Die Hansestadt Hamburg setzt als erstes Bundesland das Konzept um. Grüne, Linke und der Wohlfahrtsverband kritisieren das Konzept.
Hamburg. "Dies ist ein guter Tag für Hamburg, und für mich ist es eine Herzensangelegenheit." Mit diesen Worten eröffnete der Erste Bürgermeister Olaf Scholz gestern die deutschlandweit erste Jugendberufsagentur in Hamburg, mit der die Stadt als erstes Bundesland flächendeckend junge Menschen zuverlässig und gezielt in Ausbildung und Arbeit vermitteln will. Gemeinsam mit Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock und Friedhelm Siepe, Geschäftsführer des Jobcenters, besuchte er die Mitarbeiter an ihrem neuen Arbeitsplatz an der Norderstraße in direkter Nachbarschaft zur Arbeitsagentur. Am ersten Tag hatten bis zum Mittag bereits 90 Jugendliche das Angebot in Anspruch genommen.
Konkret richtet sich die neue Einrichtung an Hamburger unter 25 Jahren, die nach dem Ende ihrer Schullaufbahn Hilfe bei den Übergängen ins Studium oder in die Ausbildung benötigen. "Wir wollen sie begleiten und, wenn nötig, auch anschieben", sagt Olaf Scholz. "Jeder und jede Einzelne ist wichtig - auch mir ganz persönlich. Auch dann, wenn es an der nötigen Eigeninitiative zunächst fehlt." Dies sei der Sinn einer Jugendberufsagentur.
Auf Bundesebene liegt Hamburg, wenn es um die Jugendarbeitslosigkeit geht, unter dem Durchschnitt. Deutschlandweit waren im vergangenen Jahr 323 000 junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren arbeitslos. Das sind sieben Prozent dieser Altersgruppe. Mit 5425 arbeitslosen Jugendlichen in diesem Zeitraum verzeichnete Hamburg einen Wert von 5,8 Prozent. Im Vergleich dazu: 7,4 Prozent aller Hamburger waren im vergangenen Jahr arbeitslos. Kein Grund jedoch für den Jobcenter-Chef Friedhelm Siepe, sich "zurückzulehnen", wie er sagt.
"Es macht mich betroffen, wenn ich sehe, dass auch in Hamburg junge Menschen ihre Lebensperspektive mit Arbeitslosigkeit und Transferleistungen beginnen, selbst wenn es keine Rekordzahlen sind", so Siepe. "Jeder Einzelne ist einer zu viel. Wir können und sollten es uns auch gesellschaftlich nicht leisten, junge Menschen ohne Berufsperspektive zu lassen."
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Die Neuheit der Einrichtung: Bisher arbeiteten alle zuständigen Institutionen, also Agentur für Arbeit, Jobcenter team.arbeit.hamburg und das Hamburger Institut für Berufliche Bildung an verschiedenen Orten. Ab sofort helfen Beraterinnen und Berater zentral gebündelt bei der Suche nach Ausbildungsplätzen, bei verschiedenen Studienwünschen, aber auch bei drohenden Ausbildungsabbrüchen oder bei der Suche nach beruflichen Orientierungsangeboten. Fachleute aus der Jugendhilfe der verschiedenen Bezirke sollen den jungen Menschen bei schwierigen persönlichen Problemen helfen.
Friedhelm Siepe appellierte zudem auch an die Hamburger Wirtschaft, den jungen Menschen eine Chance zu geben und nicht nur auf Schulnoten bei der Auswahl der Auszubildenden zu achten, "denn handwerkliches Geschick korrespondiert nicht automatisch mit einer Rechtschreibschwäche".
107 Mitarbeiter sind ab sofort in der neuen Einrichtung in Mitte beschäftigt, in Harburg sind es insgesamt 50. Rund 220 000 Euro wurden für den Ausbau der zwei Standorte in die Hand genommen. Geplant ist, bis 2014 in allen sieben Bezirken eine solche Jugendberufsagentur einzurichten, in denen 318 Mitarbeiter beschäftigt sein werden.
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Doch nicht alle Vertreter der Hamburger Politik sind vom Konzept der Jugendberufsagentur überzeugt. Befürwortet wird es von Robert Heinemann, dem schulpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion. Er bewertet die Eröffnung "in Zeiten eines immer stärkeren Fachkräftemangels" als einen Schritt in die richtige Richtung. Zudem betont er, dass die CDU nach Beginn der laufenden Wahlperiode in einem Antrag bereits ein solches Konzept angeregt hatte. "Ich freue mich daher, dass die SPD trotz anfänglicher Ablehnung unsere Initiative aufgenommen hat." Auch die FDP-Fraktion begrüßt den Vorstoß, fordert nun jedoch einen Schulterschluss mit der Hamburger Wirtschaft, die "nicht nur eine Worthülse" sein dürfe, so Anna von Treuenfels, bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. Eine solche Zusammenarbeit müsse in der täglichen Praxis umgesetzt werden.
Kritik üben die Grünen und die Linksfraktion der Hamburgischen Bürgerschaft. Dora Heyenn (Die Linke) betont, dass die Gefahr bestünde, dass das Angebot in eine Verfolgungsbetreuung ausarten könnte. Jugendliche hätten die Wahl, entweder das Angebot anzunehmen oder mit Sanktionen rechnen zu müssen. Anna von Berg, schulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, kritisiert die fehlende Einbindung von freien Trägern.
Eine weitaus stärkere Kritik äußert der Paritätische Wohlfahrtsverband, der die Eröffnung der Jugendberufsagentur als "viel Lärm um nichts" bezeichnet. Statt Jugendlichen Freiräume zu bieten, die sie bräuchten, um selbstständig ihren eigenen Weg zu finden, versuche der Senat, sie mit "fürsorglicher Belagerung" in die Jugendberufsagenturen zu zwingen.