa-Gruppe von afrikanischen Flüchtlingen müsse ein Aufenthaltsrecht in Hamburg erhalten.“ Unterstützung für den Antrag der Linken kam dagegen von der Grünen-Fraktion. Deren flüchtlingspolitische Sprecherin Antje Möller sagte, dass es bei der Auslegung des Aufenthaltsgesetzes schlicht auf die politische Entscheidung ankomme. „Man muss nur die Paragrafen anwenden.“ Die Flüchtlinge hätten aus ihrer Sicht ein Recht darauf, dass die Stadt Hamburg ernsthaft eine Gruppenlösung prüfe, sagte Möller. „Auf diese Weise könnte ein Signal von Hamburg ausgehen, wenn es sich auf die Diskussion einlässt.“
Innensenator Michael Neumann (SPD) erteilte diesem Ansinnen aber eine klare Absage. Er berief sich auf Antworten der Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen, wonach es keinen Anlass dafür gebe, Aufenthaltsgenehmigungen für Flüchtlinge in Deutschland zu erteilen, wenn diese bereits in Italien eingereist seien. Zudem gebe es danach auch „keine systemischen Mängel“ bei der Flüchtlingsunterbringung in Italien. Es könne kein pauschales Bleiberecht erteilt werden, ohne dass es eine konkrete Schutzbedürftigkeit gebe, sagte Neumann weiter. „Das ist fachlich, aber auch politisch nicht vermittelbar“, sagte der Innensenator. Das Bleiberecht könne nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz nur individuell erteilt werden.
Die Bürgerschaft lehnte den Antrag der Linksfraktion schließlich mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP ab. Mit der Linksfraktion stimmten nur noch die Abgeordneten der Grünen.