Der DLRG fordert mehr Schwimmunterricht an Hamburger Schulen. Das Seepferdchen-Abzeichen sei lediglich ein Motivationsabzeichen.
Hamburg. Die Nichtschwimmerquote unter Viertklässlern in Hamburg ist dramatischer als bislang angenommen: 46,7 Prozent der Schüler können sich nicht sicher über Wasser halten, in sozial schwachen Stadtteilen können häufig sogar nur weniger als fünf Prozent der etwa Zehnjährigen schwimmen. "Bisher sind wir von insgesamt 43 Prozent Nichtschwimmern ausgegangen", sagt Heiko Mählmann, Präsident der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in Hamburg. "Es ist erschreckend, dass sich die Zahl nochmals verschlechtert hat. Politik und Behörde haben das Problem schleifen lassen." Zudem kritisiert Mählmann, wie die Schulbehörde Schwimmfähigkeit von Kindern definiert. "Die Behörde suggeriert Eltern, ihr Kind sei schwimmfähig, wenn es das Seepferdchen-Abzeichen hat und sich 25 Meter über Wasser halten kann - das ist lebensgefährlich." Das Seepferdchen sei ein Motivationsabzeichen. Sicher schwimmen könne ein Kind jedoch erst, wenn es das Bronze-Abzeichen habe.
In einem Brandbrief, der dem Abendblatt vorliegt, fordert Mählmann den Schulsenator Ties Rabe (SPD) auf, "falsche Erklärungen" zur Schwimmfähigkeit zu unterlassen. Die Definition der Behörde verwirre und verunsichere Eltern. In dem Schreiben heißt es: "Es darf nicht sein, dass sich Eltern bei einem bevorstehenden Urlaub an Gewässern in Sicherheit wiegen und denken, ihre Kinder können schwimmen, wenn sie im Schulunterricht 25 Meter geschwommen sind."
Die Schulbehörde reagierte gestern ausweichend auf den Vorwurf der DLRG. Sprecher Peter Albrecht: "Senator Rabe ist sich der Problematik bewusst, sein Ziel ist es, die Schwimmfähigkeit aller Schüler bis zum Ende der Grundschulzeit sicherzustellen."
Die DLRG prangert zudem an, dass die Bäderland Hamburg GmbH - die seit 2006 den im Lehrplan festgeschriebenen Schulschwimmunterricht organisiert - die mit der Schulbehörde vereinbarten Ziel- und Leistungsvereinbarungen nicht erfüllt. Heiko Mählmann: "Ende des vierten Schuljahres sollen mindestens 70 Prozent der Schüler das Bronze-Schwimmabzeichen haben." Das sei in den vergangenen Jahren jedoch nicht erreicht worden.
Dazu sagt Behördensprecher Albrecht: "Senator Rabe lässt zurzeit sehr konkrete Maßnahmen prüfen, um möglichst schon zum nächsten Schuljahr Verbesserungen zu erreichen." Verschiedene Schulen hätten schon jetzt Maßnahmen umgesetzt, zum Beispiel zusätzlichen Schwimmförderunterricht. Allgemein sei festzustellen, dass Eltern sich immer weniger verantwortlich dafür fühlten, dass ihre Kinder schwimmen lernen. Albrecht: "Umso mehr muss Schule diese Aufgabe übernehmen." Heiko Mählmann von der DLRG sieht das ähnlich. "Ein Problem ist, dass vor allem Eltern aus sozial schwachen Stadtteilen es überwiegend der Schule überlassen, ihren Kindern das Schwimmen beizubringen." Zudem gibt es auch Eltern, die ihre Töchter aus religiösen Gründen bewusst vom Schwimmunterricht fernhalten.
Neben Nachhilfeunterricht und "Schwimm-Lern-Camps" in Rahmen von Projektwochen plädiert die DLRG für Wassergewöhnungs-Kurse in Kindergärten. "Das müsste in Hamburg zum Standard werden." Auch die Politik unterstützt Vorschläge von der DLRG. "Nach der Sommerpause streben wir einen interfraktionellen Antrag an, um der negativen Entwicklung entgegenzuwirken", sagt Joachim Bischoff, Linken-Bürgerschaftsabgeordneter. Nötig wären etwa zusätzliche Wasserzeiten in den Bädern für die DLRG, damit sie kostenlose Schwimmkurse für Kinder anbieten könne. Auch der Schwimmunterricht in der Schule müsse etwa durch Projektwochen ausgebaut werden.