Bürgermeistern platzt jetzt der Kragen wegen verfallender Hertie-Häuser. Juristische Schritte gegen britischen Eigentümer angekündigt.
Rendsburg/Hamburg. Die Bürgermeister der früheren Hertie-Standorte in Schleswig-Holstein haben genug von den leer stehenden und verwahrlosten Kaufhäusern in ihren Städten. Sie wollen den Eigentümer der Immobilien, das britische Finanzhaus Dawnay Day, mit juristischen Mitteln zwingen, die maroden Gebäude instand zu setzen. Die Kommunen berufen sich dabei auf das Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot im Baugesetzbuch, so der Sprecher der Hertie-Standortinitiative, der Rendsburger Bürgermeister Andreas Breitner. Hertie hatte nach seiner Insolvenz im August 2009 auch die sieben Filialen in Schleswig-Holstein geschlossen.
Lesen Sie dazu auch den Abendblatt-Bericht vom 4. Februar 2011:
Hertie-Haus in Barmbek verkommt zur Ruine
Die Fenster sind verhängt, die Türen verrammelt, die Wände beklebt und beschmiert - einen trostlosen Anblick bietet das ehemalige Hertie-Kaufhaus am Barmbeker Bahnhof. Denn das Gebäude - noch vor nicht allzu langer Zeit pulsierender Mittelpunk des Quartiers - verfällt seit anderthalb Jahren.
Wegen dieser "Spekulationsruine" regt sich inzwischen in der Barmbeker Bevölkerung Widerstand, die Rufe nach Hilfe der Politik werden immer lauter. Doch auch die Bezirkspolitiker zeigen sich ratlos: Man könne nichts tun, man wisse schließlich nicht mal, wem das Grundstück gehöre, heißt es.
"Das ist doch unglaublich. Es muss doch wohl einen Grundbucheintrag geben, aus dem hervorgeht, wer der Eigentümer der Hertie-Ruine ist", sagt der ältere Herr, der zu den mehr als 200 Bürgern gehört, die sich am Mittwochabend im Gemeinderaum der Auferstehungskirche am Tieloh versammelt haben. Zu der Versammlung eingeladen hatte die eigens wegen des Hertie-Problems gegründete Barmbeker Bürgerinitiative. Deren Vorsitzende, die Geschäftsmänner Ulrich Hoffmann und Giovanni Sciurba, sitzen nun zwischen Wolfgang Kopitzsch, Leiter des Bezirksamts Nord, und den Spitzen der Barmbeker Fraktionen: Jens Grapengeter (CDU), Ksenija Bekeris (SPD), Peter Heim (Linke), René Gögge (GAL) und Claus-Joachim Dickow (FDP).
Die Lokalpolitiker müssen sich jede Menge Vorwürfe anhören: Sie kümmerten sich nicht um die Sorgen der Barmbeker, nähmen sie nicht ernst und seien schlicht untätig. "Nein, sind wir nicht", entgegnet Wolfgang Kopitzsch energisch. Der Bezirksamts-Chef stellt klar: "Ja, der Hertie-Bau ist ein Schandfleck. Ja, das muss sich ändern. Aber nein, wir Politiker können nichts tun." Denn - so schildern Kopitzsch und die Fraktionsführer in seltener Eintracht - das Hertie-Haus sei "Privateigentum mit ungeklärten Besitzverhältnissen": "Mehrere Parteien behaupten, das Hertie-Haus gehöre ihnen."
Der Wunsch nach Enteignung, wie von vielen Barmbekern gefordert, sei daher zwar nachvollziehbar, aber vollkommen "unrealistisch". Auch ansonsten seien der Politik in Sachen Hertie die Hände gebunden, sagen die Barmbeker Politiker: "Wir können niemanden verpflichten, ein Gebäude zu nutzen. Allein die Sicherheit muss gewährleistet sein."
Selbst wenn es den Politikern zufolge mehrere Investoren gibt, die den alten Hertie-Bau kaufen wollen, wird sich am Status quo des Gebäudes so bald also wohl nichts ändern. "Das ist ein Skandal", finden viele Barmbeker. Schließlich sei der jetzige Zustand einerseits "eine peinliche Visitenkarte für unseren Stadtteil", andererseits biete die Lage des Gebäudes eigentlich "einen genialen Geschäftsstandort". Denn das frühere Hertie-Haus decke mit fast 10.000 Quadratmetern Grundfläche etwa 40 Prozent des Einzelhandelsbereichs in dem Viertel ab. Ulrich Hoffmann und Giovanni Sciurba fordern daher: "Hier muss wieder Einzelhandel einziehen - egal, in welcher Form."
Die Barmbeker Bürgerinitiative will indes weiter Druck machen und neue Nutzungskonzepte für das Hertie-Haus erarbeiten. Sie plant zudem eine Reinigungsaktion entlang des Grundstücks. Am 2. März soll dazu am Tieloh eine zweite Versammlung abgehalten werden. (cb/hpas/reba)