Dorothee Stapelfeldt denkt nicht nur an Eliten. Den Kontakt zum Campus hat sie nicht verloren, obwohl sich seither einiges geändert hat.
Hamburg. Es läuft Reggae-Musik im Café der Pädagogen, als der Kellner die Senatorin nach einem gemeinsamen Bekannten fragt. "Dieses Semester habe ich ihn noch gar nicht beim Studieren gesehen", sagt der Mann mit leicht ergrautem Zopf. Dorothee Stapelfeldt zuckt mit den Schultern, sie offenbar auch nicht. 22 Jahre ist es her, dass sie ihr Studium hier an der Universität Hamburg mit einem Doktor in Kunstgeschichte abschloss. Den Kontakt zum Campus hat sie nicht verloren, obwohl sich seither einiges geändert hat.
"Dieser Zeitdruck, den Studierende heute haben, den gab es damals nicht", sagt Stapelfeldt. "Aber nicht alle konnten umgehen mit dieser Freiheit." Sie selbst habe sie jedoch sehr genossen und auch mal "rumgestöbert" in den Bibliotheken und Lehrveranstaltungen. Ihre Vision folgt diesem freiheitlichen Geist, der auch in Zeiten von Bachelor und Master noch gelten solle. Während viele Bundesländer zusätzliche Mittel vor allem in die Spitzenforschung stecken, ist in Hamburg ein Schwerpunkt, die von der CDU eingeführten Studiengebühren zu kippen. "Die Abschaffung kommt noch in dieser Legislaturperiode", sagt die SPD-Politikerin. Auf ein Datum will sie sich aber nicht festlegen. "Ich hoffe, sie kommt möglichst zügig." Die Entscheidung falle in den kommenden Wochen. 35 Millionen Euro wird das die Stadt jährlich zusätzlich kosten, vielleicht auch etwas mehr, weil der Senat die fehlenden Einnahmen für die Hochschulen ausgleicht.
Der Weg führt vorbei am "Bunker" der Wirtschaftswissenschaften. "Den fanden damals schon alle klotzig", sagt Stapelfeldt. Unten drin hatte sie Anfang der 80er-Jahre ihr Büro als AStA-Vorsitzende. Damals verstand sich das Gremium noch nicht als "Serviceanbieter", wie heute oft zu hören ist, sondern als äußerst politisch. Bei einer Protestaktion sprang Stapelfeldt damals auf den Tisch des Akademischen Senats. Nun begrüßt sie unterwegs eine Dekanin. Die fragt: "Na, hast du dich schon eingearbeitet?" und fügt hinzu "Alles Gute, ist ja nicht so einfach alles."
Vor allem die Sanierung des seit Jahren vernachlässigten Campus dürfte nicht einfach werden. Nachdem zu CDU-Zeiten eine Verlagerung der Uni in den Hafen erwogen wurde, gebe es nun "die Grundsatzentscheidung, die Universität hier auszubauen", sagt die Wissenschaftssenatorin. "Und ausbauen heißt auch wirklich ausbauen." Sie spricht von architektonischer Ausstrahlung und einer "Riesenchance für Hamburg". Konkrete Summen für den Ausbau will sie noch nicht nennen. Im Gespräch sind aber Summen von bis zu einer Milliarde Euro. "Ich hoffe, dass wir 2013 mit einem dreistelligen Millionenbetrag die Arbeiten beginnen." Auch für das efeuberankte Postgebäude an der Schlüterstraße, das ausländische Delegationen regelmäßig mit dem Uni-Hauptgebäude verwechseln, werden Kaufoptionen geprüft: "Es gibt kein anderes Gebäude, das in direktem Uni-Umfeld liegt und so eine große Fläche und große Aufenthaltsqualität bietet."
Man soll sich also wohlfühlen in den neuen Gebäuden. Im Philosophenturm, unweit des Postgebäudes, ist das nicht einfach. Von außen saniert, hängt drinnen der Mief vergangener Jahrzehnte. Stapelfeldt fühlt sich heimisch, sie erinnert sich an die Bilder an den Wänden. "Hörsaal D, das ist der Kokoschka-Hörsaal", sagt sie. Hier hörte sie Vorlesungen über Goethe und revolutionäre Strömungen im Vormärz. "Das war so spannend, ich saß hier noch freitagabends um sechs". Nun steht sie als Senatorin zwischen den leeren Sitzreihen, Licht fällt auf das Bild des Malers Oskar Kokoschka an der Wand.
Es heißt: Der Kampf um die Errettung des Abendlandes.
Für Stapelfeldts Pläne wäre dieser Titel wohl etwas hochtrabend. Aber nach der Ära von Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos), der demokratische Mitbestimmung an den Hochschulen zurückgefahren hat und auf kleinere, gut finanzierte Fachbereiche setzte, folgt Wissenschaftspolitik in Hamburg nun einem anderen Paradigma.
"Die Universität sollte immer ein Ort des gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskurses sein", sagt Stapelfeldt. Dafür müssten die nötigen demokratischen Strukturen geschaffen werden. Sie werde das Hochschulgesetz beherzter überarbeiten, als CDU und Grüne das vorhatten. In den Fakultäten sollen wieder Gremien geschaffen werden. Und der Hochschulrat, von externen Fachleuten besetzt, dürfe nicht mehr alleine über die großen Entwicklungen der Universität entscheiden. Und ihr Draht zu Uni-Präsident Dieter Lenzen? "In dem Jahr, seit wir uns kennen, habe ich Professor Lenzen sehr schätzen gelernt - weil er verstanden hat, was die Universität für ein komplexes System ist, und die internen Probleme erkannt hat", sagt die Senatorin.
Lenzen mahnt stets, dass Hamburg besser beim Exzellenzwettbewerb des Bundes abschneiden müsse und dafür Geld brauche. Immerhin geht es um millionenschwere Fördermittel. Über die würde sich Stapelfeldt auch freuen, sagt sie, begegnet dem wachsenden Wettbewerb aber zurückhaltender. Exzellenz in wenigen Fächern dürfe nicht einziges Kriterium zur Wertschätzung einer Uni werden. "Es ist Aufgabe des Staates, breit aufgestellte Hochschulen zu schaffen. Das Verhältnis der Mittelzuwendung darf nicht kippen."
Zu Beginn ihres Studiums hat Stapelfeldt einige Semester Klassische Archäologie studiert. "Aber ein Kommilitone warnte mich, dass ich damit später keinen Job finde." Sagt's, lacht und steigt in ihren Dienstwagen.