Wirtschaftswissenschaftler Rolf Bösinger ist der vierte Mitarbeiter, den Hamburgs Bürgermeister aus gemeinsamen Zeiten im Arbeitsministerium kennt.
Hamburg. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) besetzt eine Schaltstelle der Macht neu: Der 45 Jahre alte Wirtschaftswissenschaftler Rolf Bösinger wird zum 1. Mai neuer Chef des Planungsstabs in der Senatskanzlei. Der Sozialdemokrat löst den parteilosen Wilhelm Pagels ab, der seit 2009 an der Spitze der Denkfabrik des Regierungschefs im Rathaus stand.
Scholz kennt Bösinger aus seiner Berliner Zeit: Er war seit 2002 zunächst Leiter der Politikabteilung in der SPD-Parteizentrale, während Scholz Generalsekretär war. Bösinger wechselte als Leiter des Planungsstabs in das Bundesarbeitsministerium und wurde 2007 Leiter der Grundsatzabteilung, nachdem Scholz Minister geworden war. Zuletzt leitete Bösinger, der mit einer Arbeit zum Thema "Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs 1995" promoviert hatte, die Projektgruppe "Neue Kultur der Arbeit" im Arbeitsministerium.
Der Chef des Planungsstabs gehört zu den engsten Beratern des Bürgermeisters. Insofern ist es verständlich, dass Scholz einen Vertrauten auf diesen Posten holt. Inzwischen hat sich ein kleiner Kreis ehemaliger Berliner im Umfeld des Bürgermeisters gebildet, denn Bösinger ist bereits der vierte Mitarbeiter von Scholz aus dem Bundesarbeitsministerium, der nach Hamburg gewechselt ist.
Staatsrat Wolfgang Schmidt, der Bevollmächtigte beim Bund und der Europäischen Union, hat den heutigen Bürgermeister auf seinem Weg eng begleitet: Der 41 Jahre alte Sozialdemokrat war von 2002 bis 2005 persönlicher Referent des SPD-Generalsekretärs Scholz und von 2007 bis 2009 Leiter von Scholz' Ministerbüro. Nach dem Regierungswechsel blieb Schmidt zunächst als Unterabteilungsleiter im Arbeitsministerium. Heute pflegt der Jurist das Berliner Netzwerk für den Bürgermeister, dem das Engagement auf Bundesebene sehr wichtig ist.
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Seit April 2011 leitet Carsten Brosda das Amt für Medien in der Senatskanzlei. Der 37 Jahre alte Journalist und promovierte Medienexperte war zunächst Referatsleiter und von 2008 bis 2009 stellvertretender Leiter des Leitungs- und Planungsstabs im Arbeitsministerium. Brosda hatte zuvor als Redenschreiber in der SPD-Parteizentrale gearbeitet.
Scholz hatte das Amt für Medien nach dem Regierungswechsel von der Kulturbehörde in die Senatskanzlei verlagert und den Posten des Medienkoordinators abgeschafft, den vor dem Regierungswechsel Ex-"Spiegel"-Mann Karl Dietrich Seikel zuletzt innehatte. Brosda soll den für Scholz strategisch wichtigen Medien- und IT-Standort Hamburg stärken und ausbauen.
Vierter im Bunde ist Arbeits- und Sozialsenator Detlef Scheele. Scholz hatte den heute 55 Jahre alten Sozialdemokraten 2008 als beamteten Staatssekretär in das Arbeitsministerium geholt. Scheele hat als Senator eine wesentlich unabhängigere Funktion als Bösinger, Brosda oder Schmidt. Und Scheele hat als früherer Vorsitzender der SPD Nord und Ex-Geschäftsführer der städtischen Beschäftigungsgesellschaft Hamburger Arbeit fast sein ganzes Berufs- und Politikleben in Hamburg verbracht. Dennoch hat Scheeles Berliner Zeit zu einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Scholz und ihm geführt.
Der künftige Planungsstabschef Bösinger wird vor allem für die planerischen Grundlagen für das sogenannte Stadtprojekt des Ersten Bürgermeisters und dessen Koordination verantwortlich sein. Scholz sieht die großen Städte als Motoren der gesellschaftlichen Entwicklung und Innovation. Die Vorarbeiten in den einzelnen Behörden - etwa zum Wohnungsbau, zur Hochschulentwicklung - sollen im Planungsstab zu einem Konzept aus einem Guss zusammengefügt werden.
Die Leistungsfähigkeit des Planungsstabs wird unabhängig davon, wer den Senat jeweils stellt, anerkannt. Dabei spielt das Parteibuch oder die politische Orientierung der Mitarbeiter ausdrücklich kaum eine Rolle. Es ist durchaus bezeichnend, dass alle vier aktuellen Abteilungsleiter des Planungsstabs im Rathaus keinen sozialdemokratischen, sondern einen schwarz-grünen Hintergrund haben.
Christof Otto, Leiter der Abteilung 1 (Planung, Grundsatzfragen), war zwei Jahre lang Senatssprecher zu Zeiten des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust (CDU) und zuvor dessen Büroleiter. Lexi von Hoffmann, die die Abteilung 2 (Planung, Operationalisierung des Regierungsprogramms) leitet, war viele Jahre lang Geschäftsführerin der GAL-Bürgerschaftsfraktion.
Annette Hitpaß, mit der Abteilung 3 zuständig für Angelegenheiten des Senats, Intendanzfragen und die Kirchen, war früher Mitarbeiterin der CDU-Bürgerschaftsfraktion.
Johanna Hadenfeldt schließlich, Leiterin der Abteilung 4 (Überregionale Zusammenarbeit) startete ihre Rathauskarriere einst ebenfalls als Mitarbeiterin der CDU-Fraktion.
Nachdem Ole von Beust 2001 Bürgermeister geworden war, beließ er den Planungsstabschef seines Vorgängers Ortwin Runde (SPD), Theodor Körner, im Amt. Sozialdemokrat Körner wirkte maßgeblich mit am Konzept der Wachsenden Stadt, das in den folgenden Jahren zentrale Bedeutung für die CDU-Senate hatte.
Ole von Beust hielt sehr viel von dem Spitzenbeamten und ließ ihn nur ungern 2003 als Staatssekretär nach Kiel ziehen. Auch Körners Nachfolger war Sozialdemokrat: Michael Voges, heute Staatsrat in der Schulbehörde. Beust schätzte Voges' Arbeit so sehr, dass er ihn zum Staatsrat beförderte. Erst nach Voges' Weggang 2006 holte Beust mit Nikolas Hill, heute Staatsrat in der Kulturbehörde, einen Parteifreund an die Spitze der Denkfabrik im Rathaus.