CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich zu den Berliner Beschlüssen. Kritik an Olaf Scholz

Hamburg. CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich hat Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) davor gewarnt, die Vereinbarungen der Großen Koalition vor allem als Möglichkeit für Einsparungen zu werten. „Herr Scholz hat bei seiner Einschätzung mögliche Entlastungen in den Vordergrund gerückt“, sagte Wersich dem „Abendblatt“. „Dabei muss es vor allem darum gehen, die Chancen zu ergreifen, die sich für unsere Stadt aus dem Koalitionsvertrag ergeben.“ So müsse der Senat die Spielräume nutzen, um zum Beispiel die Hochschulen zu stärken.

„Es darf nicht sein, dass Hamburg Geld einspart, weil der Bund mehr für die Bildung bereitstellt“, so Wersich. „Das Ziel ist es ja gerade, die Qualität von Kitas, Schulen und Hochschulen zu verbessern. Das darf der Hamburger Senat nicht konterkarieren, indem er die eigenen Mittel in diesem Bereich nun kürzt.“ Olaf Scholz hatte am Donnerstag vor allem betont, dass Hamburg etwa bei den Eingliederungshilfen und bei der Finanzierung von Kitas, Schulen und Hochschulen durch Bundesmittel entlastet werde. Dabei geht es um ein Volumen von etwa 250 Millionen Euro.

Insgesamt sei der Koalitionsvertrag ein guter Kompromiss, sagte Wersich. Die Beschlüsse zu gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und zum Staatsbürgerrecht mit Abschaffung der Optionspflicht für Migrantenkinder seien auch aus großstädtischer Sicht richtig. Enttäuscht zeigte sich Wersich darüber, dass zwar fünf Milliarden Euro zusätzlich für die Infrastruktur bewilligt wurden, aber damit noch keine konkreten Maßnahmen festgelegt worden seien und die Verhandler sich nicht auf konkrete Beschlüsse zur Sanierung und Modernisierung der Infrastruktur einigen konnten. „Der Senat muss mit den Regierungen der Nachbarländer dafür sorgen, dass künftig deutlich mehr Mittel zum Erhalt der Infrastruktur in den deutschen Norden fließen als bisher.“

Wie sich das Regierungsbündnis auf die Hamburger Politik auswirke, sei noch nicht abzusehen, so Wersich. Klar sei, dass der Senat künftig nicht mehr die Schuld für alle Probleme auf den Bund schieben könne. „Die Zeit der billigen Ausreden ist vorbei.“ Bemerkenswert sei, dass die Bundesregierung und ihr Programm mehr oder weniger deutlich aus den Bundesländern heraus bestimmt worden sei, sagte Wersich. „Das hat es so bisher noch nicht gegeben, und es ist auch so im Grundgesetz nicht vorgesehen.“

Dass die SPD nun ihre Mitglieder befrage, sei eine „innerparteiliche Angelegenheit“, so der CDU-Politiker. Er halte das Verfahren jedoch für eine „Farce“, denn in Wahrheit stimmten die Parteimitglieder gar nicht über den Koalitionsvertrag ab, sondern über die Politik- und Regierungsfähigkeit der SPD. Das sei den Mitgliedern auch bewusst. Das Motto der Abstimmung laute „Friss Vogel, oder stirb“. Eine echte Stärkung innerparteilicher Demokratie könne er darin nicht erkennen. Deswegen sei das Verfahren kein Modell für die CDU.