Acht Jahre lang hat Jörg Debatin die Hamburger Klinik mit dem größten Medizinspektrum gesteuert. Am Freitag hört Debatin als UKE-Chef auf.
Hamburg. Es gibt diese Chefs, die werden geliebt und sie werden gehasst. Manchmal schlagen diese beiden gegensätzlichen Gefühls-Seelen in einer Brust. Dann möchte der Untergebene in seiner Hassliebe - natürlich nur in träumerischer Fantasie - dem Chef am liebsten ein Messer hinterrücks ins Herz stoßen, um dann weinend über seiner Leiche zusammenzubrechen.
Zurück in die Wirklichkeit: Jörg Debatin , 49, der quirlige, erfolgreiche, aber auch von einigen ungeliebte Chef, verlässt am Freitag das UKE. Acht Jahre lang hat er die Hamburger Klinik mit dem größten Medizinspektrum gesteuert, eine Aufgabe mit "Gestaltungsmöglichkeiten", die so enorm seien, "dass ich dafür Verluste in Kauf nehme". Das hatte er 2003 beim Dienstantritt geantwortet auf die Frage, was einen Vollblutmediziner und Radiologie-Chefarzt des Uniklinikums Essen mit Lebensstellung dazu treibt, einen Fünf-Jahresvertrag als UKE-Chef zu unterschreiben.
Der im Rheinland Aufgewachsene kam als Außenstehender. Er hatte nie unter dem Gefühl mancher UKE-Mediziner gelitten, mit ihrer Klinik nicht prahlen zu können nach immer neuen Skandalmeldungen über verstrahlte Krebspatienten, beurlaubte Ärzte, heruntergekommene Gebäude und tiefrote Zahlen. Eines hat Debatin vom ersten Tag an den Mitarbeitern zurückgegeben: den Stolz, am UKE zu arbeiten.
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Für ihn, der außer Medizin in Heidelberg auch Wirtschaftswissenschaften in St. Gallen studiert hat, hieß das auch: Wir müssen eine "schwarze Null" hinkriegen, also mit dem Geld auskommen, das wir für die Behandlung von Patienten sowie für die Forschung bekommen. Für eine Uniklinik bedeutet das - zumal in Zeiten bewegter Rotstiftpolitik - einen Spagat zwischen rentablem Klinikbetrieb und einer von Spitzenmedizin begleiteten Forschung. Sein Ziel, das UKE "zu dem besten Universitätsklinikum in Deutschland zu machen", war zu hoch gesteckt. "Wir sind noch lange nicht an der Spitze", musste Debatin vor einem Jahr eingestehen, aber die Forschungsgelder seien in seiner Amtszeit verdoppelt worden, und 2010 stand erstmals auch die "schwarze Null". 2003 hatte das Defizit noch 37 Millionen Euro betragen, 2009 dann "nur" noch 3,7 Millionen Euro.
Debatins Kritiker können diese Leistungen nicht leugnen. So findet auch die Senatorin für Wissenschaft und Forschung, Dorothee Stapelfeldt (SPD), zum Abschied freundliche Worte über den "vehementen Streiter für das UKE". Dass zwischen dem Ärztlichen Direktor und der Rathausspitze nach dem SPD-Wahlsieg mehr distanzierter Respekt als vertrauensvolle Zuneigung herrschte, hat der ehemalige UKE-Chef-Kardiologe, Prof. Thomas Meinertz, in den internen "UKE-News" offen formuliert: Die "Ignoranz der Politik" habe Debatin "aus dem Amt getrieben" ebenso wie die "Egomanie bestimmter Professoren".
Da ist er wieder, der wunde Punkt im UKE, die spürbare Spannung, wenn ein bisweilen ruppig auftretender Chef neue Wege geht und Eminenzen mit Titeln und verdienstvoller Vergangenheit nicht unbedingt folgen wollen. Kehrt Debatin ihnen entnervt den Rücken? "Vielleicht hätte man ihn halten können", mutmaßte der Geschäftsbereichsleiter PRO (Personal, Recht, Organisation im UKE) im selben Blatt. Was verrät uns jenseits von Spekulation das Naturell über Jörg Debatin? Auf den umtriebigen Mann scheint eher zuzutreffen, dass er den Zeitpunkt seines Absprungs gerne selbst bestimmen will - und in einer neuen Aufgabe auch einen neuen Reiz sieht, zumal er als Leiter der Amedes AG, eines deutschlandweiten Labordienstes, mit "mehr unternehmerischer Verantwortung" ausgestattet sei.
Herausforderung ist schließlich sein Geschäft. Das hat Debatin bewiesen beim Bau des zentralen Klinikums, dessen Kostenrahmen von 188 Millionen Euro eingehalten wurde - und das trotz desselben Bauunternehmens (Hochtief), das bei der Elbphilharmonie andere Schlagzeilen macht. Auch die EHEC-Krise und der folgende Patientenansturm haben Debatins Tatkraft mehr angespornt als geschwächt.
Jeder Nachfolger, ob Mann oder Frau, wird es schwer haben. Vielleicht muss auch erst eine gewisse Zeit ins Land gehen, bis ein Neuer unbefangen in diese Fußstapfen treten kann. Nichts deutet darauf hin, dass der kommissarische UKE-Direktor Prof. Dr. Guido Sauter und seine vier Vorstandskollegen das Steuerrad bald weitergeben könnten. Noch gibt es laut Behörde keine Findungskommission und keine Ausschreibung für die Spitzenposition.
Nicht alle haben es so eilig wie der scheidende UKE-Chef.