Jede Woche berichten die Abendblatt-Redakteure über Hintergründe der Hamburger Landespolitik. Heute: Philip Volkmann-Schluck über Ahlhaus.
Einige Nachbarn tuscheln, als ein dunkler Wagen die Straße im Hamburger Westen bis zur Baustelle hinauffährt. Ein Mann steigt aus, in kurzen Hosen mit Gummistiefeln, schnell läuft er durch den Garten zur Villa, bis er hinter Gerüsten und Folien verschwindet. Es ist der ehemalige Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU), der die Baustelle seines neuen Eigenheims besichtigt, das für rund eine Million Euro Steuergeld gesichert wurde und wird.
Zeit genug hat Ahlhaus, er ist nun Feierabendparlamentarier ohne Fraktionsamt. Nach Abendblatt-Informationen ist er noch immer nicht eingezogen, auch wenn er im neuen Heim bereits im Januar gelegentlich übernachtet haben soll, wie damals eine Sprecherin sagte. Die Villa sieht von außen noch immer aus wie ein Rohbau; man darf annehmen, dass hier gründlich saniert werden muss.
"Tragisch", dieses Wort fällt in Unionskreisen. Wohl auch, weil nicht sicher ist, ob nun Ruhe einkehrt.
Wenn Ahlhaus' künftige Nachbarn die Köpfe zusammenstecken, hier in dieser Villenkolonie, wo Sonne die grünen Gärten durchflutet, sprechen sie auch über die "Panzersperre". Sie meinen den mehr als zwei Meter hohen Zaun ums Grundstück. Zwischen breiten, tief in der Erde verbuddelten Betonpfeilern ragen Stahlspitzen in die Luft. Wie ein Denkmal für die Ewigkeit, allerdings für den Hamburger Bürgermeister mit der kürzesten Amtszeit. So viel Sicherheit hat das Landeskriminalamt zu Zeiten, als Ahlhaus Innensenator war, angeordnet. Der CDU-Politiker hatte jede Kritik stets zu kontern versucht mit dem Hinweis, er habe auf "eigenes Risiko" gar auf Maßnahmen verzichtet.
Doch Details irritieren: "Optisch" sei der verzierte Zaun einer Vorgabe geschuldet, der sogenannten Hochkampklausel, wie der Senat auf Anfrage der Linken mitgeteilt hatte. Diese habe das Ziel, "das städtebauliche Bild, das durch großzügige Villen mit parkartigen Grundstücken geprägt ist, dauerhaft zu garantieren".
Dabei hat die "Reichskanzlei" (so lautet der Sprachgebrauch einiger Anwohner für Christoph Ahlhaus' Villa) das Erscheinungsbild des Viertels ohnehin verändert, kein anderes Haus hier ist so massiv umzäunt. Und in der Hochkampklausel, die dem Abendblatt vorliegt, steht: "Einfriedungen dürfen nicht höher als 1,20 Meter über den Trottoirkantstein hinausragen." Gemauerte Pfeiler sind zudem nicht zwingend verlangt, ein "eisernes Gitter" reicht laut Bauordnung.
Optisch verstößt die "Panzersperre" also ohnehin gegen die Ordnung in der Villenkolonie, aber die Aktenlage im Rathaus ist da offensichtlich eine andere. Ahlhaus selbst hat mit dieser Beurteilung übrigens nichts zu tun. "Anfragen gehen an den Senat, nicht an Personen", heißt es.
Ob und wie intensiv die Hintergründe der Millionen-Sicherung nun weiter durchleuchtet werden, hat auch die SPD-Regierung in der Hand, die nun üppigen Informationszugang hat. "Die Sache ist für uns nicht ad acta gelegt", sagt Fraktionschef Andreas Dressel.
Das klingt aber nicht so, als wolle sich die SPD beeilen mit dem Thema. Hektik ist ohnehin selten angebracht, zumal individuelle Wohnformen ihre Tücken bergen. "Eile tötet", dieses Motto dürften die Sozialdemokraten aufmerksam zur Kenntnis genommen haben. Dieses Schild einer offiziellen Anti-Raser-Kampagne hängt auf der Rückseite eines Bauwagens in Wilhelmsburg. Man liest, dass dort Couscous in den Töpfen köchelt und die Bewohner der kleinen Siedlung Zomia sich von Gewalt distanzieren, auch wenn sie zunächst illegal hierherkamen. Mitte-Bezirksamtschef Markus Schreiber (SPD), gestählt durch die Bambule-Räumung, kündigte an, den Platz zum Ende des Monats räumen zu lassen. Pünktlich zum 1. Mai also; was einigen gewaltbereiten Demonstranten ein willkommener Aufreger sein dürfte. Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Michael Neumann waren nicht eben erfreut über dieses Antrittsgeschenk.
"Wenn ein Genosse den eigenen Senat ärgern will, dann wendet er geltendes Recht an", heißt es in SPD-Kreisen.
Tatsächlich kann Amtsleiter Schreiber sich auf Paragrafen und Beschlüsse der Bezirksversammlung berufen, die das Datum wohl eher aus Nachlässigkeit denn aus Taktik hervorbrachten. Und dennoch war eine symbolträchtige Räumung zum 1. Mai schnell vom Tisch, nachdem Schreiber zum Treffen mit Olaf Scholz gerufen wurde. Das Gespräch dauerte nur 20 Minuten, der Bürgermeister ließ also nicht groß diskutieren. Es gebe eben Unterschiede zwischen der "bezirksrechtlichen Dimension" und der "politischen Dimension". Der Bauwagenplatz wird geräumt, auch laut Abstimmung im Bezirk - aber eben dann, wenn es passt.
Natürlich hätte Schreiber das alles auch hinter den Kulissen regeln können, aber die SPD beschäftigt sich eben gerne mit sich selbst. Dazu hat sie bis zu den Wahlen 2015 viel Zeit. Wie war das noch? "Eile tötet"!