Nachdem das Verfassungsgericht den Senat gerügt hatte, antwortet er jetzt auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Roland Heintze. Der Politiker fordert eine zentrale Ansprechstelle für anonyme Beschwerden.

Hamburg Bei der Stadt Hamburg sind seit März 2011 mehr als 2200 anonyme Schreiben eingegangen, das sind zwei bis drei pro Tag. Davon waren 1153 Anzeigen an die Steuerverwaltung in der Finanzbehörde und ans Finanzamt für Prüfungsdienste gerichtet. Rund 1060 anonyme E-Mails und Schreiben erhielten die anderen Behörden, das Bürgermeisterbüro und die Bezirke. Diese Zahlen gehen aus einer 53 Seiten umfassenden Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Roland Heintze hervor, die dem Abendblatt vorliegt.

Auf diese Antwort musste der CDU-Politiker jedoch lange warten, genauer gesagt gut anderthalb Jahre. Seine erste Kleine Anfrage zum Thema „Anonyme Schreiben an den Senat“ hatte Heintze schon im Mai 2012 gestellt, drei weitere folgten. Die Auskunft zu den Inhalten der Schreiben hatte der Senat jedoch verweigert, da Heintze den Rahmen des Fragerechts überschreite. Damit gab sich der Abgeordnete nicht zufrieden und verklagte den Senat – mit Erfolg.

Vor zweieinhalb Wochen hatte das Hamburgische Verfassungsgericht entschieden, dass der Senat die Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten nicht ausreichend beantwortet und damit seine Rechte verletzt habe. Der Umgang des Senats mit anonymen Schreiben sei eine Verwaltungstätigkeit und damit eine öffentliche Angelegenheit, urteilte das Gericht. Roland Heintze forderte daraufhin, dass Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nun Konsequenzen ziehe.

Jetzt hat der Senat zwar Antworten geliefert. Aber zufrieden ist Heintze trotzdem nicht: „Es ist eine Frechheit, dass der Senat auf die Frage nach den Konsequenzen, die er aus dem Gerichtsurteil zieht, lediglich antwortet, dass er das Urteil beachten wird.“ Er erwarte, dass der Senat über sein Vorgehen Auskunft gibt, wie er künftig mit anonymen Schreiben und dazu gestellten Kleinen Anfragen umgeht. „Der Senat muss transparenter damit umgehen. Anonyme Schreiben an den Senat sind von öffentlichem Interesse.“

Angesichts der Fülle der anonymen Anzeigen sei die Senatskanzlei mit der Bearbeitung allein wohl überfordert, vermutet Heintze. Deshalb schlägt er vor, einen Mitarbeiter extra für diesen Bereich abzustellen. „Es sollte eine zentrale Ansprechstelle für anonyme Beschwerden geben. Diese kann gerade in Zeiten der Alleinherrschaft einer Partei eine zusätzliche Kontrolle der Regierung gewährleisten.“ Dieser Mitarbeiter könne die Schreiben koordinieren, konkrete Hinweise von Verschwörungstheorien trennen und bei der Aufklärung durch Behörden nachhaken. Aus der Senatsantwort geht hervor, dass das Bürgermeisterbüro und Bürgerbüro seit März 2011 genau 52 anonyme Schreiben erhalten haben – mit sehr unterschiedlichem Inhalt. Die Verfasser kritisieren etwa die Personalpolitik des städtischen Wohnungsunternehmens Saga GWG, fordern eine harte Haltung des Senats gegenüber den afrikanischen Flüchtlingen, beschweren sich über Prostituierte am Hans-Albers-Platz oder drohen, Flugzeuge „auf Chemiefabriken in Brunsbüttel“ stürzen zu lassen. „Auffällig ist, dass das Bürgermeisterbüro die Schreiben nur recht spärlich an die zuständigen Stellen weiterleitet“, bemängelt Heintze. Nur in 18 Fällen sei das geschehen. „Kritik an der HSH Nordbank, die das Bürgermeisterbüro am 2. Januar 2013 anonym erhielt, wurde etwa nicht an die Finanzbehörde weitergeleitet.“

Aus der Senatsantwort wird auch ersichtlich, welche anonymen Anzeigen erfolgreich waren. So erhielt die Schulbehörde drei Schreiben, in denen sich der Verfasser über „Gewaltbereitschaft und sexuelle Grenzüberschreitungen von Beschäftigten“ beschwerte. Daraufhin wurden in zwei Fällen arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen die Beschäftigten eingeleitet. Das Bezirksamt Bergedorf wurde durch anonyme Hinweise auf eine Person aufmerksam, die zu viel Sozialhilfe bekommt, da sie eine ausländische Rente verschweigt. Nach der Überprüfung wurde die überzahlte Sozialhilfe ermittelt und zurückgefordert.