Gerangel nimmt weiter zu. Juristin Petra Raßfeld-Wilske kandidiert gegen Herlind Gundelach um Platz drei für den Bundestag.
Hamburg. Kurz vor dem CDU-Parteitag zur Nominierung der Bundestagskandidaten am Wochenende nimmt das Gerangel um die aussichtsreichsten Plätze weiter zu: Die Rechtsanwältin Petra Raßfeld-Wilske will auf dem Listenplatz drei gegen die frühere Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach kandidieren. Den vierten Rang machen sich bereits die Direktkandidaten Frank Schira (Wandsbek) und Dirk Fischer (Nord) streitig. Auch für den fünften, nicht mehr sicheren Platz dürfte es mehrere Bewerber geben, je nach Ausgang der vorherigen Wahlgänge.
Dass Raßfeld-Wilske überhaupt antritt, ist für viele Parteifreunde eine Überraschung, dass sie gegen eine Frau kandidiert, erst recht. Die 43 Jahre alte Juristin, die in der Union bislang nicht groß in Erscheinung getreten ist, war zwar als CDU-Direktkandidatin im Wahlkreis Nord / Alstertal am Bundestagsabgeordneten Fischer gescheitert, fühlt sich aber durch den knappen Ausgang ermuntert. "Das war ein ernst zu nehmendes Ergebnis, noch dazu, weil ich vorher nicht getrommelt habe", sagt Raßfeld-Wilske im Gespräch mit dem Abendblatt. "Das zeigt, dass die Partei in Bewegung ist." Bei der Mitgliederentscheidung entfielen auf Fischer 126 Stimmen, Raßfeld-Wilske kam auf 101.
Die Rechtsanwältin begründet ihre Bundestagskandidatur mit der aus ihrer Sicht notwendigen Erneuerung. Allein mit etablierten Berufspolitikern wie Parteichef Marcus Weinberg, dem Finanzexperten Rüdiger Kruse, Gundelach, Fischer und Schira "sollten wir nicht in die Bundestagswahl gehen", sagt Raßfeld-Wilske. "Wir müssen ein Zeichen der Verjüngung mit neuen Köpfen setzen und sollten auch Menschen aus dem normalen Leben eine Chance geben", sagt sie selbstbewusst.
Die dreifache Mutter, die als Fachanwältin für Steuerrecht in einer renommierten Hamburger Kanzlei arbeitet, will sich in Berlin vor allem um Familienpolitik kümmern und dabei Themen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Väter und Mütter, den Kita-Ausbau und die Karrierechancen von Frauen nach dem Wiedereinstieg in den Beruf in den Blick nehmen. Aus Raßfeld-Wilskes Sicht muss gerade ein CDU-Landesverband in einer Stadt wie Hamburg diese Themenbereiche kompetent ausfüllen. "Ich finde, durch das bisherige Kandidatentableau ist das nicht abgedeckt", sagt die Anwältin.
Raßfeld-Wilske glaubt, dass sie sich mit ihrem politischen Profil am ehesten gegen die 20 Jahre ältere Herlind Gundelach durchsetzen kann. Ein weiterer Punkt kommt hinzu. "Ich möchte, dass wir aufwachen in der CDU. Um das zu erreichen, muss ich früh angreifen", sagt Raßfeld-Wilske. Soll heißen: möglichst weit vorne auf der Liste. Dass nun eine Frau gegen die andere kandidiert in der Männer-dominierten Partei, sieht Raßfeld-Wilske nicht als Problem an. "Wenn wir als Frauen ernst genommen werden wollen in der Partei, dürfen für uns keine anderen Spielregeln gelten", sagt die Juristin. Dann sind auch Kampfkandidaturen von Frauen kein Tabu.
Raßfeld-Wilske weiß, dass sie mit ihrer Bewerbung gegen die Festlegung der Parteispitze rebelliert. In der Landes-CDU werden die Listenkandidaten für Wahlen vorab im 17er-Ausschuss festgezurrt. In dem informellen Gremium sitzen neben der Parteispitze um Marcus Weinberg Vertreter aller sieben Kreisverbände. Im Vorschlag des 17ers sind in der Regel die Interessen der mächtigen Kreisverbände austariert. Das macht es jedem unabhängigen Bewerber schwer, gegen einen "gesetzten" Kandidaten erfolgreich zu sein.
Es ist daher kein Zufall, dass die ersten Plätze auf dem Listenvorschlag mit je einem Kandidaten aus den wichtigsten Kreisverbänden besetzt sind. Parteichef Weinberg, der auf Platz eins antritt, kommt aus Altona. Der Eimsbütteler Kruse tritt auf Platz zwei an. Die Nominierung der beiden Bundestagsabgeordneten, die auch direkt in den Wahlkreisen kandidieren, gilt als ungefährdet. Gundelach ist Direktkandidatin im Wahlkreis Harburg/Bergedorf und Vorsitzende der CDU Mitte. Auf Platz vier konnte sich der Wandsbeker Schira nur sehr knapp im 17er-Ausschuss gegen Fischer durchsetzen, der ihm diese Positionierung auf dem Parteitag nun streitig machen will.
Zwar hat der Kandidat auf Listenplatz fünf wahrscheinlich nur noch geringe Chancen, in den Bundestag einzuziehen. Trotzdem könnte das Gedränge hier besonders groß sein. Die Verlierer der Auseinandersetzungen um Platz drei und vier könnten noch einmal ihr Glück versuchen. Zudem gilt als möglich, dass auch der Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke antritt. Klimke hatte bei der Direktkandidatur gegenüber Schira das Nachsehen und könnte nun versucht sein, seinen Widersacher auf dem Parteitag herauszufordern.