Der Bezirk wil den Verkauf des verfallenden Hertie-Gebäudes in Barmbek forcieren. Ungeklärte Eigentumsfragen allerdings als Hindernis.
Hamburg. Passanten eilen an dem großen Gebäude vorbei. Viele schauen zu Boden, bis sie die beschmierte und beklebte Fassade hinter sich gelassen haben, als wollten sie jeden Blick auf das heruntergekommene Haus vermeiden. Keiner schlendert hier gemütlich entlang oder bleibt gar freiwillig stehen. "Das ist ein Schandfleck für die ganze Ecke", sagt Axel Schulz, 74, Rentner aus Farmsen, über das ehemalige Hertie-Kaufhaus am Barmbeker Bahnhof. Er ist oft in dem Stadtteil unterwegs. "Das sieht einfach ekelhaft aus und passt nicht hierher." Genauso sieht es Inge Koch. Die 77-Jährige Barmbekerin ärgert sich täglich über das Gebäude. "Hier liegt Dreck rum, es stinkt", sagt sie entrüstet. "Das ist furchtbar."
Das seit 2009 geschlossene Hertie-Gebäude liegt direkt am Nordausgang des Bahnhofs Barmbek, der täglich von bis zu 60 000 Menschen genutzt wird und zu den größten Verkehrsknotenpunkten Hamburgs zählt. Er wird derzeit umgebaut und modernisiert. 2014 sollen die Arbeiten fertig sein. Jahrzehntelang nutzten nicht nur die Barmbeker die komfortable Einkaufsmöglichkeit des Kaufhauses, sondern auch die Fahrgäste von Bus und Bahn, um beim Umsteigen einzukaufen. Zum großen Sortiment gehörte auch ein Lebensmittelgeschäft im Untergeschoss.
Anwohner ärgern sich nicht nur über den Verfall des großen Gebäudes, sondern vor allem auch darüber, dass seit der Schließung bestimmte Einkaufsgelegenheiten im Viertel fehlen. "Wir haben in dem Stadtteil keine Möglichkeit mehr, so etwas wie Kurzwaren zu bekommen", sagt beispielsweise Ursula Stöver, 84, die in Barmbek wohnt. "Und weil es auch keine kleinen Läden mehr gibt, wird das Einkaufen immer schwieriger."
Doch das soll sich nun endlich ändern: Der Bezirk Nord will zusammen mit dem Senat und den Fachbehörden einen Plan entwickeln, um möglichst schnell einen Verkauf der Hertie-Immobilie zu ermöglichen. "Es gibt so viele Interessenten, da fragt sich der Normalbürger, warum nichts vorangeht", sagt Bezirkschef Wolfgang Kopitzsch (SPD). Die Zahl der Projektentwickler und Investoren, die bereit seien zu kaufen, sei zweistellig. Aber bisher scheitert der Verkauf an den aus Sicht des Bezirks nicht eindeutig geklärten Eigentumsverhältnissen.
Nun wollen Senat und Bezirk bis zum Ende des Sommers das komplizierte juristische Geflecht entwirren, um Druck auf die Eigentümer auszuüben. Auch die Frage, wie erfolgreich ein Gerichtsverfahren sein kann, wird geklärt. "Wir prüfen weiter, ob die Stadt Hamburg ein Vorkaufsrecht hat", sagt Kopitzsch.
Die Hertie-Filiale war im August 2009 wegen Insolvenz geschlossen worden. Die Barmbeker Filiale gehörte dabei zu einer ganzen Reihe von Hertie-Häusern, die zuvor vom Karstadt-Quelle-Konzern (später in Arcandor umbenannt) an den Investor Dawnay Day verkauft worden war.
Doch genau dieser Verkauf ist zweifelhaft. "Die Immobilie ist nicht auf den Markt zu bringen, weil Dawnay Day vielleicht gar nicht der Eigentümer ist", sagt Wolfgang Kopitzsch. "Das Hertie-Haus steht im Mittelpunkt eines Konfliktes, der zwischen der insolventen Firma Arcandor und Dawnay Day ausgetragen wird." Der Grundbuch-Eintrag sei an dieser Stelle nicht eindeutig.
Einen neuen Aspekt brachte jetzt ein Schreiben des Insolvenzverwalters von Arcandor an den Bezirk. Bezirksamtsleiter Kopitzsch: "Darin steht, dass auf der Immobilie zusammen mit 73 weiteren Immobilien eine globale Finanzierungsschuld der Deutschen Bank in Höhe von 320 Millionen Euro liegt." Das, so Kopitzsch, habe der Bezirk geahnt, aber nicht offiziell gewusst. "Kein Mensch kauft ein derart belastetes Grundstück", sagt Bezirkssprecher Peter Hansen. "Denn es würde ihm nicht gehören." Das Hertie-Grundstück habe einen Wert von rund acht Millionen Euro. Peter Hansen: "Der Grundbucheintrag muss raus."
Um einen möglichen Verkauf zu erleichtern, will die Stadt jetzt die Beteiligten zu einer Entscheidung drängen. Bis zum Ende des Sommers werden die rechtlichen Möglichkeiten nun geprüft.
Die "Barmbeker Bürgerinitiative" begrüßt den Vorstoß des Bezirks. "Das ist genau in unserem Sinne", sagt deren Vorsitzender Ulrich Hoffmann. "Der Konflikt darf nicht auf dem Rücken der Bürger ausgetragen werden, deshalb ist es wichtig, allen Möglichkeiten nachzugehen. Die Stadt muss da sofort eingreifen." Im Februar hatte die Initiative zu einem Informationsabend eingeladen, zu dem mehr als 200 Barmbeker kamen und auf dem es vonseiten des Bezirksamts noch hieß, dass die Politik nichts tun könne.
Was wünscht sich der Bezirksamtsleiter statt des alten Hertie-Hauses?
Wichtig sei vor allem ein "vernünftiger Einzelhandel", so Wolfgang Kopitzsch, "und die Eingangssituation zur Fuhlsbüttler Straße muss verbessert werden." Die meisten Investoren hielten ein Shop-in-Shop-System dort für erfolgreich, denn ein reines Kaufhaus sei wohl unrentabel. Auch Wohnungen seien dort möglich. Allerdings müsse bei jeder neuen Bebauung eine Tiefgarage dabei sein. Die maximale Bauhöhe, so heißt es im Bezirk, sei sechs Stockwerke. Hauptsache, der Schandfleck verschwindet.