Nur 315 Stimmen wurden im Wahllokal Grundschule Jenfelder Straße abgegeben
Am Anfang schien die Wahlbeteiligung bestens anzulaufen: "Schon drei Minuten nach der Öffnung des Wahllokals wurden die ersten Stimmen abgegeben", sagt Sven Rieck. Sein Schreibtisch ist zugepflastert mit Abstimmungsunterlagen und Informationsmaterial. Der 30-Jährige ist Wahlleiter im Wahllokal Grundschule Jenfelder Straße. Doch seine Hoffnung, dass es einen großen Andrang bei den Urnen geben wird, wurde enttäuscht. "Schnell kristallisierte sich heraus, dass nur etwa alle zehn bis 20 Minuten Leute zum Kreuzchenmachen kommen."
Kurz vor 15 Uhr. Etwa 130 Stimmen sind jetzt abgegeben worden. Sven Rieck und seine vier Kollegen Heidi Gürsu, 50, Christoph Jetz, 40, Manfred Cladow, 50, und Philipp Hark, 28, bekommen nun aber ordentlich zu tun. Denn gerade hat eine Reihe von Wählern die Aula der Grundschule betreten, in der die Urne aufgestellt worden ist. Darunter ist auch Janine Brumme, eine 23-jährige Online-Managerin, die für ihre Identifikation, fürs Ankreuzen und fürs Einwerfen kaum mehr als eine Minute braucht. Als sie das Gebäude verlässt, gibt sie geradezu ein Feuerwerk von Gründen für den Urnengang von sich: "Wählen ist doch eine Bürgerpflicht. Wer will, dass sich was ändert, der muss auch was dafür tun. Außerdem darf hinterher niemand meckern, der sich vorher nicht eingemischt hat."
Viele Menschen, die in dieses Wahllokal kommen, denken ähnlich wie Janine Brumme. "Vor allem jetzt, beim Volksentscheid, muss man wählen", findet etwa Wolfgang Steffen, 64. "Das bedeutet doch ein Stückchen mehr Demokratie, und dieses Stückchen will ich ausleben", sagt der Busfahrer weiter.
"Viele unserer Bekannten glauben, es bringe nichts, zur Wahl zu gehen. Wir sind da anderer Meinung und glauben, dass jede Stimme wichtig ist. Deshalb sind wir hier", sagt Manuel Kunz, 31. Seine Frau Bianca, 32, stimmt zu.
15.40 Uhr. Ein Mann ruft den Wahlhelfern nach dem Urnengang zu: "So, jetzt geh ich mal schnell nach Hause, gucken, ob Ole schon zurückgetreten ist, und wenn ja, warum." Darüber können alldieweil auch Rieck und seine Helfer in Ruhe nachdenken, denn sie haben gerade mal wieder Leerlauf. Für solche Fälle haben sich einige Bücher mitgebracht: Philipp Hark den Schinken "Die Geschichte Roms - eine andere Geschichte der Ewigen Stadt", Christoph Jetz "Unter dem Georgskreuz", eine Marinehistorie. Die anderen, wie just in diesem Moment Heidi Gürsu, trinken einen kräftigen Schluck Wasser. Durch die großflächigen Fenster beobachten die übrigen Wahlhelfer still, wie draußen Wind und Sonnenschein das Laub der Bäume streicheln. Wer zwischendurch an die Aulawände blickt, sieht Kinderzeichnungen von Länderfahnen und Außerirdischen.
"Nicht außer-, eher unterirdisch ist die Wahlbeteiligung bei uns unterm Strich gewesen", resümiert Rieck am Abend. 315 Stimmen seien hier am Ende abgegeben worden. "Hoffen wir mal", sagt Rieck, "dass woanders mehr Zulauf verzeichnet wurde." Wenigstens einen Vorteil habe es, dass in seinem Wahllokal so wenige Stimmen abgegeben worden seien, fügt Rieck schelmisch hinzu: "Zum Auszählen haben wir nur eine Stunde gebraucht. Deshalb können wir jetzt früh Feierabend machen und noch den Sommerabend genießen."