Thomas Böwer galt in der SPD lange als Oberstratege. 2011 war er aus dem Parlament geflogen. Derzeit bastelt er an seinem Comeback.
Hamburg. Dass nicht alles in der Politik planbar ist, hat Thomas Böwer, der lange Zeit in der SPD als Oberstratege galt und manchen Wahlkampf für die Genossen gemanagt hat, in dieser Woche schmerzhaft erfahren müssen. Böwer bastelt derzeit an seinem Comeback, nachdem er bei der Bürgerschaftswahl 2011 überraschend aus dem Parlament geflogen war. Der kampagnenerprobte Sozialdemokrat will Kreisvorsitzender in Eimsbüttel werden und kandidiert gegen Amtsinhaber Milan Pein.
Bislang lief alles ganz gut für Böwer, der zwar über keine Hausmacht verfügt, sich aber im Stillen eines mächtigen Befürworters versichert hatte: Danial Ilkhanipour, der 2009 grandios gescheiterte Eimsbütteler SPD-Bundestagskandidat. Ilkhanipour verfügt nach wie vor über eine erhebliche Anzahl Getreuer im Kreisverband - manche sprechen davon, dass seine Leute 45 Prozent der Kreisdelegierten stellen.
Seit Dienstag ist die Freundschaft zwischen Böwer und Ilkhanipour arg getrübt. In der Eidelstedter SPD sind mit der Bürgerschaftsabgeordneten Martina Koeppen und Armita Karzemi bei den Vorstandswahlen zwei Politikerinnen durchgefallen, die eher dem Ilkhanipour-Lager zugerechnet werden. Und gegen Karzemi hat sich ausgerechnet Böwers Frau Gerlind durchgesetzt. Nun hat Böwer ein Problem.
"Eidelstedt war schon immer Bürgerkriegsgebiet. Und ich bin nicht Kofi Annan", sagt der Stratege in gewohnt markiger Diktion. Das soll heißen: In diesem SPD-Distrikt ging es schon immer drunter und drüber, und er mischt sich nicht ein - schon gar nicht als Friedensfürst. Nur mögen viele in der SPD nicht glauben, dass im Hause Böwer die Lage in Eidelstedt nicht vorab erörtert worden ist.
Der neue Kreischef in Eimsbüttel wird schnell eine knifflige Frage zu beantworten haben: Wer soll im Wahlkreis zur nächsten Bundestagswahl antreten? Seit dem Ilkhanipour-Desaster - der SPD-Kandidat landete auf Platz drei hinter CDU und GAL - ist die Eimsbütteler SPD nicht mehr im Bundestag vertreten. Böwer selbst schließt eine Kandidatur aus. Ob Milan Pein antritt, ist ungewiss. Manch einer hofft auf eine Rückkehr von Niels Annen, den Ilkhanipour einst mit robusten Methoden aus dem Rennen geworfen hatte. Als sicher gilt, dass Annen sich nicht noch einmal einer parteiinternen Kampfkandidatur stellen würde wie 2009.
Vielleicht präsentieren die Eimsbütteler Sozialdemokraten eine Frau als Direktkandidatin. Bürgermeister Olaf Scholz, im Nebenberuf auch Landesvorsitzender der SPD, hat intern schon deutlich gemacht, dass ihm daran liegt, Frauen in den Bundestag zu bringen. Das erhöht die Chancen der Altonaer SPD-Chefin Melanie Schlotzhauer, Nachfolgerin von Scholz als Bundestagskandidatin für den Wahlkreis Altona/Elbvororte zu werden. Hartnäckig hält sich aber das Gerücht, der frühere Landesvorsitzende Mathias Petersen könnte in den Bundestag streben. Scholz hat sich in einem Vieraugengespräch mit Petersen schon nach dessen Ambitionen erkundigt. Aber Petersen mochte sich noch nicht festlegen. Dennoch gilt es als eher unwahrscheinlich, dass der Arzt aus Altona seine Praxis für einen politischen Neustart in Berlin aufgeben würde.
Petersen ist nicht Scholz' einzige Sorge. Die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Aydan Özoguz, die 2009 eher zufällig über die Landesliste in den Bundestag eingezogen war, soll diesmal als Direktkandidatin in ihrem Heimatkreis Wandsbek antreten. Das Problem ist Özoguz' Wandsbeker Bundestagskollege Ingo Egloff, für den dann kein Platz mehr wäre. Scholz hat im Landesvorstand unwidersprochen die Losung ausgegeben, dass alle aktuellen SPD-Bundestagsabgeordneten, die erneut kandidieren wollen, in einem Wahlkreis antreten sollen.
Nach jetzigem Stand soll der frühere Parteichef Egloff im Süden "Asyl" erhalten. Schulsenator Ties Rabe, Chef der Bergedorfer SPD, und SPD-Mitte-Chef Johannes Kahrs wollen Egloff als Nachfolger von Altbürgermeister Hans-Ulrich Klose installieren, der nach dann 30 Jahren nicht wieder im Wahlkreis Bergedorf/Harburg kandidiert. Ganz harmonisch ist die Sache nicht: Die Harburger Sozialdemokraten wollen ihren Kreischef Frank Richter ins Rennen schicken. Und dann hat auch noch der Wilhelmsburger Bürgerschaftsabgeordnete Metin Hakverdi seinen Hut in den Ring geworfen. Kahrs, dessen eigene Kandidatur in Mitte unumstritten ist, soll nicht sehr amüsiert sein.
Besonders unübersichtlich ist die Lage im Wahlkreis Nord: Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose zeigt intern deutliches Interesse an einem Wechsel vom Rathaus in den Bundestag. Auch der Kreischefin und Parteivize Inka Damerau werden Ambitionen nachgesagt. Und dann ist da noch Christian Carstensen, der sich gerade als Vorsitzender des SPD-Distrikts Langenhorn-Süd durchgesetzt hat. Carstensen hatte den Wahlkreis schon einmal für die SPD geholt, ihn dann aber 2009 verloren.
Der Wahlkreis Nord ist auch in der CDU ein umkämpftes Pflaster: Nach dem unfreiwilligen Rückzug von Ex-Bürgermeister Christoph Ahlhaus gilt das Rennen als offen. Der Bürgerschaftsabgeordnete Andreas Wankum könnte antreten, falls er sich gegen Fraktionschef Dietrich Wersich bei der Kür des neuen Kreisvorsitzenden durchsetzt. Vorstellbar ist aber auch, dass der Nord-Bundestagsabgeordnete Dirk Fischer doch noch eine Legislaturperiode anhängt, nachdem er ursprünglich zugunsten seines Ziehsohns Ahlhaus verzichten wollte.
In Wandsbek gibt es ein Verdrängungsproblem auch bei der Union: Ex-Partei- und Fraktionschef Frank Schira drängt intern auf eine Bundestagskandidatur, aber der Abgeordnete Jürgen Klimke will nicht weichen. Als unumstritten gelten die erneuten Kandidaturen von Parteichef Marcus Weinberg in Altona und Parteivize Rüdiger Kruse in Eimsbüttel.