Der scheidende Parteivorsitzende der Hamburger CDU wünscht sich eine klare Analyse des desaströsen Wahlergebnisses.
Hamburg. Mehr Transparenz, mehr Mitsprache und nie mehr Hinterzimmerpolitik: Hamburgs CDU-Basis hat nach dem Debakel bei der Bürgerschaftswahl am 20. Februar bei einem Mitgliederforum am Donnerstagabend kaum ein Stein auf dem anderen gelassen. „Unsere Partei ist zu sehr verstrickt in Cliquenwirtschaft“, sagte etwa die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Karin Prien. Netzwerke teilten sich Macht und Einfluss. Dies müsse aufhören. Mehrere der rund 400 Teilnehmer räumten aber im Bürgerhaus Wilhelmsburg auch ein, dass sie während der Regentschaft der „Lichtgestalt Ole von Beust“ wohl das Denken aufgegeben und nur noch alles durchgewunken hätten. Der scheidende Parteivorsitzende Frank Schira warnte unterdessen die Partei vor einer Selbstzerfleischung.
Die CDU Hamburg hat bei der Wahl am 20. Februar mit 21,9 Prozent ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis eingefahren. Im Vergleich zu 2008 verlor sie 20,7 Punkte. Schira hat deshalb bereits angekündigt, den Parteivorsitz abzugeben und auch nicht mehr als Fraktionschef zu kandidieren. Auch Bürgermeister Christoph Ahlhaus strebt nach eigenen Angaben nicht den Posten des Oppositionsführers an. Um den Fraktionsvorsitz bemüht sich nun Sozialsenator Dietrich Wersich; Parteichef will der Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg werden. Erstmals in der Geschichte der CDU Hamburg soll Schiras Nachfolger als Parteichef im Rahmen einer Mitgliederbefragung gefunden werden. Ein Parteitag werde dies nach den Ferien ermöglichen, sagte Schira.
„Wir haben zu recht verloren“, sagte der Ex-Abgeordnete Fridtjof Kelber. Die CDU habe nicht das Ohr am Volk gehabt. Und seine Kollegin Ingeborg Knipper betonte mit Blick auf das Wahlergebnis: „Das ist kein Denkzettel, das ist ein Denkbuch.“ Vor allem die Abkehr von der traditionellen CDU-Schulpolitik in der schwarz-grünen Koalition erzürnte etliche Parteifreunde. So seien Schulreformgegner in der CDU als Ewiggestrige geziehen worden, klagte Knipper. Das Vorstandsmitglied Karen Koop forderte erneut mehr Frauen in Führungspositionen, Prien schloss sogar eine Quotenregelung nicht aus. Kelber wiederum sprach sich in diesem Zusammenhang für eine gleichberechtigte CDU-Doppelspitze aus einer Frau und einem Mann aus.
Vereinzelt gab es sogar Rücktrittsforderungen gegen den gesamten CDU-Vorstand. Schließlich hätten nicht nur Schira und Ahlhaus das Wahldebakel zu verantworten, sagte das CDU-Mitglied Wolfgang Prinzenberg. Es müssten neue Kandidaten gefunden werden: „Alter Wein in alten Schläuchen stinkt“, betonte er. Kritik gab es aber auch an Ahlhaus’ Vorgänger Beust. Zum einen sei er zur Unzeit zurückgetreten, zum anderen sei der schwarz-grüne Koalitionsvertrag falsch ausgehandelt gewesen. Etliche zweifelten sogar an der schwarz-grünen Koalition insgesamt.
Der Bürgerschaftsabgeordnete Klaus-Peter Hesse warnte wie Schira vor einem Rundumschlag in der Partei: „Die Nestbeschmutzung muss aufhören.“ Ähnlich äußerte sich Weinberg: „Es muss vermieden werden, dass wir jetzt in Grabenkämpfe verfallen.“ Zuvor hatten Schira und Ahlhaus noch einmal Fehler eingeräumt. „Es gibt nichts zu beschönigen“, sagte Schira – und Ahlhaus betonte: „Natürlich trage ich (...) für das Ergebnis die Hauptverantwortung.“ (dpa)