CDU und Grüne wollen die Wiederaufnahme der Planungen einer Stadtbahn. Die Bürger sollen diesmal mitentscheiden und hegen mehr Sympathie als angenommen. Auch die SPD ist nicht mehr generell dagegen.
Hamburg. Es scheint, als hätten die Grünen auf ihrer Landesmitgliederversammlung am Wochenende in Wandsbek ein Fass aufgemacht – wenn auch ein Fass mit einem gut abgelagerten Inhalt: Doch ihre Ankündigung, die Hamburger „in einem offenen Dialog von der Stadtbahn zu überzeugen und den Bau in einem Referendum abstimmen zu lassen“, hat die Diskussion um das Mobilitätskonzept binnen 48 Stunden quer durch alle Parteien sowie bei der Hochbahn neu entflammen lassen. Und die Sympathie der Hamburger für einen Stadtbahnbau ist offenbar größer als angenommen.
Wie zu friedlichen schwarz-grünen Koalitionszeiten, als der Bau einer Stadtbahn von CDU und Grünen erstmals beschlossen wurde, gab es auch jetzt wieder Argumentations- und Schützenhilfe – in diesem Fall von Dietrich Wersich. Als das Abendblatt den CDU-Fraktionschef zum Thema „Bürgerbeteiligung“ interviewte und fragte, welche Projekte sich beispielsweise für ein Referendum eignen könnten, sagte er: „Wir brauchen den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, die Stadtbahn könnte eine solche Frage sein.“ Der CDU-Verkehrsexperte Klaus-Peter Hesse wird noch konkreter: „Wir wollen die Wiederaufnahme der Planungen, aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und die Hamburger frühzeitig an den Planungen beteiligen.“ Für Wersichs Parteifreund steht fest: „Die Stadtbahn ist das Verkehrsmittel der Zukunft.“ Diese könne umweltfreundlich und leistungsstark bisher schlecht erschlossene Stadtteile wie Steilshoop und Osdorf sowie die Arenen besser anbinden. Außerdem würde mit der Stadtbahn der durch die stetig wachsenden Fahrgastzahlen gestiegene Bedarf gedeckt, so Hesse weiter.
Mit der neuen Sympathiewelle für die Stadtbahn wird ein politisches Vermächtnis des Kurzzeit-Bürgermeisters Christoph Ahlhaus (CDU) beerdigt. Der hatte das auf rund eine Milliarde Euro Baukosten geschätzte Stadtbahnprojekt vor beinahe genau drei Jahren gestrichen. Ahlhaus begründete den Schritt damals zum einen mit den hohen Kosten, zum anderen mit der umstrittenen Trassenführung der ersten geplanten Strecke von Bramfeld nach Altona über den Winterhuder Marktplatz, gegen die Bürger bereits „massive Proteste“ angekündigt hatten.
Neue Vorstellungen über die Trassenführung haben daher die Grünen. So favorisieren sie eine Strecke über die Elbbrücken auf die Elbinsel Wilhelmsburg, vor allem um die dortige (und in Spitzenzeiten hoffnungslos überfüllte) Buslinie 13 zu entlasten. Außerdem schlagen sie den Bau einer Stadtbahn zwischen der Innenstadt und Niendorf vor, statt der Metrobuslinie 5, die täglich von bis zu 60.000 Fahrgästen genutzt wird: „In einer Großstadt ist die Stadtbahn ein wesentliches Verkehrsmittel, um viele Menschen von A nach B zu bringen, weil sie das wirtschaftlichste und nachhaltigste Massenfahrzeug ist“, sagte Grünen-Verkehrsexperte Till Steffen.
Die bisher ablehnende Haltung der SPD bröckelt offenbar ebenfalls, aber nur langsam: Auf Abendblatt-Anfrage sagte Ole Thorben Buschhüter (SPD), Vorsitzender des Verkehrsausschusses der Bürgerschaft: „Die Stadtbahn auf Teufel komm raus zu wollen, ist genauso verkehrt, wie sie aus Prinzip rundweg abzulehnen.“ Zurzeit seien eben die Projekte S4, U4 und S21 wichtiger, so Buschhüter weiter. Einzig FDP-Verkehrsexperte Wieland Schinnenburg glaubt nicht an das neue Verkehrsmittel: „Die Idee eines Stadtbahn-Referendums ist gut. Dann würden die schwarz-grünen Befürworter erleben, dass die Mehrheit der Hamburger die ungeheuren Kosten und jahrelangen Behinderungen durch die Errichtung einer Stadtbahn ablehnt.“
Einen wichtigen Diskussionspart nimmt die Hochbahn ein, die bei einer Wiederaufnahme der Planung federführend wäre: „Grundsätzlich ist die Stadtbahn ein modernes Verkehrsmittel, das allerdings mit hohen Investitionskosten verbunden ist“, sagte Sprecher Christoph Kreienbaum. Zurzeit sei bei dem städtischen Verkehrsunternehmen jedoch niemand mit diesem Thema beschäftigt: „Es gibt keine Pläne für eine Stadtbahn, weder auf dem Schreibtisch, noch in irgendeiner Schublade“, sagte Kreienbaum.
Grünes Licht gibt es vom Hamburger Verkehrsverbund (HVV): „Sollte es einen politischen Auftrag geben, die Stadtbahnpläne wieder aufleben zu lassen, werden wir diesen umsetzen. Aber zurzeit konzentrieren wir uns auf die Begleitung des Busbeschleunigungsprogramms“, sagte Sprecher Rainer Vohl – ein umstrittenes Programm, für das der Senat rund 259 Millionen Euro ausgeben will. Bis 2016 sollen neun Buslinien optimiert werden, bis zum Jahr 2020 insgesamt 14 Linien.